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BERICHT/190: Beratungsangebot - Zuhören und Fragen stellen (diesseits)


diesseits 1. Quartal, Nr. 82/2008
Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

Zuhören und Fragen stellen

Von Patricia Block und Herbert Kobsch


Mehrfach berichtete diesseits über das neue Beratungsangebot des Humanistischen Verbandes Berlin. Wo sonst traditionell nur ein kirchlicher Seelsorger zum Gespräch bereit stand, gibt es jetzt eine konfessionsfreie, weltliche Alternative.


Hier finden Menschen, die vor einer wichtigen Entscheidung stehen, Hilfe beim Abwägen der Alternativen. Sie können unter fachkundiger Begleitung einen neuen Lebensplan entwerfen, sie können sich aussprechen, wenn sonst niemand zuhört. 'Diesseits' fragte den ehrenamtlichen Berater Herbert Kobsch, im Berufsleben seit 17 Jahren Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit, ob dieses Angebot schon angenommen wird und mit welchen Problemen die Menschen zu ihm kommen.

Herbert Kobsch berichtet:

"In der Humanistischen Beratung werden Menschen wertungsfrei auf humanistischer Grundlage beraten. Zuhören und Fragen stellen - das muss ein Berater können. Jemand, der in einer Lebenskrise steckt, Sinnorientierung sucht oder vor einer Entscheidung steht, soll die Möglichkeit bekommen, sich auszusprechen. Dabei steht die Lösungsfindung nicht immer im Vordergrund.

Im September 2007 begann für mich die Praxis. Als erster Gast erschien eine Dame im Alter von 76 Jahren. Sie befand sich laut ihrer eigenen Darstellung in einer tiefen Krise. Sie konnte mit ihrem Leben nichts mehr anfangen, hatte keine Ideen zur Lebensgestaltung mehr, hielt ihre Wohnung nicht mehr in Ordnung und muss mit sehr wenig Geld auskommen.

Berufsmäßig bin ich es gewohnt, recht schnell nach Lösungen zu suchen - ich kümmere mich um die Besetzung gemeldeter Stellen.

Bei meinem Gespräch mit der älteren Dame kam das auch noch sehr zum Vorschein. Ich riet ihr, Senioreneinrichtungen aufzusuchen und wegen ihrer finanziellen Situation bei den entsprechenden Behörden vorzusprechen. Nur, darum ging es ihr gar nicht, das hatte sie alles schon getan. Ihr ging es in erster Linie darum, sich auszusprechen."

Herbert Kobsch gesteht ein, dass er mit dem Verlauf des ersten Gesprächs selbst nicht ganz zufrieden war. Humanistische Berater sind mehr als gute Tippgeber, welche Behörde oder Institution für bestimmte Sorgen zuständig sind. Und sie müssen auch akzeptieren, dass es nicht für jedes Problem eine Lösung, nicht auf jede Frage eine Antwort gibt. Auch Entscheidungen können die Berater nicht abnehmen, aber sie können Mut machen, eine Entscheidung zu fällen.

Beispiel Nr. zwei kommt dem Anspruch des Beraters an seine eigene Arbeit da schon näher:

"Beim zweiten Termin erschien ein Ehepaar mittleren Alters. Sie standen vor der Entscheidung, das von der Mutter der Ehefrau geerbte Haus aufgeben zu müssen. Die Frau musste auf Grund einer schweren, fortschreitenden Erkrankung in eine behindertengerechte Wohnung umziehen. Es lag auch schon ein Angebot vor, Lage und Ausstattung der Wohnung wurden als ideal angesehen. Das Haus müsse allerdings weit unter Wert verkauft werden und man wolle mit jemand über diese schwerwiegende Entscheidung sprechen.

Mein Eindruck war, dass beiden das anvisierte neue Domizil schon gefallen würde, Innenstadtlage mit Anschluss an U- und S-Bahn. Nur war da die Trennungsangst vom vertrauten Berliner Vorort und eben der Schmerz, etwas aufgeben zu müssen, was sie mit viel Eigeninitiative nach ihren Wünschen gestaltet hatten.

Es schien, als hätten sie vorab schon entschieden und brauchten nur noch jemanden der dies "absegnete". Ein humanistischer Berater sollte sich hier zurückhalten. Nicht das Erteilen von Ratschlägen steht im Vordergrund, sondern das aktive Zuhören und Fragen. Einen Rat gab ich dann doch noch, nämlich noch einmal mit dem Makler zu sprechen, möglicherweise ließe sich ja doch noch ein höherer Verkaufserlös erzielen. Wie sich das Ehepaar letztlich entscheiden wird, weiß ich noch nicht. Ich habe angeboten, bei weiterem Gesprächsbedarf wieder zur Verfügung zu stehen."


Terminvereinbarung über:
Carmen Malling (Koordination) - Telefon 030 61390415
Montag bis Freitag, 9 bis 16 Uhr
Humanistische Berater kommen auf Wunsch auch nach Hause oder ins Krankenhaus.


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Quelle:
diesseits 1. Quartal, Nr. 82/März/08, S. 18-19
Herausgeber: Humanistischer Verband Deutschlands
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin
Telefon: 030/613 904-41
E-Mail: diesseits@humanismus.de
Internet: http://www.humanismus.de

"diesseits" erscheint vierteljährlich am
1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember.
Jahresabonnement: 13,- Euro (inklusive Porto und
Mehrwertsteuer), Einzelexemplar 4,25 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2008