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SCHLUCKAUF/0105: Mehr oder minder - Nachtisch & Satire (SB)


Mehr oder minder



Ausgerechnet unter dem Tisch eines Münchener Biergartens fand ein aufmerksamer SCHLUCKAUF-Redakteur die weißwurstfett- und senfbefleckte Abschrift des folgenden Gesprächs. Hier der Wortlaut des mit "Bürgertelefon CDU/CSU" überschriebenen und hinsichtlich der gegenwärtigen politischen Lage durchaus aufschlußreichen Dokuments:

Zweiflhuber: "Grüß Gott. Zweiflhuber mein Name. Ich hät' da halt eine Frag', wenn's recht ist. Wegen 'ner politischen Sach'."

Schönschwafl: "Fragen Sie nur, mein Bester, fragen Sie. Dafür sind mer schließlich doa."

Zweiflhuber: "Das ist halt, weil ich Sorg' hab', wegen der Demokratie -"

Schönschwafl: "Na, dann sagen Sie mal -"

Zweiflhuber: "Weil das doch Volksherrschaft sein soll, die Demokratie, Volksherrschaft. Aber nu schau'n S' die Wahlen an, die Schleswig-Holsteiner, die Nordrhein-Westfalen, na, wegen der Wahlbeteiligung, der minderen. Weil die Leut' doch net mehr hingehen zum Wählen. Von den Schleswig-Holsteinern, da bei der Landtagswahl, eben mal 60 Prozent. Und in Nordrhein-Westfalen izt net besser -"

Schönschwafl: "Noa, noa! Wer net wählen mag, überläßt's halt den anderen!"

Zweiflhuber: "Aber was, wenn das so weitergeht, bis runter auf 20 oder 10 Prozent Wahlbeteiligung? Was wird dann?"

Schönschwafl: "Schnurz, sag' ich Ihnen, schnurz! In Deutschland gibt's keine Mindestwahlbeteiligung. Und wenn nur 10 Prozent zur Wahl gehen, auch gut, dann entscheiden eben die. Basta!"

Zweiflhuber: "Ist das denn noch Volksherrschaft, wenn fast das ganze Volk nit mittut? Das geht mir net eini. Die Politiker, die sollen ja die Volksvertreter sein, aber bei so wenig Wählern, da sind's doch bloß Minderheitsvertreter, denk ich mir, und -

Schönschwafl: Herrschaftsseiten! So dürfen Sie das net sehen. Wer von den bestehenden Parteien keine mag, muß halt selbst eine gründen. So einfach ist das.

Zweiflhuber: Aber da gibt's doch Vorschriften. Das kann nit jeder einfach so mal. Weil doch das Parteiengesetz davor ist. Und das schränkt die Möglichkeiten, sich -

Schönschwafl: Gewiß, der Gesetzgeber muß da dem Unfug Grenzen setzen. Damit nicht irgendwelche Fexer, was weiß ich, mit abstrusen Ideen wie der Direktbeteiligung aller Bürger an politischen Entscheidungen, Tuifl auch, etwa der Teilnahme an Kriegseinsätzen, unsere Demokratie gefährden.

Zweiflhuber: Äh, aber gefährden, nein, wieso denn gefähr-

Schönschwafl: Muß man halt auch mal Abstriche machen. Der Demokratie zuliebe. Zum Beispiel bei der Wahlbeteiligung. Das ist doch ein geringer Preis für das Privileg, in unserer Demokratie leben zu dürfen. Oder würden S' lieber in einem Land leben, wo bloß 10 oder 20 Prozent der Leut' für alle anderen entscheiden, hä?

Zweiflhuber: Nein, äh, aber das issis ja, wieso ich -

Schönschwafl: Na schau'n Sie! Jess Maria, daß wir das geklärt haben. Wenn's Ihnen sonst was unklar ist, rufen S' mich an. Jederzeit. Immerhin, unsere Demokratie, Beispielhuber, steht zweifelhaft doa in der Welt! Äh, Zweiflhuber, mein' ich, beispielhaft! Darauf können S' stolz sein. Jawohl. Merken S' sich das. Auf Wiederhören, mein Lieber, und Gott zum Gruße!

23. Mai 2012