Schattenblick →INFOPOOL →WELTANSCHAUUNG → HUMANISTISCHER V.D.

BERICHT/174: 100 Jahre Deutscher Monistenbund (ha)


humanismus aktuell - Hefte für Kultur und Weltanschauung - Nr. 19 - Herbst 2006

100 Jahre Deutscher Monisten-Bund - 'Wie alles begann'

von Ortrun E. Lenz


Die Freigeistige Aktion für humanistische Kultur e.V. kann in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiern. Sie wurde am 11. Januar 1906 als Deutscher Monistenbund (DMB) in Jena gegründet. Der damals schon zur Legende gewordene Ernst Haeckel hatte die Gründung initiiert. Der Forscher, Zoologe, Künstler und Buchautor Haeckel war zum Zeitpunkt der konstituierenden Sitzung bereits für seine wissenschaftlichen Leistungen mit vielen Ehrendoktorwürden honoriert worden. Sein Buch Die 'Welträtsel' lag schon in viele Sprachen übersetzt vor und war ein internationaler Bestseller. Haeckel hatte das geistige Leben im wilhelminischen Deutschland nachhaltig beeinflusst. Noch zu Lebzeiten waren Büsten für ihn gefertigt und Straßen nach ihm benannt worden.

Als Vorsitzenden des Deutschen Monistenbundes hatte Haeckel Albert Kalthoff ausersehen - wovon Kalthoff noch nichts wusste, als er am Vormittag des 11. Januar die Bergstraße in Jena zu Haeckels 'Villa Medusa' hinaufging. In seinem Bericht über die Konstituierung des 'Deutschen Monistenbundes' beschreibt Kalthoff dieses erste persönliche Zusammentreffen mit Haeckel, mit dem er bis dahin nur korrespondiert hatte. Kalthoff zeigte sich "freudig überrascht, den 72- Jährigen, auf dessen Schultern die Last einer Riesenarbeit liegt, mir so elastisch entgegenkommen zu sehen. Das leuchtende Künstlerauge, die sonnige Heiterkeit seines Wesens zeigten mir das Bild eines Kämpfers, der im Kampfe nur sich selber vertieft und verklärt, weil es eine große, eine Menschheitssache war, für die er gekämpft."[1]

Während ihrer Unterredung stellten die beiden Männer fest, dass der Monismus als antidogmatische Bewegung nicht seinerseits Dogmen produzieren dürfe. Sie kritisierten die dualistische Weltanschauung, die als "zwiespältiges Lebensbild, wie es dem kindlich naiven Denken der Vorfahren genüge", bezeichnet wird. Dagegen sollten nun die Kulturwerte aufgezeigt werden, "die in einer monistischen, das Weltbild einheitlich betrachtenden, alle Lebensfunktionen auf ihren inneren Zusammenhalt zurückführenden Weltanschauung beschlossen liegen".

Über Grundlagen und Zielsetzung des Monismus waren sich Haeckel und Kalthoff einig. Während Haeckel die Grundlagen dafür in seinen "Welträtseln" und in einem Vortrag über ein 'Glaubensbekenntnis der reinen Vernunft' gelegt hatte, war Kalthoff derjenige, der trotz seiner theologischen Herkunft die monistischen Gedanken eloquent formulieren und öffentlichkeitswirksam vorzutragen verstand. Haeckel sah ihn als idealen Vorsitzenden des DMB.

Als der Satzungsentwurf des Monistenbundes in Anwesenheit Haeckels beschlossen wurde, war er als Ehrenvorsitzender sichtlich bewegt, was Kalthoff in seinem Bericht über diese Situation darauf zurückführte, dass es sich hierbei um die "Ausführung des Testaments, in welchem Haeckels beste Lebensarbeit der Welt vermittelt und erhalten werden sollte", handelte. Haeckel wollte mit dem Monismus einen Bund zwischen Wirklichkeit und Religion realisieren.


*


'Was ist Monismus?'

Abgeleitet vom griechischen "mónos" - "allein, einzeln, einmalig, einzig" ist es möglich, Monismus als "Einheitslehre" aufzufassen, als "Sammelbezeichnung für Positionen, denen zufolge die gesamte Wirklichkeit bzw. das gesamte Geschehen auf ein Prinzip bzw. einen Bereich zurückgeführt wird". Die Gegensätze hierzu sind Pluralismus und Dualismus. Aus diesem Standpunkt folgt, dass es nicht nur einen oder den Monismus gibt.[2]

Die Suche nach Einheitlichem im Bereich des Lebendigen kann bereits bei Aristoteles (384-322) gefunden werden, der schon charakteristische Merkmale definierte, durch die sich lebende und nichtlebende Natur unterscheiden. Der Gedanke, dass in den mannigfaltigen Erscheinungen der Biosysteme, insbesondere der Organismen, etwas Objektiv- Allgemeines, etwas Einheitliches enthalten sein könnte, begann zu Lebzeiten von Goethe (1759-1832) in der Wissenschaft Fuß zu fassen.

Haeckel drückte es so aus: "Gott und Welt sind ein einziges Wesen. Der Begriff Gottes fallt mit demjenigen der Natur oder der Substanz zusammen. Diese pantheistische Weltanschauung steht im Prinzip sämtlichen angeführten und sonst noch möglichen Formen des Theismus schroff gegenüber ...".

Aus Haeckels monistischer Weltanschauung heraus entstand auch seine Entwicklungslehre. Darüber hinaus kommt ihm das Verdienst zu, der Ökologie in seinem großen, zweibändigen Werk 'Generelle Morphologie der Organismen', erschienen 1866, einen gebührenden Platz eingeräumt und den Begriff erstmals im deutschen Schrifttum definiert zu haben.

