Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM) - Aktuelles
Hainetze zur Haiabwehr - eine ökologische Katastrophe
Veröffentlicht am 2. Oktober 2025 von Ulrich Karlowski
Um das Vordringen von potenziell für den Menschen gefährlichen Haien bis in Strandnähe zu verhindern, setzt man in Südafrika (bereits seit 1952), Australien und anderen Ländern sogenannte Hainetze ein. Damit will man Haie von Bade- und Surfstränden "fernhalten". Hainetze stehen stark in der Kritik. Denn sie verschärfen die Biodiversitätskrise [1] an den betroffenen Küstenabschnitten. Seltene und bedrohte Haie und viele andere Meerestiere [2] (Rochen, Meeresschildkröten, Delfine und größere Fische) sterben in großer Zahl. Dabei sind fast alle der in den Netzen sterbenden Tiere für Menschen vollkommen harmlos!
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Zunehmend außer Kontrolle gerät die Situation im australischen
Queensland, Heimat des spektakulären Great Barrier Reef. 2025
verhedderten sich bereits zwölf Buckelwale in vor der Küste
aufgestellten Hainetzen, viele davon vor der Sunshine Coast. 2024
verfingen sich dagegen "nur" acht Wale in den gefährlichen
Stellnetzen.(1)
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Im Zuge des katastrophalen "Hai-Abwehrprogramms" von Queensland fallen zahllose Meerestiere wie Buckelwale, Delfine, Meeresschildkröten und Rochen den vor den Küsten aufgestellten Netzsperren und sogenannten SMART-Drumlines [3] (Köderhaken) zum Opfer. Im Jahr 2024 sollen sich laut Angaben der Humane Society International 1.641 Meerestiere in den Netzen verfangen haben. Mehr als die Hälfte davon waren keine Haie, mehr als 980 Tiere mussten sterben! Betroffen waren unter anderem 22 Wale und Delfine, 37 Meeresschildkröten und 46 Rochen.
Besonders dramatisch verlief der stundenlange Überlebenskampf einer Buckelwalmutter mit ihrem Kalb am 17. September 2025 in einem vor Noosa an der Sunshine Coast aufgestellten Haiabwehrnetz. Stundenlang versuchte die Mutter, ihr Kalb vor dem Ertrinken zu bewahren [4]. Ihr Martyrium hatte ein glückliches Ende. Beide wurden befreit. Leider konnte man nicht sämtliche Netzreste entfernen, was die beiden sicherlich stark behindern dürfte. David Crisafulli, Premier des australischen Bundesstaats, erklärte gegenüber theguardian.com, dass man den Schutz der Wale nicht "auf Kosten eines einzigen Menschenlebens" ausweiten werde.
Mit ein Grund für die zunehmenden Verhedderungen von Buckelwalen in australischen Hainetzen, ist, dass die Buckelwalpopulation auf etwa 50.000 Individuen angewachsen ist. Außerdem liegt die Sunshine Coast auf der aktuellen Wanderroute der großen Wale. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Verhedderung in Fischereigerät (entanglement [5]) mittlerweile eine der Haupttodesursachen von Großwalen ist.
Zu den potenziell für Menschen gefährlichen Haiarten zählen hauptsächlich Sambesi- oder Bullenhaie [6] (Carcharhinus leucas), Weiße Haie (Carcharodon carcharias) und Tigerhaie (Galeocerdo cuvier).(2)
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Ein Unfall mit einem Hai, auch Haiangriff genannt, ist ein
außergewöhnlich seltenes Ereignis. Jedoch erzeugt jeder einzelne
Vorfall extrem viel Aufmerksamkeit in den Medien, bei Touristikern und
Lokalpolitikern.
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Hainetze sind ca. 200 m lange und ca. 6 m hohe Kiemennetze. Man verankert sie wie pelagische Stellnetze in 10-14 m Wassertiefe. Die Netze stehen parallel zur Küstenlinie jenseits der Brandung zwischen 300 und 500 m vor der Küste knapp unter der Wasseroberfläche. Sie sind, von kleineren Unterbrechungen abgesehen, das ganze Jahr über gestellt und werden mehr oder weniger regelmäßig kontrolliert.
Lebend in den Netzen gefundene Tiere (einschließlich Haie, Meeresschildkröten und Wale) lässt man wieder frei. Tote Tiere werden entfernt und manchmal zu Forschungszwecken eingesetzt. In südafrikanischen Hainetzen sterben unter anderem:
Hainetze agieren im Grunde wie eine kommerzielle Haifischerei [11]. Nur, dass der Fang nicht genutzt wird. Besonders katastrophal an dieser Fischereimethode ist ihre Beifangrate. Stellnetze haben eine doppelt so hohe Beifangrate wie Schleppnetze [12]. De facto schwächt man mit Hainetzen die Populationen großer Haiarten. Delfinbeifänge sowie Beifänge kleiner und für den Menschen harmloser Haie und Rochen [13] nimmt man dabei in Kauf.
Drumlines
Drumlines sind an einer Boje befestigte beköderte Haken. Mit ihnen
konnte vor Australien und Brasilien zumindest die Delfinbeifangrate
gesenkt werden. Doch auch diese Methode ist nicht nur wegen des
Beifangs von Nicht-Zielarten umstritten: Denn mit den beköderten Haken
lockt man gerade die Tiere an die Küste, die man hier nicht haben
will: Haie. Und sie sterben am Köderhaken einen langsamen Tod, wenn
sie nicht rechtzeitig befreit werden.
