medica mondiale - Pressemitteilung vom 6. Oktober 2025
Welttag der psychischen Gesundheit: medica mondiale warnt vor transgenerationalem Trauma
Köln, 06. Oktober 2025 - Zum Welttag psychischer Gesundheit am 10. Oktober macht medica mondiale aufmerksam auf transgenerationale Traumata als Folge sexualisierter Kriegsgewalt und warnt vor massiven und langanhaltenden Folgen, insbesondere, wenn Überlebende mit ihren Erfahrungen allein gelassen werden. Was es braucht, den Kreislauf zu durchbrechen und Überlebende zu unterstützen.
"Traumata, wie sie häufig aus Kriegsvergewaltigungen oder anderen Formen sexualisierter Kriegsgewalt entstehen, enden nicht mit dem Krieg - sie wirken weiter, über Generationen hinweg", erklärt Karin Griese, Bereichsleitung Trauma-Arbeit, der Frauenrechtsorganisation medica mondiale. "Frauen und Mädchen, die diese Gewalt überlebt haben, leiden oft ihr Leben lang unter den Folgen. Doch das Leid betrifft nicht nur sie selbst: Traumadynamiken setzen sich in Familien und Gemeinschaften fort, sind auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene spürbar", so Griese.
Die Auswirkungen transgenerationaler Traumafolgen sind vielfältig. Sie zeigen sich etwa in einer übersteigerten Wahrnehmung von Bedrohung, Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen oder insgesamt Schwierigkeiten, die eigenen Gefühle zu regulieren. Das kann auch dazu führen, dass Betroffene nahe Beziehungen nicht ertragen oder aufrechterhalten können.
"Der erste Schritt in Richtung Aufarbeitung ist die Enttabuisierung und gesellschaftliche Anerkennung - das Sprechen über patriarchale Gewalt, ihre Ursachen und Folgen", erklärt Griese. Was nicht gemeinsam erinnert und nicht anerkannt wird, bleibt wirksam - im Stillen. "Wenn Überlebende aber Unterstützung erfahren, ihr Leid gesehen und benannt wird, kann eine Generation beginnen, das Schweigen zu überwinden. Das wirkt heilsam - in Familien, in Gemeinschaften und für ganze Gesellschaften", so die Expertin.
Anstelle von Anerkennung und Unterstützung, erfahren Überlebende sexualisierter Gewalt und Kriegsgewalt aber meist Ablehnung. Sie werden ausgegrenzt, stigmatisiert, selbst verantwortlich gemacht und zum Schweigen gebracht. Dieses Schweigen ist kein Einzelfall und hat nichts mit Nation, Religion oder Kultur zu tun, sondern ist die grausame Realität von Frauen und Mädchen weltweit. Ursache sind die zugrundeliegenden patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaften. Das Schweigen dient dem Machterhalt dieser - auch in Deutschland.
"Wir müssen nicht erst nach Bosnien, Irak oder in die Demokratische Republik Kongo gucken, um transgenerationale Traumata in den Gesellschaften zu finden" erklärt Monika Hauser, die Gründerin von medica mondiale. 2025 jährte sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 80. Mal. Millionen Frauen und Mädchen erlebten im Zweiten Weltkrieg sexualisierte Gewalt. Doch dieser Teil der Geschichte wurde ignoriert und verdrängt und die betroffenen Frauen mit ihren Erfahrungen allein gelassen. Bis heute ist auch hier das Schweigen vorherrschend und mangelt es an der Aufarbeitung dieser Gewalt.
Umso wichtiger sei es, zu verstehen, dass Traumata weder rein individuelle Ereignisse noch dass sie in der Vergangenheit abgeschlossen seien, so die Gründerin. Sie werden auf die nächsten Generationen übertragen und wirken bis in unsere Gegenwart und die ganze Gesellschaft hinein.
"Daher ist die Unterstützung Überlebender eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Politik und Institutionen und Zivilgesellschaft müssen hier Verantwortung übernehmen und einen Beitrag leisten", fordert Hauser.
Es braucht:
Als Fachorganisation, die seit über 30 Jahrzehnten mit Überlebenden sexualisierter Gewalt und Trauma arbeitet, setzt sich medica mondiale seit Anbeginn für eine traumasensible Begleitung von Überlebenden ein - mit niedrigschwelligen Beratungsangeboten, psychosozialer Begleitung und politischer Arbeit. Dazu hat die Organisation in Zusammenarbeit mit ihren Partner:innen den STA - Stress- und traumasensiblen Ansatz® entwickelt. Denn nach einer Gewalterfahrung brauchen Überlebende Sicherheit und Schutz. Sie müssen die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen und heilen können. Dafür ist es wichtig, geschützte Räume für Gespräche anzubieten, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen und Menschen gezielt zu stärken. Und es ist essentiell, dass das erlebte Leid auch von der Gesellschaft anerkannt wird.
Über medica mondiale:
medica mondiale ist eine feministische Frauenrechtsorganisation.
Seit über 30 Jahren setzen wir uns gegen sexualisierte Kriegsgewalt ein
und gegen Machtverhältnisse, die Frauen unterdrücken. Gemeinsam mit
Partnerorganisationen in Afghanistan, Bosnien und Herzegowina, Liberia,
der Demokratischen Republik Kongo und anderen Ländern unterstützen wir
Überlebende sexualisierter Gewalt, stellen uns gegen diskriminierende
Machtverhältnisse und stärken Frauenrechtsaktivist:innen. Für eine
gerechtere Welt. Für alle.
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Quelle:
Pressemitteilung vom 6. Oktober 2025
medica mondiale e.V.
Hülchrather Str. 4, 50670 Köln
Telefon: + 49 (0) 221 - 93 18 98 0, Fax: + 49 (0) 221 - 93 18 98 1
E-Mail: info@medicamondiale.org
Internet: https://medicamondiale.org
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. Oktober 2025
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