Wegen der erfolgreichen Popularisierung der Evolutionstheorie durch die Monisten wurde in Preußen 1882 der Biologieunterricht in den oberen Klassen der Gymnasien vorsichtshalber ganz abgeschafft und die Schriften von Darwin und Haeckel an höheren Schulen verboten.[3]


*


'Die ersten Jahre bis zum Verbot durch die Nazis'

Die außerordentlich starke Resonanz, die das Buch 'Die Welträtsel' bei seinem Erscheinen 1899 bei den Lesern auslöste, stellte Ernst Haeckel schlaglichtartig in den Mittelpunkt der freigeistigen Bewegung, und namentlich die zahllosen Leserzuschriften erweckten zum ersten Mal in ihm den Gedanken, dem Monismus eine Organisation zu schaffen, den er dann 1906 in die Tat umsetzte.[4]

In seinen Thesen zur Organisation des Monismus von 1904 hatte Ernst Haeckel die Zielrichtung des Bundes klar aufgezeigt: Einerseits sollte der Monismus als Theorie die Probleme der monistischen Philosophie als einheitliche Weltanschauung erläutern. Im Speziellen ging es um den Kampf der Empirie versus Offenbarung, des kosmologischen Monismus versus kosmologischen Dualismus, der Biophysik (Einheit der Natur) versus Vitalismus (Zweiheit der Natur), der Genesis versus Kreation, der Deszendenz-Theorie (Abstammungslehre) versus Archigonie (Urzeugung) etc.

Zum anderen sollte er als praktischer Monismus (vernünftige Lebensführung auf Grund des theoretischen Monismus) die Soziologie, Staatsformen und Gesetze, Kirche und Konfession, monistische Religion (gegen den Papismus), monistische Ethik, Schule, Erziehung und Kultur begründen. Theorie und Praxis mündeten und entfalteten sich im Monistenbund.

Die (frei)religiöse Komponente gehörte als wichtiger Baustein zum DMB. In den dreißig 'Thesen zur Organisation des Monismus' wurden von Anfang an ausdrücklich nicht nur die Freidenker, sondern alle freireligiösen Gemeinschaften aufgerufen, dem DMB beizutreten.

Haeckels 'Welträtsel' wurden von Lenin als "Waffe des Klassenkampfes" gelobt. In der Auseinandersetzung wurde der Monismus von der Kirche, die dem Thron und der herrschenden Ordnung ergeben war, darum als eine dem Sozialismus Vorschub leistende Ideologie bekämpft.[5]

Der Kieler Botaniker Johannes Reinke hatte den DMB als eine umstürzlerische Organisation, vergleichbar mit der Sozialdemokratie, bezeichnet.[6] Während Ernst Haeckel mit dieser Haltung nichts anfangen konnte, sah Wilhelm Ostwald (Vorsitzender des DMB von 1911 bis 1915) in der Sozialdemokratie einen Verbündeten: Monismus und Sozialdemokratie "werden immer miteinander Freund sein".[7]

Johannes Unold wiederum vertrat die elitäre Ansicht, nicht zu größerer Gleichheit, vielmehr zu immer reicherer Mannigfaltigkeit werde jede höhere Entwicklung führen; auch zu größerer Freiheit sozusagen durch Forderung eines lebhaften "Stoffwechsels im sozialen Körper" müsse eine immer bewusstere soziale Auslese gesichert werden. Den Vorwurf des Keplerbundes, der Monistenbund sei "im materialistischen Dogma befangen", weist er entschieden zurück und warnt vor dem Irrweg des Eudämonismus und des die Entwicklung zerstörenden Kommunismus.[8] Damit wird verständlich, dass die proletarischen Freidenker in ihrem Organ Der Atheist massive Einwände gegen den DMB erhoben, der sich für sie im krassen Widerspruch zur marxistischen Lehre befand: Die Monisten bekämpften den Marxismus, weil sie von Darwinistischen Prinzipien ausgingen und fälschlicherweise biologische Gesetze auf die menschliche Gesellschaft übertrugen.[9]

Ostwald wiederum wollte die Wissenschaft als höchstes Kulturgut zur Weltherrschaft bringen und forderte, der Staat solle den DMB, der jetzt schon eine Art Gelehrtenrepublik sei, an die Stelle der bisherigen Kirchen treten lassen, sein Ziel sei die Befriedung der Welt als Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen. Ostwald und Bertha von Suttner propagierten gemeinsam ihren Pazifismus auf Kundgebungen. Allerdings traten auch innerhalb der politischen Kreise des DMB erhebliche Spannungen auf zwischen den Pazifisten und den Sozialdarwinisten.

Unold betonte: "Insgesamt muss aber festgestellt werden, dass im Deutschen Monistenbund der Sozialdarwinismus zu keiner Zeit vorherrschend geworden ist oder einen erheblichen Einfluss gewonnen hat. Vielmehr bildete man hier die Antithese zu der These vom 'Kampf ums Dasein' und stellte die Verbundenheit der Menschen durch gegenseitige Hilfe in den Vordergrund."[10]

Otto Jenssen erklärte: "Der Sozialdarwinismus und die Rassentheorie sind wissenschaftlich bankerott."[11]

Eckhart Pilick fasst es treffend zusammen: "Monisten gab es sowohl unter bürgerlich Liberalen wie unter Sozialisten, unter Kosmopoliten wie unter Deutschnationalen. Zwischen Metaphysikern und Materialisten, Pantheisten und Freidenkern, zwischen denen, die vorwiegend an einer spekulativen Systembildung interessiert waren und solchen, die den Sinn des Bundes in tagespolitischen Aktionen sahen, bestanden Unvereinbarkeiten."[12]

Dennoch fand der DMB eine immer größere Anhängerschaft, auch wenn die Richtungsrangeleien nicht enden wollten. Vor allem Ostwald war es zu verdanken, dass die Vereinsarbeit des DMB neue Impulse erhielt. Mit der Herausgabe des neuen Vereinsorgans, 'Das Monistische Jahrhundert', das seinen Namen von Ostwalds Proklamierung: "Es beginnt das Monistische Jahrhundert" auf dem Hamburger Monisten-Kongress 1911 erhalten hatte, wurde ganz besonders die Arbeit der Ortsgruppen gestärkt.

