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SCHLUCKAUF/0052: Geht die Menschenwürde zum Teufel? - Nachtisch & Satire (SB)


Geht die Menschenwürde zum Teufel?


SCHLUCKAUF-Interview mit dem katholischen Theologen Pfarrer Tiberius Zankzahn über sein neues Buch.

SCHLUCKAUF: Herr Zankzahn, als Autor des Buches "Die Menschenwürde geht zum Teufel" wollen wir -

Zankzahn: Herr Pfarrer bitte, oder Hochwürden.

SCHLUCKAUF: Selbstverständlich. Herr Zankpfarrer, in Ihrem neuesten Buch haben Sie geschrieben, daß der Begriff der Menschenwürde inzwischen von seinen christlichen Wurzeln gelöst und somit für viele zur reinen Phrase verkommen ist -

Zankzahn: In der Tat. Heutzutage wissen oft selbst praktizierende Christen nicht mehr, daß sich die Würde des Menschen von seiner Gottesebenbildlichkeit herleitet.

SCHLUCKAUF: Seiner Gottes-was?

Zankzahn: Gottesebenbildlichkeit. Jeder Mensch ist nach dem Ebenbild Gottes geschaffen.

SCHLUCKAUF: Etwa auch die ganz fiesen, schmierigen ...

Zankzahn: Ja, auch die. Ein Christ ist angehalten, in jedem anderen Menschen Gott zu erkennen und zu würdigen. Und nur daraus, aus der Würdigung Gottes, ergibt sich im zweiten Rang das, was wir Menschenwürde nennen. Aber weil der Kontakt zu Gott für viele an Bedeutung verliert, wird Gott im anderen Menschen nicht mehr erkannt. Und damit geht den Menschen ihre Würde verloren. Das kann auch das Grundgesetz nicht verhindern, wie unsere heutige, gesellschaftliche Realität beweist.

SCHLUCKAUF: Oh ja, ich war letzten Sonntag bei meiner Oma im Heim -

Zankzahn: Genau, die Würde des Menschen wird fast überall mit Füßen getreten. Wir befinden uns am Ende eines Säkularisierungsprozesses, an dem der christliche Glaube von der Wissenschaft, namentlich der Schulmedizin, verdrängt wird. Und mit dem Glauben gehen, sage ich mal so, eine Menge mitmenschliche Werte verloren.

SCHLUCKAUF: Aber gibt es denn zu der Sache mit der Gottesebenbildlichkeit keine bessere Alternative? Keinen gemeinsamen Traum, zu dessen Verwirklichung auf niemanden verzichtet werden kann?

Zankzahn: Das müssen Sie nicht mich, sondern einen der modernen Priester fragen. Denn die bestimmen das vorherrschende Menschenbild und damit auch die Kultur des Zusammenlebens, nicht mehr wir Christen.

SCHLUCKAUF: Was denn für moderne Priester?

Zankzahn: Es wundert mich, daß das Zeitgeist-Bewußtsein in diesem Punkt so unterentwickelt ist. Ich spreche von den Ärzten. Den Priestern der Gegenwart, Vertretern des Glaubens an Gen-Kodes und kartographierbare Hirnareale.

SCHLUCKAUF: Ach so. Ja. Verstehe. Sowas wie Götter in Weiß. Sie meinen, daß die Ärzte den Menschen die Würde wegnehmen und ihnen als Ersatz etwas Neues unterschieben wollen, von dem Sie nicht glauben, daß es genauso gut ist?

Zankzahn: Nicht zufällig werden derzeit im Bereich der Medizin große Anstrengungen unternommen, um das Verhältnis zum anderen Menschen sozial verträglich neu zu definieren. Natürlich kompatibel mit den Erkenntnissen von Genetik und Hirnforschung. Da wird jetzt die Empathie mehr und mehr zum zentralen Begriff.

SCHLUCKAUF: Empathie?

Zankzahn: Empathie ist wichtig, damit die Menschen lernen, nicht länger Gott, sondern stattdessen sich selbst im anderen zu sehen. So wird der andere gleich viel handlicher. Er wird der eigenen Person angeglichen, wo er zuvor als Ebenbild Gottes ganz unvergleichlich sein durfte. Wie gesagt, diese Änderung der Sichtweise macht den anderen Menschen klein. So klein, daß er in alle möglichen Formeln und Modelle hineinpaßt. Und siehe da: Auf einmal wird die Existenz sogenannter Spiegelneurone propagiert, die das neue, emphatiegestützte Menschenbild naturwissenschaftlich untermauern.

SCHLUCKAUF: Und wenn man einfach behauptet, dieser ganze Empathie- und Spiegelmist steht dem direkten Sprechen miteinander nur im Wege?

Zankzahn: Dann wird man in Zukunft vermutlich als Gehirnkranker bezeichnet und gezwungen, sich einer Behandlung zu unterziehen.

SCHLUCKAUF: Stimmt. Wer nicht glaubt, was angesagt ist, wird bestraft. Ob als Kranker oder, ja, als Ketzer. Entschuldigen Sie, aber aus der Kirchegeschichte kommt mir das irgendwie bekannt vor.

Zankzahn: Daß es da düstere Kapitel gibt, will ich nicht leugnen. Die Verfolgung Andersdenkender mit ihren furchtbaren Verbrechen im Namen Gottes hat fraglos stattgefunden. Viele Menschen wurden gefoltert und verbrannt. Aber vielen gelang es auch, zu entkommen. Und das wird bei einer modernen Inquisition im Zeichen der Medizin, die sich statt des Feuers der Pharmazie bedient und statt der Folterkammern der Operationstische, ungleich seltener gelingen.

SCHLUCKAUF: Sie meinen, dieser Teil der Kirchengeschichte wiederholt sich in naher Zukunft gewissermaßen auf einer höheren Stufe?

Zankzahn: So in etwa. Aber zivilisatorisch höhere Stufe bedeutet nicht qualitativ höher, sondern ausgefeilter, unentrinnbarer. Jedenfalls: Was auch immer künftig als Ersatz für die verlorene Menschenwürde geboten wird, es wird ein billiger Abklatsch dessen sein, was unter Würde im christlichen Kontext einmal verstanden worden ist.

SCHLUCKAUF: Wenn sich die damalige Entwicklung heute auf der nächsthöheren Stufe wiederholt, hat es dann vielleicht auch früher, als es die Kirche noch nicht gab, schon Entwicklungsstufen gegeben, auf denen sogar die Menschenwürde nur der billige Abklatsch von etwas viel Großartigerem gewesen ist?

Zankzahn: Also ähm, äh, schon möglich, naja, also ich glaube, das genügt im Augenblick für unsere Zuhörer als Stoff zum Nachdenken.

SCHLUCKAUF: Ach schade, gerade fing es an, interessant - aber gut, Herr Zankwürden, wie Sie meinen. Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihr Buch "In Würde zum Teufel gehen".

4. Februar 2010