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SCHLUCKAUF/0088: Brückenpolitik - Nachtisch & Satire (SB)


Brückenpolitik


Sonntag, 18. September 2011. 3 Uhr nachts. Berlin nach der Wahl. Atlantikbrücken-Mitgliederpinte "Abrahams Schoß". Nachdem alle Reporter und falschen Freunde abgehängt sind, rettet Wahlverlierer Rötler sich an den Tresen besagten, diskret ausgeleuchteten V.I.P.-Lokals. Dort trifft er, wie der Zufall es will, auf den vom respektablen Wahlergebnis seiner Grünen angeheiterten Duzdumir.

DUZDUMIR (jovial): Nimm's nicht so tragisch, Rötler, alter Junge. Da muß jeder von uns "Young leaders" mal durch. Du hast mit deinem "Sollen die Griechen doch pleite gehen" deinen Job gemacht.

RÖTLER: Tu doch nicht so, als ob es für mich noch irgendwelche Perspektiven gäbe (schluchzt auf). Meine Brücken-Berater haben mir gesagt, mit dem Standpunkt würde ich in Deutschland punkten. Und jetzt kann mich keiner mehr leiden.

DUZDUMIR (legt Rötler die Hand auf die Schulter): Genau so hab' ich damals auch empfunden. Als nach meiner Ernennung zum "Young Leader" und einem längeren USA-Aufenthalt meine Karriere langsam in Schwung kommen sollte, wurde ich als US-Protegé in Deutschland gemobbt. Sogar im Europaparlament wurde ich gemieden als hätte ich die Pest.

RÖTLER: Stimmt, ich erinnere mich. Aber wie hast du das wieder hingekriegt?

DUZDUMIR: Überhaupt kein Ding! Die Jungs von der Brücke haben für mich bei 'ner offiziellen Reise in die USA an der Paßkontrolle, ich glaub', 2009 war das, 'nen gewaltigen Ärger inszeniert. Mich ohne Begründung festgehalten, von wegen Muslim und Terrorverdacht und so. Und dann haben sie dafür gesorgt, daß der Vorfall in Deutschland die Medien rauf und runter ging. Danach hat sich keiner mehr über meine US-Kontakte aufgeregt.

RÖTLER: Starke Aktion. Richtig. Und in Deutschland wirst du allmählich zum grünen Helden.

DUZDUMIR: Die Leute im politischen Umfeld merken eben auch, daß man nützlich für sie ist. Dumm gelaufene Sachen geradebiegen, Wahlkampfgelder beschaffen und so. Aber bis dahin brauchte es eben seine Zeit.

RÖTLER: Trotzdem. Bei dir ist das was anderes. Mich halten die meisten doch sowieso für einen Chinesen, dessen Gesicht sich keiner merken kann.

DUZDUMIR: Na hör mal! Gerade deine asiatische Herkunft kann dich zum Top-Mann der Zukunft machen. Ich zum Beispiel gebe mich nicht ohne Grund als säkularer Moslem aus. Auf die Weise bin ich DER Vermittler zwischen der EU und der Türkei oder auch noch anderen moslemischen Ländern. Solche Optionen weiß nicht nur die Brücke zu schätzen, auch in Deutschland ...

RÖTLER: Du meinst, ich sollte die chinesische Karte ...

DUZDUMIR: Jetzt überleg' doch mal. Du sagst, viele halten dich für einen Chinesen. Und für die Chinesen wiederum wäre dein Gesicht bestimmt einprägsamer als das irgendeiner gelbhaarigen Langnase. Du weißt, daß China jetzt schon einer unserer wichtigsten Handelspartner ist. Da kannst du als kompetenter Verbindungsmann fürs Chinageschäft groß herauskommen. Wenn du jetzt nicht einknickst und noch ein paar Weichen stellst ...

RÖTLER: Was für Weichen?

DUZDUMIR: Ach komm, stell' dich nicht so dumm. Du könntest zum Beispiel deinen Vornamen etwas chinesischer gestalten. Phil Lip zum Beispiel, wie wäre das?

RÖTLER: Ja, gar nicht schlecht. Und ich könnte mich als Taoist ausgeben. Leute mit meinem undefinierbaren Lächeln verunsichern und mit Yin-Yang-dynamischer Wandelrhetorik die griechische Kultur im allgemeinen und ihre derzeitigen politischen Vertreter im besonderen bei dieser oder jener Interviewgelegenheit feiern und loben, um absehbar als strahlender Hellenizer wieder aufzuerstehen!

21. September 2011