Auf dem Titelblatt der Zeitschrift 'Das Monistische Jahrhundert' wurde ab 1911 das auf dem Hamburger Monistenkongress beschlossene offizielle Emblem - heute würde man sagen: Logo - des 'Deutschen Monistenbundes' abgedruckt. Davor besaßen die Vereinszeitschriften des DMB kein einheitliches Vereinssymbol. Das Emblem stellt, eingerahmt von einem Sechseck, eine Flamme dar, die unter einem stilisierten Sternenhimmel brennt.

Zur Deutung des Symbols liegen keine offiziellen Erklärungen des DMB vor. Jedoch lässt sich folgende Deutung auf Grund sekundärer Beschreibungen angeben: Das Sechseck, als altes Symbol der Geometrie, Astronomie und Astrologie, soll Vereinigung der Kräfte (also der monistisch-freidenkerischen Bewegung) symbolisieren, ähnlich der Vereinigung von Kräften als Symbol in der Astrologie. Die lodernde Flamme steht als Symbol für die brennende Flamme der Wahrheit der Wissenschaft. Der Sternenhimmel über der brennenden Flamme weist darauf hin, dass die Flamme der Wahrheit der Wissenschaft alles ausleuchtet und erhellt, was sich unter dem Sternenhimmel befindet, also alle Dinge auf Erden.

Im Gegensatz zur brennenden Fackel der Freidenker soll das alleinige brennende Feuer den monistischen Grundgedanken ausweisen, dass die Wahrheit von Subjekt und Objekt in monistischer Einheit bedingt ist und nicht primär vom Subjekt abhängt, wie die von einem Individuum getragene Fackel der Freidenker symbolisiert.[13]

Der Philosoph Friedrich Jodl, Mitglied im DMB, war der Ansicht, der Monismus, müsse die Lösung des Kulturproblems als zentrale Aufgabe anstreben: "Alle Volkskreise müssen mit dem Bewußtsein von der Größe und Erhabenheit der Kultur als dem gemeinsamen Menschenwerk in Vergangenheit und Zukunft erfüllt und angeleitet werden, ihre persönliche Leistung, an welchem Punkte immer sie sich vollzieht, als einen Beitrag zu diesem Ganzen anzusehen - nicht als Gottesdienst, wie man früher sagte, sondern als Menschheitsdienst. Und allen Menschen müssen die Segnungen der Kultur möglichst erschlossen werden - alle Menschen müssen in möglichst hohem Grade zur lebendigen Teilnahme an den Kulturgütern herangebildet und herangezogen werden."[14]

Bei dieser recht allgemeinen und eher sozialistischen Forderung sollte der Monismus deshalb den Ausgangspunkt darstellen, weil nur er in der Lage sei, Geistes- und Naturwissenschaft auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wenn der Monismus mehr als ein intellektuelles Spiel sei und die Volksmassen erreichen wolle, müsse er die allgemeine Denkweise umformen und den Menschen im Sinne eines "evolutionistischen Sozialismus" Impulse für die Höherentwicklung geben.[15]

In diesem Sinne ist Bruno Wille als idealtypischer Monist zu verstehen, der sich um genau diese Kulturforderungen verdient gemacht hat. Diese Feststellung ist jedoch mit Einschränkungen zu verstehen. Wille war zwar Gründungsmitglied des DMB, engagierte sich aber innerhalb dieses Bundes so gut wie gar nicht. Obwohl Haeckel Wille unbedingt bei der Gründung des Bundes dabeihaben wollte, hatte er bereits damals Zweifel hinsichtlich dessen monistischer Linientreue gehegt.[16]

Bruno Wille wollte Auseinandersetzungen um bestimmte Richtungen überflüssig machen, weil er eine Kultur für das ganze Volk haben wollte, ohne dabei irgendwen auszuschließen, gleichgültig welcher Herkunft. Dass er die Versöhnung der verschiedenen Volksteile in Kunst und Wissenschaft suchte, ist einem idealistischen Monismus geschuldet, der eher ein religiöses als ein politisches Bekenntnis war.

Durch das Ende des Kaiserreichs war nicht nur eine politische Gleichstellung der Menschen erreicht worden, sondern auch eine völlige Politisierung des öffentlichen und auch des privaten Lebens. In dieser Phase der Abgrenzung vom jeweiligen politischen Gegner kam es im Grunde dazu, dass der Monismus als Botschaft die Menschen nicht mehr erreichen konnte. Die Leistung und anhaltende Bedeutung des Monismus liegt daher weniger in seiner kulturpolitischen Wirksamkeit oder seiner wissenschaftlichen Grundlegung als in der normativen Motivation seiner Vertreter, die im Laufe der Geschichte verloren gegangene Einheit des Lebens wenigstens als Weltanschauung zu bewahren.

Wille war am Ende seines Lebens bei der für ihn bitteren Wahrheit angelangt, dass es sich beim Monismus um eine Idee handelt, deren Verwirklichung vielleicht erstrebenswert ist, aber niemals gelingen kann. Das Geschöpf kann, so lautet der Schluss seines letzten Buches, dem "Einen" zwar nahekommen, "doch nie - oder was für uns dasselbe ist, erst in 'unendlicher' Zeit den Thron des Ewigen mit ihm teilen; und wenn es soweit käme, dann wäre das Geschöpf noch abgrundtief von Gott unterschieden".[17]

In der Anfangszeit bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges gab es im DMB also eine Reihe von Auseinandersetzungen um die jeweilige weltanschauliche Ausrichtung des Verbandes in den diversen tagespolitischen Debatten des Kaiserreiches und der zeitgenössischen Lebensreformbewegung.

