UZ - Unsere Zeit, Nr. 42 vom 17. Oktober 2025
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP
Faschismus oder militaristisch-reaktionärer Staatsumbau?
Was passiert zur Zeit in den imperialistischen Hauptmächten? Eine
Anmerkung zur Bedeutung klarer Analyse und Begrifflichkeit
von Manfred Sohn
Nach den faschistischen Verbrechen der Jahre 1933 bis 1945 ist es verständlich, dass der Begriff "Faschismus" schnell auf politische Bewegungen geklebt wird, die bekämpft werden müssen. Warum schließen sich Kommunistinnen und Kommunisten dem so zögernd an?
Vor den letzten Bundestagswahlen ist es dem damaligen Regierungslager gelungen, Hunderttausende auf die Straße zu mobilisieren, um die vermeintlich von der AfD ausgehende faschistische Gefahr abzuwehren. Das war dieselbe Regierung, deren Verteidigungsminister - der sich ja vielleicht in US-amerikanischer Gefolgschaft auch bald Kriegsminister nennt - dazu aufrief, in fünf Jahren "kriegsfähig" zu werden. Das war die Regierung, die - wie die jetzige - die Unterstützung des völkermordenden Staates Israel zur deutschen Staatsräson erklärte. Antifaschismus wurde und wird so zu einem Vorhang, hinter dem Kriege vorbereitet werden und ein Völkermord gerechtfertigt wird. Wie kann das sein?
Das konnte und kann geschehen, weil in den letzten 40 Jahren der Begriff des Faschismus in den Köpfen von Millionen entleert worden ist. Faschismus ist kein Synonym für "Scheiße", keine moralische Kategorie, sondern eine Klassenfrage. Er wurde vom deutschen Imperialismus 1933 benötigt, um nach dem verlorenen Weltkrieg einen zweiten Anlauf zur europäischen und danach Weltherrschaft zu organisieren. Das schien den treibenden Kräften unter Aufrechterhaltung des damaligen bürgerlich-parlamentarischen Systems nicht mehr möglich - also forcierten sie den Übergang zur offenen Diktatur. Die Verbindung des Faschismusbegriffs mit der Klassenfrage war in Deutschland auch unter Einfluss der DDR selbst auf die Diskussionen zwischen Rhein und Elbe weitgehend klar. Mit der Zerstörung und Einverleibung der DDR verschwand dieses Bewusstsein und den herrschenden Medien ist es seitdem gelungen, in Millionen Köpfen Faschismus vor allem mit "Judenverfolgung" gleichzusetzen - und folglich Antifaschismus mit Nibelungentreue zu Israel.
Historisch darf eine weitere Tatsache nicht übersehen werden: Der diesen Globus auspressende Kapitalismus und Imperialismus bedarf in seiner Normalform nicht dieser offenen Diktatur. Die Unterjochung der halben Welt durch den britischen Imperialismus spielte sich im Rahmen des bürgerlichen Parlamentarismus ab und seine Planungen fanden in der gediegenen Atmosphäre von Whitehall statt. Die USA benötigten weder für den Vietnam- noch für den Irak-Krieg Faschismus.
Auch in Deutschland blieben in den Jahren 1910 bis 1918 Verfassung und Parlament bestehen. Aber um kriegsfähig zu werden, mussten in seinem Rahmen die Repressionsinstrumente ausgebaut werden. Das Verteilen von Flugblättern des Spartakus-Bundes wurde mit Polizeigewalt unterbunden, Streiks der Munitionsarbeiter wurden niedergeschlagen, Rosa Luxemburg ins Gefängnis gesteckt, Karl Liebknecht an die Front geschickt mit der unverhohlenen Hoffnung, dass ihn dort die Kugel eines französischen Klassenbruders niederstreckt. Das alles blieb im Verfassungsrahmen - bei Stärkung der Exekutive gegenüber dem zunehmend an den Rand gedrückten Parlament und einer sich von Jahr zu Jahr steigernden Unterdrückung jeder antimilitaristischen oder gar sozialistischen Aufklärung.
Ein ähnliches Bild sehen wir jetzt in allen imperialistischen Staaten wieder - von den USA über Großbritannien bis zu uns in Deutschland. Die Gefahr der Fixierung auf "Faschismus" besteht darin, dass die Hauptgefahr übersehen wird: der militaristisch-reaktionäre Umbau von Staat und Gesellschaft für den großen Krieg gegen diejenigen Völker, die - in solchen Organisationen wie der BRICS um China als Kern zusammengeschlossen - versuchen, die globale Herrschaft des USA/NATO/EU-Blocks abzuschütteln und eine auf Gleichheit, Offenheit und friedlicher Koexistenz verschiedener Gesellschaftssysteme beruhende Weltordnung zu errichten. Der militaristisch-reaktionäre Umbau findet bei formaler Aufrechterhaltung und gleichzeitiger inhaltlicher Aushöhlung der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung statt. Darauf, nicht auf eine handstreichartige Übernahme der Regierung durch die AfD, sollte das Auge vor allem gerichtet werden - etwa, wenn aus dem Regierungslager jetzt öffentlich die Überlegung angestellt wird, angesichts von angeblich russischen Drohnenangriffen den "Spannungsfall" auszurufen. Damit werden die in den 1960er Jahren zu diesem Zweck entwickelten Notstandsgesetze scharf geschaltet.
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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 57. Jahrgang
UZ - Unsere Zeit, Nr. 42 vom 17. Oktober 2025 - Seite 13
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. Oktober 2025
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