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VEGETARIERBUND/366: Paul Watson - Keine Zeit für Kompromisse (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 01/11 - Winter 2010/2011
Das VEBU Magazin

Keine Zeit für Kompromisse

Von Guido Barth


Im September kam auf Einladung der Partei "Mensch Umwelt Tierschutz" der weltbekannte Umweltaktivist Captain Paul Watson von der Organisation "Sea Shepherd" nach Hannover, um Einblicke in seine Arbeit zu geben. Angesichts der galoppierenden Zerstörung des Lebens in den Ozeanen hatte die Partei bereits Anfang 2010 die Kampagne "Motion for the Ocean" ins Leben gerufen. Der Kampagnen-Slogan drückt aus, dass nicht leere Absichtserklärungen, sondern nur entschlossenes Handeln die Bemühungen zum Schutz der Meere vorantreiben kann.

So war auch pünktlich zu Beginn der Thunfisch-Fangsaison ab Mitte Mai mit 28 großflächigen Plakaten auf sechs Bodenseefähren auf die bevorstehende Ausrottung des Blauflossenthunfisches im Mittelmeer aufmerksam gemacht worden.


Paul Watson kann einem die Ehrfurcht in die Knochen treiben. Er ist als Urgestein seit gut vier Jahrzehnten in die Umweltbewegung involviert. Wer sich mit seinen biografischen Daten beschäftigt, ein paar Interviews und Artikel liest und vielleicht noch ein Video auf YouTube anschaut, dem wird zweifellos klar Dieser Mann will sich im Kampf für die Tiere und für die Umwelt nicht aufhalten lassen. Sein Lebenswerk sieht entsprechend aus: Proteste gegen Atombombenversuche der USA in den 60er Jahren, Gründungsmitglied von Greenpeace, Politiker, Gründer der "Sea Shepherd Conservation Society", Bürgermeisterkandidat von Vancouver, Fischfangschiffe gerammt, die japanische Walfangflotte behindert, über ein Dutzend Fangschiffe verschiedener Nationen versenkt, Einsatz für Seehunde, Delfine, Schutz der Galapagos-Inseln, Protest gegen das Walschlachten auf den Faroer-Inseln - eigentlich überall, wo gefischt und getötet wird, sind seit 1977 die Leute von Sea Shepherd dabei "Illegales Fischen passiert viel häufiger, als man ahnt," sagt Paul Watson. Watson ist Schiffskapitän und sozusagen der Chef von "Sea Shepherd". Alle nennen ihn nur Captain Watson. Er schaut sehr ernst und sagt dann: "Wir haben in der ganzen Zeit" - damit meint er die letzten gut 30 Jahre - "nie jemanden verletzt." Seine Stimme ist kräftig, nicht tief und seebärig, wie man vielleicht vermuten mag, und sie klingt sehr selbstbewusst. "Wir sind auch bisher von keinem Gericht der Welt verurteilt worden", fügt er hinzu.


"Sea Shepherd" ist kein Bittsteller

60.000 Tonnen vom bedrohten Blauflossen-Thunfisch wurden im Mittelmeer binnen Jahresfrist gefangen, die Quote erlaubte maximal 15.000 Tonnen. "Unsere Schiffe patrouillieren etwa vor Tunesien und wir dokumentieren. Falls erforderlich, behindern wir auch gezielt". Behindert werden auch die japanischen Walfänger in der Antarktis. "Außer uns macht das niemand. Wir schützen dabei nicht nur die Wale, sondern auch internationales Recht. Oft fahren die Walfänger in Schutzgebiete und stellen dort den Walen nach."

Die japanische Flotte ziehe gerade wieder in die Fangsaison und wolle um die 1.000 Wale erlegen, angeblich, so heiße es seit Jahren, für wissenschaftliche Zwecke. Tatsächlich landet das Walfleisch, das sehr stark umweltbelastet ist und für Kinder als gesundheitsschädlich eingestuft werden kann, als Delikatesse auf den Tischen japanischer Restaurants. Im letzten Jahr konnte "Sea Shepherd" mit dem größten Schiff seiner Flotte, der "Steve Irwin", 500 Tieren das Leben retten. Das gelang in erster Linie, weil die Crew geschickt um das Nachschubtankschiff der Japaner manövrierte und die Trawler nur sehr verzögert wieder aufgetankt werden konnten. Es ärgere ihn, dass Greenpeace jedes Jahr in der Antarktis ein paar Banner hochhalte und mit 40 Millionen Dollars Spendengeldern wieder nach Hause fahre. Wale würden damit nicht gerettet, meint Watson. "Wenn Greenpeace uns unterstützen würde, könnten wir alle Wale retten." Leider trete Greenpeace aber eher als Bittsteller bei Politiker/innen und in der Wirtschaft auf. Frei nach dem Motto: "Bitte, bitte, tötet keine Wale mehr". Captain Watson macht unmissverständlich deutlich, dass seine Organisation anders vorgeht: "Wir sagen den Leuten ganz klar: Ihr werdet keine weiteren Wale mehr töten, andernfalls versenken wir euer Schiff". Die "Sea Shepherd"-Schiffe fahren unter einer Piraten-Flagge.