In der Öffentlichkeit war der Monistenbund dabei vor allem durch kontroverse Diskussionen bekannt, die die Zurückdrängung des "Ultramontanismus" und des protestantischen Staatskirchentums, vor allem aus allen Bereichen des deutschen Schul- und Universitätswesens, zum Thema hatten. Die Unterrichtung der darwinistischen Entwicklungslehre und die Forderung von Vorrechten für die Naturwissenschaften innerhalb der Gesellschaft des kaiserlichen Deutschland waren dabei das Hauptanliegen des DMB in der Frühphase des DMB.

Ferner rangen in jenen Jahren vor allem auch rassehygienische oder zumindest sozialbiologische Politik- und Ethikkonzepte um Aufmerksamkeit in den Spalten monistischer Zeitschriften, die sich gleichfalls eng an Elementen der reform-wilhelminischen Meinungsbildung orientierten - zumindest bis zur Übernahme des Bundesvorsitzes durch Wilhelm Ostwald im Jahre 1911 deutlicher als in den Folgejahren.

Und schließlich war den Monisten in der Anfangsphase der organisatorischen und weltanschaulichen Konsolidierung ein weiterer Punkt wichtig: "Sie suchte[n] dabei jenseits des bisherigen kulturpropagandistischen Wirkens des DMB auf den Feldern der wilhelminischen Tagespolitik vor allem unmittelbaren Anschluss an die ursprüngliche Konzeption des Haeckelschen Monismus als ,Religion'".[18]

Auf der Hauptversammlung 1931 in Jena wurde mit der Änderung des Titels der Zeitschrift des 'Deutschen Monistenbundes' in 'Die Stimme der Vernunft' die endgültige Abkehr von der ursprünglichen Ausrichtung des Monistenbundes als Vereinigung einer Weltanschauung auf naturwissenschaftlicher Grundlage vollzogen. Die Naturwissenschaften als Grundlage von Welterkenntnis traten damit in den Hintergrund, von Interesse war vor allem ein philosophisch begründeter Fortschrittsanspruch im Sinne des historischen Materialismus als gesetzmäßige Entwicklung der Gesellschaft.

Am 16. Dezember 1933 wurde der 'Deutsche Monistenbund' auf der Grundlage der 'Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat' durch die Nationalsozialisten verboten.[19]

Ein Jahr nach seiner Gründung hatte der Monistenbund 2.500 Mitglieder gehabt, auf seinem Höhepunkt später 6.000 Mitglieder in vierzig verschiedenen Ortsgruppen. Der Verband blieb also relativ klein, wurde aber dennoch stets in der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen. In kirchlichen Kreisen wurde die monistische Weltanschauung als bedrohlich empfunden, so dass der DMB zum Konkurrenten des Christentums erklärt wurde.

Dennoch wurde die freigeistige Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer stärker. Zum 'Volksbund für Geistesfreiheit' (VfG) zählten 1928 noch 155 Mitgliedsgruppen, wovon über die Hälfte freireligiöse Gemeinden waren (daneben existierten weitere 45 freireligiöse Gemeinden, die nicht dem VfG angehörten), 24 Freidenkervereine und 17 freigeistige Gemeinschaften. Die Zahl der Konfessionslosen in Deutschland, die 1910 noch 205.900 betragen hatte, war 1928 auf fast das Sechsfache gestiegen (1.200.000).

Die Nationalsozialisten jedoch stoppten diesen Aufwärtstrend abrupt und trugen damit vermutlich erheblich dazu bei, dass Staat und Kirche weiterhin in der heute bekannten Verstrickung nebeneinander existieren können.


*


'Neugründung 1946'

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte am 11. November 1946 in München die Neugründung des Vereins. Er wurde unter dem Namen 'Deutscher Monistenbund für wissenschaftliche Weltanschauung und ethische Kultur' eingetragen.

Zum Zeitpunkt der Auflösung vor dem Krieg waren natürlich auch das Vermögen und die Bibliothek konfisziert worden. Die Bibliothek hatte ca. 5.000 Bände umfasst. Die Neugründung war nicht einfach ohne weiteres zu vollziehen und mit großem bürokratischen Aufwand verbunden, wie man sich ihn heute, rund sechzig Jahre später, kaum noch vorstellen kann.

Damals musste jegliche Vereinstätigkeit der Militärregierung gemeldet und Vereinsgründungen mussten formal begründet werden. Als Zweck des Vereins wurde daher angegeben: "Pflege und Verbreitung wissenschaftlicher (monistischer) Weltanschauung, religiöse Feierstunden, ethischer Jugendunterricht". Die Tätigkeit des Vereins hatte mit den demokratischen Zielen der Besatzungsmächte übereinzustimmen, d.h., sie durften selbstverständlich weder umstürzlerisch noch militaristisch oder nationalsozialistisch sein und in keiner Weise den Nationalsozialismus fördern.[20]

Die Gesamtzahl der Mitglieder wurde für Anfang 1947 mit achtzig angegeben. Sämtliche angegebenen Mitglieder wurden von einem Ausschuss überprüft, der aus drei Vertretern bestand, die politisch vollkommen unbelastet sein mussten. Ihre Bestätigung musste besagen, dass alle jetzigen und künftigen Mitglieder politisch vollkommen einwandfrei zu sein hatten bzw. nicht als Mitläufer nach dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus gelten durften.

Für den Fall, dass der Verein eine Jugendabteilung haben würde, mussten die Aufgabe und der Zweck angeführt werden. Hier wurde angegeben: "Heranbildung zum wissenschaftlichen Denken, Naturwanderungen und Jugendweihen". Zum Antrag auf Zulassung gehörte eine "Liste der Bürgen und Vorstandschaft". Als Bürgen traten auf: Anton Lutz, München; J.F.M. Diemer, München; Dr. Eugen Bentmann, München; Anna Winterblum, München; Artur Wiener, Dachau. Für den Vorstand wurden genannt: 1. Vorsitzender Anton Kaiser, München; 2. Vorsitzender Fritz Glas, Loiching; Schriftführer Carl Martell, München; Kassierer Siegfried Mühldorfer, München.[21]

Alle Vorstandsmitglieder mussten in einem Fragebogen Auskunft über ihre persönlichen Daten erteilen: ihren Bildungsgang, Berufs- oder Handwerkerprüfungen, eine chronologische Aufzählung jeglicher Hauptanstellungen und des Militärdienstes, Mitgliedschaften in Organisationen, wobei die staatsnahen im Fragebogen aufgelistet waren, so dass man sie nicht aus Versehen auslassen konnte.

