MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen - 01.10.2025 11:02
Kleine Änderung, große Wirkung
Forschende belegen bedeutende ökologische Veränderung bereits vor der größten klimatischen Erwärmung der letzten 90 Millionen Jahre
Der Klimawandel stellt eine große Bedrohung für Lebewesen wie Plankton dar, die die Grundlage der marinen Nahrungskette bilden. Ein Team von Wissenschaftlern des MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen hat anhand von Fossilienfunden nachgewiesen, dass bereits relativ geringe Klimaveränderungen Auswirkungen auf Planktongemeinschaften haben. Ihre Ergebnisse haben sie in Communications Earth & Environment veröffentlicht.
Ein großer Teil der Kohlenstoffdioxid-Emissionen, die durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gelangen, wird in den oberen Schichten des Ozeans absorbiert. Dieser wird dadurch zunehmend saurer. Kleinstorganismen wie Plankton, welches die Basis der marinen Nahrungskette bildet und an der Meeresoberfläche lebt, ist besonders gefährdet. Jedes Lebewesen im Ozean hinterlässt Spuren: sie sinken auf den Ozeanboden und lagern sich dort Schicht für Schicht ab. So werden sie zu Zeugen vergangener Umweltbedingungen. "An Meeresablagerungen vergangener Zeiten können wir sehen, wie dieses Plankton während urzeitlicher Klimaveränderungen reagierte, die ebenfalls mit einem Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen einhergingen", heißt es in der jetzt erschienenen Studie. "Ein Fallbeispiel für den Klimawandel in naher Zukunft, wenn die Kohlendioxid-Emissionen weiter steigen, das so genannte Worst-Case-Szenario, ist das Paläozän-Eozän-Wärmemaximum (PETM) vor rund 56 Millionen Jahren. Hunderte Tiefseearchive, in denen das PETM enthalten ist, zeigen aufgrund steigender Temperaturen an der Meeresoberfläche eine globale Veränderung in den Planktongemeinschaften und eine Versauerung der Ozeane."
Ein Forscher:innenteam vom MARUM, Universität Bremen hat nun untersucht, wie Phytoplankton-Gemeinschaften der höheren Breiten auf die PETM-Erwärmung reagiert haben. Lebensräumen in hohen Breitengraden ist für die Modellierung vergangener Klimazustände besonders wichtig, weil sie historisch wenig erkundet sind und wahrscheinlich besonders empfindlich auf den vom Menschen verursachten Klimawandel reagieren. Der Schwerpunkt der Studie lag auf Tiefsee-Sedimentkernen vom Campbell-Plateau im Südpolarmeer, die während der Expedition 378 des International Ocean Discovery Program (IODP) gewonnen wurden.
In ihrer Studie, die auf fossilen Überresten von kalkhaltigem Nannoplankton basiert - mikroskopisch kleine, einzellige Algen, die im Oberflächenozean Photosynthese betreiben und Schalen aus Kalziumkarbonat produzieren - hat das Team rekonstruiert, wie sich die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft verändert hat, sowohl vor als auch während des PETM. "Bestimmte Arten von Nannoplankton bevorzugen wärmere, nährstoffärmere Gewässer, während andere nur in kälteren, nährstoffreicheren Gewässern überleben können. Daher haben Erwärmungsereignisse wie das PETM einen großen Einfluss darauf, welche Arten sich entfalten und welche nicht. Dies können wir am Vorkommen von Nannofossilien beobachten, indem wir zählen, wie viele Exemplare jeder Art auftreten und wie sich dies im Laufe der Zeit verändern", erklärt Erstautorin Dr. Heather L. Jones.
Etwas überraschend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass das PETM die Nannoplankton-Gemeinschaften offenbar nicht so stark beeinflusst hat wie erwartet. Sie führen dies auf ein vorangegangenes, kleineres Erwärmungsereignis zurück, das ihrer Ansicht nach die Nannoplankton-Gemeinschaften bereits etwa 200.000 Jahre vor dem PETM destabilisiert hatte. "Die meisten Studien konzentrieren sich nur auf das PETM-Ereignis selbst und nicht auf die längere Zeitspanne davor", erklärt Jones. "Die Untersuchung dieser Hintergrundintervalle ist jedoch absolut entscheidend, um das Ausmaß zu bestimmen, in dem Erwärmungsereignisse tatsächlich zu Ökosystemveränderungen führten. Im Fall unserer Studie scheinen die Umweltbedingungen vor dem Ereignis nicht vollständig stabil gewesen zu sein, was einen direkten Einfluss darauf hatte, wie das Nannoplankton auf das PETM reagierte. Die Studie unterstreicht auch, dass selbst relativ kleine Umweltveränderungen dramatische Auswirkungen auf die Meeresökosysteme an bestimmten Standorten haben können, was wichtige Auswirkungen auf die aktuellen, stark regionalen Auswirkungen des modernen Klimawandels hat."
Die aktuelle Studie ist die erste, die das Vor-PETM Ereignis im Detail dokumentiert, dessen globale Bedeutung ist bisher unsicher. Die neuen Ergebnisse bereiten somit die Bühne für künftige Untersuchungen an den Archiven der existierenden Tiefseebohrkerne - wie die des Bremer Kernlagers am MARUM - um das neu beschriebene Ereignis in verschiedenen Ozeanbecken zu identifizieren.
Die Erstautorin, Dr. Heather L. Jones hat sich auf die kalkigen Nannofossilien, die das Team zu den Ergebnissen der Studie geführt hat, spezialisiert. Sie arbeitet daran im Rahmen des Exzellenzclusters "Der Ozeanboden - unerforschte Schnittstelle der Erde", der am MARUM angesiedelt ist. Ein Forschungsschwerpunkt des Clusters ist, wie komplexe Ökosysteme auf veränderte Umweltbedingungen reagieren.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die
Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die
Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen
von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen
Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima
sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen
einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für
grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung
vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der
Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine
qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei
zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue
Erkenntnisse zur Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der
Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit
Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels
zum Schutz der Meeresumwelt.
Originalpublikation:
Jones, H.L., Niederbockstruck, B., Westerhold, T. Röhl, U.;
Palaeoecological change preceded the Palaeocene-Eocene Thermal Maximum
by 200 kyr in the high latitude south-west Pacific Ocean. Commun Earth
Environ 6, 746 (2025).
https://doi.org/10.1038/s43247-025-02749-5
Weitere Informationen:
Der Exzellenzcluster "Der Ozeanboden - Unerforschte Schnittstelle der
Erde"
https://www.marum.de/Der-Ozeanboden.html
Das Bremer Kernlager
https://www.marum.de/Bremer-Kernlager.html
Weitere Informationen zur Expedition 378 des International Ocean
Discovery Program (IODP)
https://iodp.tamu.edu/scienceops/expeditions/south_pacific_paleogene_climate.html?
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
https://idw-online.de/de/institution314
Homepage: http://www.marum.de
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen - 01.10.2025 11:02
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. Oktober 2025
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