Elektrozäune
Elektrozäune oder Shark Barriers sind am Meeresgrund verankerte
Elektrokabel. Von ihnen sind unter schwachem Strom stehende Drähte
gespannt. Sie reichen bis an die Wasseroberfläche. Damit kann man die
elektrosensiblen Haie abschrecken.
Shark-Spotter
Der Einsatz von Shark Spottern, die im Wasser befindliche Menschen
rechtzeitig vor einem Haiangriff warnen, hat sich z. B. vor Kapstadt
bereits bewährt.
In Australien werden seit September 2021 an vier Stränden der Capricorn Coast im Great Barrier Reef Marine Park in Queensland SMART-Drumlines getestet. In Westaustralien, wo Hainetze verboten wurden, sind sie bereits im Einsatz. Auch New South Wales (NSW) testet diese Technik. SMART-Drumlines melden über einen Signalgeber, wenn ein Hai oder ein anderes Tier am Köderhaken hängt. Dadurch kann man die Tiere oft rechtzeitig befreien, aber nicht immer. Auf diese Weise befreite Haie erhalten zudem einen Sender. So lassen sich ihre Wanderrouten per GPS-Tracking mit der SharkSmart-App verfolgen.
Bisherige Erfahrungen sind positiv. Es zeigte sich beispielsweise,
dass von Smart-Drumlines befreite Haie an dem betreffenden
Küstenabschnitt bei ihrer Wiederkehr einen größeren Abstand einhalten.
Sie haben gelernt, die Gefahr zu meiden.
(1) Queensland Government / Department of Primary Industries: Report
animals entangled in shark nets or drumlines [14]
(2) Florida Museum International Shark Attack File [15]
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter
Beitrag
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
• Titelfoto: Bleifarbener Delfin im Hainetz, © David
Savides / Bullenhai im Hainetz, © Fiona Ayerst/Marine
Photobank
• Buckelwal unter Wasser - © Ocean Image Bank/Francois
Baelen
• Besser als Hainetze: Warnschild am Strand von Muizenberg
(Südafrika) mit Hai Spotter Hinweis zum Schutz vor Haiangriffen.
© Kathleen Reaugh/Marine Photobank
• Der junge Buckeldelfin "Beebop" starb in einem gegen
Haiangriffe aufgestellten Hainetz vor Richards Bay.
Ein junger Bleifarbener Delfin, der in einem Hainetz starb. Männliche
Jungtiere gehören zu den am häufigsten in Hainetzen sterbenden
Delfinen vor Südafrika. Sein Körper zeigt deutliche Netzmarken.
© Brett Atkins
Weiterführende Informationen
Besserer Artenschutz für Haie und Rochen dank CITES
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/artenschutz/besserer-schutz-fur-haie-und-rochen-durch-cites/
UN-Biodiversitätskonvention CBD
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/artenschutz/cbd-un-konvention-zur-biologischen-vielfalt/
Fischereikommission ICCAT lässt die Haie im Stich
https://www.stiftung-meeresschutz.org/presse/iccat-laesst-atlantische-haie-im-stich/
Handelsverbote für Haiflossen sind effektiver als
Shark-Finning-Verbote
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/fischerei/haiflossen-fischerei-shark-finning/
Wie man mit Haien schwimmt - Eine Liebeserklärung
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/buchtipps/wie-man-mit-haien-schwimmt/
Bullenhaie
https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/bullenhai/
Viel heiße Luft auf der UN-Ozeankonferenz UNOC-3 in Nizza
https://www.stiftung-meeresschutz.org/presse/un-ozeankonferenz-unoc-3-in-nizza/
Veröffentlicht unter Artenschutz, Tourismus - Schifffahrt
Links:
[1] https://www.stiftung-meeresschutz.org/biodiversitaetskrise/
[2] https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/
[3] https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/artenschutz/hainetze-gegen-haiangriffe/#drumline
[4] https://www.instagram.com/reel/DOueWtEEkJ6/?utm_source=ig_embed
[5] https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/fischerei/industrielle-fischerei/#12-sinnloses-sterben
[6] https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/bullenhai/
[7] https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/bleifarbener-delfin/
[8] https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/gemeiner-delfin/#systematik
[9] https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/bullenhai/
[10] https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/weissfleck-geigenrochen-gitarrenrochen/
[11] https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/fischerei/haiflossen-fischerei-shark-finning/
[12] https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/fischerei/eu-supertrawler-pluendern-britische-gewaesser/
[13] https://www.stiftung-meeresschutz.org/meerestiere/#rochen
[14] https://www.dpi.qld.gov.au/news-media/campaigns/sharksmart/equipment/entangled-animals
[15] https://www.floridamuseum.ufl.edu/shark-attacks/factors/species-implicated/
URL des Artikels mit Bildern:
https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/artenschutz/hainetze-gegen-haiangriffe
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Quelle:
Aktuelles - 2. Oktober 2025
Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM)
41460 Neuss
E-Mail: info[AT]stiftung-meeresschutz.org
Internet: https://www.stiftung-meeresschutz.org
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. Oktober 2025
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