Auch für nicht aufgelistete Personen war Platz unter laufenden Nummern vorgesehen. Dann folgte als Ergänzung die Frage nach Mitgliedschaft oder Nebendienst in anderen Organisationen. Es wurde nach Veröffentlichungen und Reden gefragt. Das persönliche Einkommen von 1931 bis 1945 musste unter Abgabe der Quelle lückenlos nachgewiesen werden. Als letzter Fragenblock folgte "Reisen und Wohnsitz im Ausland". - Wie man sieht, wurde der "gläserne Mensch" verlangt.[22]

Aus Anlass der Neugründung wurden eine neue Satzung und ein Kulturprogramm verfasst und eingereicht. Unter "Zweck und Ziel des Bundes" heißt es:

"Der Monistenbund erstrebt die Zusammenfassung aller nicht mehr auf kirchlicher Basis stehenden Vereinigungen und Personen, die ihr Leben durch logische Schlußfolgerungen aus einer auf wissenschaftlicher Forschung beruhenden einheitlichen Weltanschauung und nicht an Hand unbewiesener Dogmen, Gesetze und kirchlicher Vorschriften gestalten wollen. Der Monistenbund verneint die mittelalterlichen Überreste der Verschmelzung von Staat und Kirche und von Kirche und Schule, die heimliche und offene Unterdrückung des freien Geistes und jeden Glaubenszwangs, sowie den politischen Mißbrauch des Religiösen überhaupt, alle Unwahrhaftigkeit und Heuchelei auf kulturpolitischem und religiösem Gebiet und jede kulturelle Reaktion. Die monistische Weltanschauung hat die fortschreitende Wissenschaft und daraus die Erkenntnis der Wahrheit zur Grundlage, schlußfolgernd die lebendige Einheit von Welt und Gottheit, von Kraft und Stoff und von Leib und Seele, - also von Natur und Mensch - sei es im physischen, psychischen oder psychophysischen Sinne, nach mechanischem, energetischem oder vitalistischem Prinzip, oder erkenntnistheoretisch, voluntaristisch oder biosophisch gesehen. Die monistische Weltanschauung variiert in verschiedenen Formen, ist also nicht starr oder dogmatisch festgelegt, da die wissenschaftliche Forschung als ihre Grundlage fortschreitet und daher veränderlich ist, ebenso die Freiheit in der philosophischen Schlußfolgerung aus den Forschungsergebnissen gewahrt bleibt."[23]

In den darauf folgenden Jahrzehnten wurde die Satzung immer weiter entwickelt. Die vorstehend zitierte erste Satzung nach der Neugründung des Bundes ist insofern interessant, weil sie die Pluralität der monistischen Ansätze und Anschauungen widerspiegelt und noch von einer "monistischen Religion" spricht. Man kann sie als ein Zeitdokument der ersten und zweiten Generation der Monisten auffassen. Ein weiteres Dokument dieser Art sowie die derzeit gültige Satzung findet man unter 'www.freigeistige-aktion.de' im Internet. Seit ca. 15 Jahren ist die 'Freigeistige Aktion' ein gemeinnütziger Verein.


*


'Weitere Entwicklung des Monisten-Bundes nach der Neugründung'

1956 hatte der 'Deutsche Monisten-Bund' (DMB) sieben Ortgruppen, und zwar in München, Stuttgart, Hamburg, Hannover, Köln, Berlin und Düsseldorf. In diesen Ortsgruppen waren ungefähr die Hälfte der Vereinsmitglieder ansässig. Die andere Hälfte waren Einzelmitglieder, die im Bundesgebiet verstreut wohnten, die meisten davon waren schon vor 1933 im DMB organisiert gewesen. Auch gab es einige Mitglieder in der damaligen Ostzone, die für den Bund nicht aktiv werden konnten, sowie diverse Mitglieder im Ausland.

Zwischen 1946 und 1956 gab es in Ulm und Nürnberg Gruppen, die aber wieder verschwanden. 1956 hatte der DMB noch rund 300 Mitglieder. In dieser Situation wurde ein Antrag des Vorstandes der Ortsgruppe Hannover des DMB zur 5. Bundeshauptversammlung am 29./30. September 1956 gestellt. Dieser lautete:

"1. Der Deutsche Monistenbund, Bund für wissenschaftliche Weltanschauung und ethische Kultur, führt ab 1. Januar 1957 den Namen ,Humanistischer Verband'.

2. Die ,Monistischen Mitteilungen' erscheinen ab 1. Januar 1957 im Druck unter dem Titel ,Der Humanist'."[24]

Unterzeichner dieses Antrages waren Hermann Klaetsch, Helfer in Steuersachen, 1. Vorsitzender der Ortsgruppe Hannover; Karl Schrader, Fabrikant, 2. Vorsitzender der Ortsgruppe Hannover; Prof. Dr. Gerhard von Frankenberg, Ehrenpräsident des DMB; Albert Heuer, Oberregierungsrat i.R., 1. Vorsitzender des DMB. Dieser Antrag löste eine bundesweite Namensdiskussion aus, die darin gipfelte, dass alte Monisten dafür sorgten, dass es nicht zu dieser Umbenennung kam. Stattdessen einigte man sich dann bei der Bundesversammlung auf 'Freigeistige Aktion - Deutscher Monisten-Bund' (FA-DMB).

