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SCHLUCKAUF/0060: Geflügel sorglos genießen - Nachtisch & Satire (SB)


Geflügel sorglos genießen


Wurde aber auch Zeit! Geflügelfleisch-Genießer können endlich wieder guten Gewissens Chicken-Burger, Hähnchen-Schnitzel und Hühnerbrust-Filetstreifen essen und müssen sich von Tierschützern nicht mehr den Appetit verderben lassen. Und das bei stetig fallenden Geflügel-Preisen! Denn künftig kann ähnlichen Protestaktionen wie etwa der gegen den Bau der größten Geflügelabschlachtfabrik Europas (7,5 geköpfte Tiere pro Sekunde, 432.000 pro Tag) im niedersächsischen Wietze, ethisch wie juristisch von vornherein der Druck aus den Spraydosen genommen werden.

Schließlich grenzt es an Psychoterror (nicht umsonst wird die Tierbefreier-Szene als terrorismusnah eingestuft), immer wieder Dokumentationen von halb erstickten, mit abgeschnittenen Schnäbeln und durch das angezüchtete Übergewicht gebrochenen Beinen in ihrem Kot verendenden Tieren vor Augen gehalten zu bekommen. Das verleiht dem Geflügelfleisch auf Dauer doch einen unangenehmen Beigeschmack.

Die Lösung des Problems, entwickelt von der biomedizinischen Abteilung "Future Food Design" des Bundesverbands Geflügelproduktion, nennt sich GPPM. Allein die Bezeichnung läßt bereits ahnen, daß es sich dabei nicht um ein Lebewesen handelt. Und richtig, GPPM ist das Kürzel für die neuentwickelte Geflügelprotein-Produktions-Matrix. Dahinter verbirgt sich die aus der Gen-Sequenz des "globalen Huhns" vom Typ Cobb 500 entwickelte Gewebezucht-Schablone für ein knochen-, feder-, schnabel- und beinloses Zellprodukt, das laut einem am 3. Juli 2010 gefällten Gerichtsurteil nicht als Tier gilt, sondern explizit als unentwickeltes Vorstadium tierischen Lebens (vergleichbar mit Geflügeleiern oder Fischrogen). GPPM-Produzenten sind demnach von der Einhaltung jeglicher Tierschutzbestimmungen befreit. Überdies ist die Verarbeitung von GPPM-Fleisch denkbar unaufwendig.

Und so geht's: Mittels GPPM gezüchtete "Gewebeverbände" werden über eine rudimentäre Schlundöffnung per Nährlösung auf ein Gewicht von ca. 5 kg gebracht, wobei elektrische Impulssequenzen die Bildung von Muskelfaserstrukturen induzieren. Da GPPM weder fortpflanzungs- noch selbstständig bewegungsfähig ist und ihm Wahrnehmungsfähigkeit nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, konnte das Gericht dem Antrag des Bundesverbands auf eine Klassifizierung von GPPM als Nicht-Lebensform entsprechen.

Der unautorisierten Äußerung einer "Future Food Design"-Laborantin einem Pressevertreter gegenüber, der gemarterte Ausdruck der Augenflecken des GPPM-Zellklumpens habe sie derart verfolgt, daß sie sich in psychologische Behandlung begeben mußte, trat der Verbandschef mit der Versicherung entgegen, es handele sich nachweislich um die Projektion eines überreizten Gemütes. Um jedoch sicherzustellen, daß GPPM-Fabrikate wirklich niemandem Anlaß zur Beunruhigung bieten, wollte er umgehend das serielle Ausstanzen besagter Augenflecken veranlassen.

23. Juli 2010