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SCHLUCKAUF/0064: So wahr mir Geld helfe - Nachtisch & Satire (SB)


So wahr mir Geld helfe


Um die mediengenerierte, sogenannte "Öffentliche Meinung" rund um die deutsche Rechtsprechung sicher im Griff zu behalten, gibt es die "prozeßbegleitende Öffentlichkeitsarbeit" (oder geschmeidiger: "Litigation-PR"). Es handelt sich dabei um eine juristische Praxis, die in den 70er Jahren vom Staat selbst in die Wege geleitet wurde.

Die Geburtsstunde der "prozeßbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit" liegt nahe an dem Zeitpunkt, als der Philosoph Jean Paul Sartre vier in Stuttgart-Stammheim inhaftierte RAF-Mitglieder besuchte, um anschließend vor laufenden Kameras deren Haftbedingungen als Isolationsfolter zu geißeln. "Da habe ich rückblickend, muß ich sagen, [...] vermißt, daß der Staat hier auch ein Gegengewicht geboten hat", bewertet der damalige RAF-Ankläger und derzeitige Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger* im Nachhinein in einem Fernsehinterview diese Situation.

Weil die Öffentlichkeitsarbeit der RAF-Verteidiger den rechtsstaatsgläubigen Bundesbürger zu verunsichern drohte, sah die Bundesregierung sich damals zum Handeln gezwungen. Gewissermaßen als Nachbesserung wurde unter der Bezeichnung "prozeßbegleitende Öffentlichkeitsarbeit" die selektive Weitergabe von Informationen durch die Staatsanwaltschaft an die Medien beschlossen. Im Laufe der Jahre gingen aus dieser Verfahrensweise die Medienschlachten zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung hervor, wie wir sie heute kennen (z.B. um "No Angels"-Mitglied Nadja Benaissa oder Wettermoderator Jörg Kachelmann).

Je nach Prominenz und Geldbeutel werden die Belange von Angeklagten in den Medien heute mitunter sehr aufwendig vertreten. Dementsprechend nachdrücklich bemängeln Richter und Staatsanwälte die relative Beschränktheit ihrer Möglichkeiten multimedialer Präsenz. Nun soll dem abgeholfen werden! Letzte Woche gab das Innenministerium bekannt, zum Zwecke einer dem Medienzeitalter angemessenen Litigation PR einen Teil der Babelsberg Filmstudios in Berlin aufkaufen zu wollen. Damit die Justiz die Informationen, die sie prozeßbegleitend herausgibt, angemessen aufbereiten kann und auf hochwertige Animationen, nachgespielte Tathergänge oder kreative Archiv-Collagen nicht mehr verzichten muß. Schließlich darf von Staatsseite nicht gespart werden, wenn es um Gerechtigkeit geht!

(*Interview im Rahmen der TV-Sendung "Der Kachelmann Komplex", NDR, 07.09.2010, 22.35 Uhr)

24. September 2010