Ab 1957 erschien die Zeitschrift 'Freigeistige Aktion' zusammen mit dem Informationsdienst des 'Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit e.V.' im 'Verlag für Geistesfreiheit', Hannover. Prof. Rudolf Genschel war Schriftleiter. Im Einverständnis mit dem 2. Bundesvorsitzenden, Oswald Kreienbring, bat die Ortsgruppe München darum, den Sitz des Bundes zu verlegen, da aus der dortigen Mitgliedschaft kein Ersatz für den Bundeskassierer und den Geschäftsführer gestellt werden konnte. Die Ortsgruppe Hannover erklärte sich bereit, bei Bestätigung durch die Bundesversammlung, den 1. Vorsitzenden, den Geschäftsführer und den Bundeskassierer zu stellen.

Die führenden Persönlichkeiten waren dann als Ehrenpräsident Prof. Dr. Gerhard von Frankenberg, Hannover; 1. Vorsitzender Professor Rudolf Genschel, Hannover; Geschäftsführer Albert Heuer, Hannover. 1962 gab es 278 Beitrag zahlende Einzelmitglieder. Die Zeitschrift Freigeistige Aktion hatte eine Auflage von 6000 Exemplaren und wurde von den Mitgliedsverbänden des DVfG gelesen.


*


'Aktivitäten der Freigeistigen Aktion in neuerer Zeit - Trennung von Staat und Kirche'

Schon immer war es ein großes Anliegen der FA-DMB gewesen, eine Trennung von Staat und Kirche zu fördern. Damit zusammenhängend war das Problem des konfessionell gebundenen Religionsunterrichts in den Schulen. Zur Durchsetzung eines religionskundlichen Unterrichts war 1956 die 'Gesellschaft zur Förderung des religionskundlichen Unterrichts e.V.' (GzFdrU) gegründet worden. Die Gesellschaft hatte ab April 1980 folgenden Vorstand: Vorsitzender: Willi Henkel, 'Freigeistige Aktion' DMB; Stellvertreter: Sigurd Bressel, 'Deutsche Unitarier'; Kassenleiter: Hans Spaltenstein, 'Freigeistige Aktion' DMB; Schriftführerin: Walheide Jungklaaß, 'Deutsche Unitarier'.

In den 1980er Jahren gab es eine ganze Reihe von Schriftwechseln zwischen der GzFdrU und dem niedersächsischen Kultusministerium, um die Einführung eines religionskundlichen Unterrichtes zu forcieren. Am 4. September 1983 erfolgte beispielsweise eine Petition von der GzFdrU und der 'Freireligiösen Landesgemeinschaft Niedersachsen' (heute 'Freie Humanisten') an den Niedersächsischen Landtag in Hannover. Dieses Papier ist mit siebzehn Seiten sehr umfangreich und gut recherchiert und zitiert u.a. aus Landtagsprotokollen.

Unter Punkt 6 geht es primär um "die Einführung von zwei Unterrichtsangeboten als Ersatz für konfessionellen Religionsunterricht". - Dies wird in der Petition wie folgt kommentiert:

"a) Da der religionskundliche Unterricht schon seit 1954 existiert, wurde er 1974 nicht erst eingeführt,

b) eingeführt wurde ein zweites Alternativfach, aber nicht als Unterrichtsangebot, sondern als Pflichtfach, und - wie wir vorgreifend feststellen möchten: als verfassungswidriges Fach.

c) daß die Motive der Akteure für den WN-Unterricht [Werte und Normen- Unterricht, O.E.L.] nicht öffentlich verkündet wurden, kann keinen Sachkenner verwundern. Denn hier wurde und wird - wie so oft bei weltanschaulichen und politischen Auseinandersetzungen - auch mit verdeckten Karten gespielt ..."

Unterschrieben ist das Papier von fünf Verbänden, und zwar der 'Freireligiösen Landesgemeinschaft Niedersachsen', den 'Deutschen Unitariern Niedersachsen', der 'Freigeistigen Aktion', der 'Humanistischen Union' sowie der 'Gesellschaft zur Förderung des religionskundlichen Unterrichts'. Es bekam als Eingabe ein Aktenzeichen, datiert am 2. November 1983: "zu gegebener Zeit werde ich Sie weiter unterrichten. Hochachtungsvoll - Im Auftrage - Unterschrift".

Die sachlich gut fundierten Eingaben der GzFdrU und ihrer einzelnen Verbände wurden zwar jeweils beantwortet, aber es wurde auch deutlich, dass ein religionskundlicher Unterricht seitens des Kultusministeriums nicht erwünscht war. So heißt es beispielsweise in einem Antwortschreiben vom 30.9.1987: "Der religionskundliche Unterricht ist durch die Formulierung 'neben religionskundlicher Wissensvermittlung' in den Unterricht 'Werte und Normen' einbezogen ...". Und weiter. "Die vorliegende Eingabe der Gesellschaft zur Förderung des religionskundlichen Unterrichts enthält in wesentlichen Punkten Vorschläge, die die Landesregierung in Übereinstimmung mit den Kirchen ablehnt." Dazu gehöre u.a. die Charakterisierung des Religionsunterrichts als "persönliches Wahlfach für Lehrer und Schüler" und die vorgesehene Anmeldung zum Religionsunterricht.[25]


*


'Seminare'

1989 begann der FA-Vorstand nach einer mehrjährigen Phase, in der nur punktuell Veranstaltungen angeboten worden waren, wieder regelmäßig Wochenend-Seminare durchzuführen. Themen waren beispielsweise "Kommunikation", "Judentum", "Ernst Haeckels 'Welträtsel'", "Menschenrechte", "Opus Dei - Fundamentalismus im Abendland", "Die Kirche und unser Geld". Die jüngsten Seminare nach der Jahrtausendwende beschäftigten sich mit "Ludwig Feuerbach", "Werten" und "Kosmologie".

Im September 1994 hatte es eine größere Veranstaltung gegeben. Die FA- DMB organisierte 'Humanistische Kulturtage' in Neustadt am Rübenberge bei Hannover. Die Programmpunkte waren vielfältig; u.a. hielt Lavanam, der Leiter des 'Atheist Centre', einen Vortrag über die Sozialarbeit seines atheistischen Zentrums in Südindien, die inzwischen leider verstorbene freigeistige Dichterin Kriemhild Klie-Riedel hielt eine Lesung und Jugendliche aus Dresden zeigten einen phantastischen Multimediavortrag über Sterne und Kosmos.