Platz für Angst ist kaum

Begegnungen, die wie Räubergeschichten klingen, hat Watson oft erlebt: Da ist der russische Soldat am Strand, der das Schiff draußen vor der Küste aus der Ferne für ein russisches gehalten hat und erst nach einer Stunde, in der die Crew am Strand alles dokumentiert hatte, näher kam und Fragen stellte und sich wunderte, dass das kleine Schlauchboot mit Mercury-Motoren ausgerüstet war - Motoren, die es in Russland überhaupt nicht gab. Als der Soldat sein Gewehr von der Schulter nahm, "da half nur noch Lächeln und Winken, auf lachende Menschen schießt es sich nicht so einfach", frotzelt Watson, während er in meinem Gesicht nach einer Reaktion auf diese Geschichte sucht.

Es gab auch den russischen Kapitän eines Walfängers, der die Behinderungen der "Sea Shepherd"-Boote Leid war und seinem Harpunier etwas ins Ohr flüsterte und halsabschneiderisch in Richtung der Schlauchboote gestikulierte. "Der meinte das total ernst. Wir hatten in den Jahren viel Gandhi gelesen, aber in diesem Moment wurde mir klar, dass wir damit nicht weit kommen würden."


Vegane Ernährung ist aktiver Tier- und Umweltschutz

Man mag sich fragen, was diesen Mann zu so einem kompromisslosen Kurs treibt. Watson, der sich selbst für eher konservativ hält, beschreibt seine Entwicklung so: "Ich bin schon als Kind mit Bibern geschwommen, später waren es auch Orkas - letzteres aber eher aus Versehen." Es sei einfach irrational, wie der Mensch mit seiner Umwelt umgehe. Jedes Jahr würden mehr als 20.000 Arten ausgerottet, Arten, die in 65 Millionen Jahren entstanden sind. Die Erde sei wie ein Lebenserhaltungssystem und das würde eines Tages zusammenbrechen. Dagegen wehre er sich. "Es ist schlicht auch die Liebe zur Natur." So sei es für ihn auch selbstverständlich, sich vegan zu ernähren, ja "auf allen unseren Schiffen wird vegan gegessen". Die "Sea Shepherd Conservation Society" propagiert die vegane Ernährung auch offensiv, als einen wesentlichen Beitrag, den jeder Mensch ganz persönlich erbringen könne. Da würde sich schnell zeigen, wer es wirklich ernst meine mit dem Tier- und Umweltschutz: "Du weißt ja, bei den eigenen Gewohnheiten ist es meistens schnell zu Ende mit der Entschlossenheit der Menschen", sagt er zu mir.


"Fleisch" gibt es nicht ohne Gewalt

Man habe ihm auch oft vorgeworfen, er würde nicht gewaltfrei für seine Sache kämpfen. "Wir werfen höchstens mit Buttersäure", brummelt er und lacht. Die rieche zwar scheußlich, verursache aber sonst keine Schäden. Die Japaner hingegen würden mit Blendgranaten antworten und hätten auch schon auf ihn geschossen. Eine Kugel hatte Watson in der Brust getroffen, nur dank der schusssicheren Weste blieb er unverletzt. Im letzten Januar überfuhr das japanischer Walfangschiff "Shonan Maru 2" die "Ady Gil", einen Trimaran von "Sea Shepherd". Das sei auf hoher See gewesen und vorsätzlich, wie Watson anführt. "Wie durch ein Wunder blieb die Besatzung fast unversehrt und konnte gerettet werden, bevor das Schiff gesunken ist." Seltsam finde er, dass der Kapitän des japanischen Schiffes bis heute weder verhört noch irgendwie zur Verantwortung gezogen worden sei. "Wie gesagt, wir haben noch nie jemanden verletzt", deswegen sehe er auch keinen Grund, sich zu rechtfertigen. Einem Grünen Parteigänger, der sich für absolut pazifistisch hielt, und der ihm zu viel Gewalt vorgeworfen hatte, habe er erwidert: "Und was ist mit dem Hamburger in deiner Hand?"


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Quelle:
natürlich vegetarisch 01/11 - Winter 2010/2011, S. 18 - 19
62. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2011