*


'Kooperationen, Mitgliedschaften, Hilfsaktionen'

Die heutige FA ist Mitglied im 'Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V.' (DFW), der Nachfolgeorganisation des 'Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit'. Mit dem DFW und seinen Mitgliedsverbänden arbeitet die FA eng zusammen. So wird beispielsweise der sechsmal jährlich erscheinende Pressedienst des DFW seit über zehn Jahren von FA-Mitglied Ortrun Lenz erstellt. Weiterhin ist die FA korporatives Mitglied im 'Förderverein Ernst-Haeckel-Haus'. Freundschaftliche Bande bestehen mit dem Atheist Centre in Vijayawada, im Bundesstaat Andhra Pradesh, Indien.

Die FA hat die Hilfsorganisation des 'Atheist Centre, Artik Samata Mandal', schon mehrfach finanziell unterstützt, um Flutopfern unbürokratisch und schnell zu helfen, zuletzt nach der Tsunami- Katastrophe Weihnachten 2004. Bereits seit 1957 war die FA Mitglied in der 'Internationalen Humanistischen und Ethischen Union'. 2005 hat sie diesen selbständigen Mitgliedsstatus zugunsten einer gemeinschaftlichen Mitgliedschaft aufgegeben und ist seither über den DFW in der IHEU vertreten. Mitglieder der FA nahmen an vielen nationalen und internationalen freigeistigen Begegnungen teil, so z.B. an den Feierlichkeiten zum l50jährigen Jubiläum der Freireligiösen Gemeinden in der Paulskirche und am humanistischen Weltkongress in Mexico 1996. 1999 nahmen einige FA-DMB-Mitglieder an der Festveranstaltung im Berliner 'Willy-Brandt-Haus' zur Gründung des 'Dachverbandes Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V.' im Jahre 1949 teil.


*


Publizistische Tätigkeit

Die FA brachte bis 1990 die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift 'Freigeistige Aktion' heraus. Ab 1991 wurden das Erscheinungsbild und der Name der Zeitschrift geändert. 'Kristall - Zeitschrift für Geistesfreiheit und Humanismus' erschien vierteljährlich bis Ende 2001.

Auf dem Berliner IHEU-Kongress 1993 stellte der von FA-Mitgliedern gegründete 'Angelika Lenz Verlag' sein erstes Buch 'Leben ohne Religion - Eupraxophie' von Paul Kurtz vor. In der Zwischenzeit sind über siebzig Titel zu freigeistigen Themen erhältlich.

Seit 1997 führt die FA gemeinsam mit dem 'Angelika Lenz Verlag' regelmäßige Autorentreffen durch. Die Autoren des Verlages haben so die Gelegenheit, sich besser kennen zu lernen, gemeinsame Buchprojekte zu planen und ihre Bücher und Ideen vorzustellen. Es gab in diesem Rahmen bereits viele Buchvorstellungen und Autorenlesungen in Buchhandlungen und Verbänden.


*


'Namensänderung und Fortsetzung der Arbeit'

2003 wurde auf der Bundesversammlung der FA in Berlin beschlossen, den Namen von 'Freigeistige Aktion - Deutscher Monistenbund e.V.' umzuändern in 'Freigeistige Aktion - für humanistische Kultur e.V.' In der Begründung zum Antrag auf Namensänderung heißt es: "Der Name sowie unser Verein gehen auf den 1906 gegründeten Monistenbund zurück. Die Gründung des Bundes erfolgte seinerzeit, also vor knapp 100 Jahren, aufgrund der sich dramatisch entwickelnden Wissenschaften und der Naturphilosophie einerseits, und der von den Glaubenssystemen der Kirchen eingenommenen und sich versteifenden dualistischen Haltungen andererseits. Nach der Zerschlagung des Bundes durch die Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der Bund 1946 wieder von München aus ins Leben gerufen.

In den fünfziger Jahren wurde dann eine lebhafte Diskussion bezüglich des Namens geführt, die zu der Umbenennung in Freigeistige Aktion - Deutscher Monisten-Bund führte. Die von Ernst Haeckel und Freunden ursprünglich beabsichtigte Ausgestaltung des Monisten-Bundes, wie Haeckel es in seinem Vortrag Der Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft programmatisch vertrat, konnte nicht realisiert werden.

Dessen ungeachtet sind die kulturpolitischen Forderungen des Bundes nach wie vor aktuell, ja sogar noch aktueller, da es jetzt gilt, sich als freigeistiger Verband in einem sich einigenden Europa richtig zu platzieren.

Der Bund ist als gemeinnützige Vereinigung anerkannt und hat keinen Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Daher konkurriert er auch nicht mit den entsprechenden freigeistigen, freireligiösen oder humanistischen Vereinigungen, die Körperschaftsrechte besitzen. Er sieht sich im Gegenteil als Förderer humanistischer Kultur und will dies durch seine Arbeit auf kulturellem Gebiet auch weiterhin tun. Besonders in Zeiten der globalen Zusammenschlüsse und der Veränderung nationaler wie internationaler Institutionen ist es wichtig, unsere Stimme im Rahmen unserer Kooperation mit dem Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften ins Spiel zu bringen.

Begründung: Durch die Namensänderung wollen wir erreichen, dass der Begriff Monisten-Bund durch eine Verpflichtung auf 'humanistische Kultur' im Vereinsnamen ersetzt wird. Die Entwicklung der vergangenen hundert Jahre hat gezeigt, dass es zu einem Wandel in der freigeistigen Terminologie gekommen ist. Die Namensänderung vor rund fünfzig Jahren hat den Akzent schon von der reinen naturphilosophischen Ausrichtung auf mehr Aktion im Sinne eines sich Einsetzens für freigeistige / humanistische Belange signalisiert. Durch die neue Veränderung werden wohl die meisten Menschen leichter verstehen, was unser Anliegen ist. Die Traditionslinie, der wir folgen, wird dadurch nicht aufgegeben, jedoch wird sie zeitgemäß interpretiert und fortgesetzt. Unser Anliegen ist es, vor dem Hintergrund der Grundrechte-Charta der UN an der Würde des Menschen ausgerichtete Kulturarbeit zu leisten."[26]

Dieser Antrag wurde auf der Bundesversammlung 2003 angenommen, und somit hat die ehemalige FA-DMB ihren Namen in 'Freigeistige Aktion - für humanistische Kultur e.V.' geändert. Die FA entwickelt sich also ganz im Sinne Haeckels immer weiter und passt sich den sich stets ändernden Gegebenheiten von Zeit zu Zeit an. Der derzeitige Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf der publizistischen und der Seminartätigkeit sowie sich aktuell ergebenden Projekten.

Wichtige Themen hierbei sind z.Z. Diskussionen über Werte, Ethik bzw. Religionskunde, LER etc. in der Schule, Kosmologie, Gentechnik und die Vereinbarkeit von Religion und Naturwissenschaften im Allgemeinen - die Linie der Gründer des Monistenbundes wird also fortgeführt. Die heutigen Mitglieder der 'Freigeistigen Aktion - für humanistische Kultur e.V.' sind häufig auch Mitglieder anderer Verbände aus dem freigeistigen Spektrum, sie sind also z.B. auch Freireligiöse, Freidenker oder Humanisten - wie es schon immer auch im früheren Monistenbund Gang und Gäbe gewesen ist.


*


Anmerkungen

1 Hermann Detering: "Et hic dii sunt - Auch dieser Ort ist ein heiliges Land!" Ernst Haeckel und Albert Kalthoff - Eine Wahlverwandschaft? In: Arnher E. Lenz u. Volker Mueller, Darwin, Haeckel und die Folgen - Monismus in Vergangenheit und Gegenwart, Neustadt 2006, S.208. - Dieses Buch erscheint in Kurze im Angelika Lenz Verlag anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Freigeistigen Aktion für humanistische Kultur. Teile des vorstehenden Artikels sind Beiträgen zu diesem Sammelband entnommen. Viele Informationen über Aktivitäten der Zeit nach der Gründung sind dein Archiv der 'Freigeistigen Aktion für humanistische Kultur' in Neustadt/Rbge und einige auch dem Archiv des Haeckel-Hauses in Jena entnommen.

2 Jan Bretschneider: Der Monismus und die Welträtsel. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.48.

3 Eckhart Pilick: Zwischen Theorie und Glauben - Disparate Tendenzen im Monismus. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.129.

4 Peter Jäckel: Der Monismus Ernst Haeckels - ein Moment im freigeistigen Spektrum in Deutschland um 1900. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.75.

5 Echhart Pilick: Zwischen Theorie und Glauben ... In: Lenz/Mueller: Darwin, S.141f.

6 Dieter Fricke: Ossietzky und der Monismus. Vgl. http://docserver.bis.uni-oldenburg.de/publikationen/bisverlag/ kracar91/inhalt.html, S.123

7 "Auf dem Weg zum Sozialismus". In: Das Monistische Jahrhundert, Jahrgang 3(1914/15), S.441.

8 Johannes Unold: Der Monismus und seine Ideale. Leipzig 1908, S.154ff.

9 A. Erdmann: Monismus und Sozialismus. In: Der Atheist. Illustrierte Wochenschrift für Volksaufklärung. 9. Jg. Nürnberg 1913, S.393f.

10 Horst Hillermann: Der vereinsmäßige Zusammenschluss bürgerlichweltanschaulicher Reformvernunft in der Monismusbewegung des 19. Jahrhunderts. Kastellaun 1976, S.237.

11 Monistische Monatshefte, 9. Jahrgang (1924), S.353.

12 Eckhart Pilick: Zwischen Theorie und Glauben. Disparate Tendenzen im Monismus. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.135.

13 Heiko Weber u. Olaf Breidbach: Der Deutsche Monistenbund 1906 bis 1933. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.178ff.

14 Erik Lehnert: "Tiefes Gemüt, klarer Verstand und tapfere Kulturarbeit" - Bruno Wille und der Friedrichshagener Dichterkreis als Ausgangspunkt monistischer Kulturpolitik im Kaiserreich. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.257.

15 Ebd.

16 Ebd.

17 Ebd., S.266.

18 Lars Jentsch: Evolution der Religion? Der Deutsche Monistenbund zwischen Kulturkampforganisation und Religionsgesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkrieges. In: Lenz/Mueller: Darwin, S. 275f.

19 Heiko Weber/Olaf Breidbach: Der Deutsche Monistenbund 1906 bis 1933. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.186f.

20 Arnher E. Lenz u. Ortrun E. Lenz: Der Deutsche Monistenbund nach 1945. In: Lenz/Mueller: Darwin, S.335f.

21 Ebd., S.336

22 Ebd.

23 Ebd., S.337f.

24 Ebd., S.343

25 Zitate aus Briefen, die im Archiv der 'Freigeistigen Aktion' in Neustadt/Rbge. lagern.

26 Ebd., S.359f.


*


Quelle:
humanismus aktuell, Heft 19 - Herbst 2006, Seite 31-42
Hefte für Kultur und Weltanschauung
Herausgegeben von der Humanistischen Akademie Berlin
Redaktion: Wallstr. 65, D-10179 Berlin
Tel.: 030/613904-34 / Fax: 030/613904-50
E-Mail: info@humanistische-akademie.de
www.humanismus-aktuell.de
www.humanistische-akademie-deutschland.de

"humanismus aktuell" erscheint in der Regel
zweimal im Jahr.
Einzelpreis: 10,00 Euro
Abo-Preis: 6,50 Euro

den 10. Januar 2007