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TOURTIP/969: Die Inseln Poel und Langenwerder in Mecklenburg-Vorpommern (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2010

Die Inseln Poel und Langenwerder in Mecklenburg-Vorpommern - Mecklenburgs ältestes Seevogelschutzgebiet

Von Felix Weiß, Christopher König, Christoph Moning und Christian Wagner


Vor den Toren der Hansestadt Wismar liegt, durch den Breitlingsdamm mit dem Festland verbunden, die 3700 ha große Ostseeinsel Poel. Ihr vorgelagert ist die 25 ha kleine Seevogelinsel Langenwerder. Die Gewässer um Poel sind als Rastplatz für Meeresenten von internationaler Bedeutung und als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Weite Abschnitte von Poels Küste sind Naturschutzgebiete, ebenso die Seevogelinsel Langenwerder, die nur im Rahmen von Führungen betreten werden darf. Ein Besuch der Inseln lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Wer alle Beobachtungspunkte besuchen möchte, benötigt ein bis zwei Tage Zeit.


Landschaftsgeschichte und Lebensräume

Die Insel Poel ist ein Kind der Eiszeiten. Die mächtigen Gletscher Skandinaviens dehnten sich im Laufe der Eiszeiten in mehreren Schüben bis nach Norddeutschland aus und führten gewaltige Mengen an Schutt mit sich. Nach dem Abschmelzen der Gletscher blieben Felsblöcke, Kies, Sand und Geschiebemergel, eine Mischung aus Ton und Kalk, zurück und bildeten die flachwellige Grundmoräne. Durch das Zusammenspiel von Klima und Vegetation entwickelten sich aus dem Geschiebemergel die fruchtbaren Braunerdeböden der Insel, auf denen heute intensiv Ackerbau betrieben wird. Der Name Poel stammt vermutlich aus der slawischen Bezeichnung für "flaches Feld". Im Schutt blieben auch vereinzelte Eisblöcke zurück, die beim Abschmelzen wassergefüllte Senken, die sogenannten Sölle, zurückließen, die noch heute in der Landschaft zu sehen sind.

Zum Ende der letzten Eiszeit schmolzen die Gletscher endgültig und der Meeresspiegel stieg um über 100 m an. Das Becken der heutigen Ostsee füllte sich mit Wasser und die Landschaft versank im Meer. Wegen des gewellten Reliefs bildete sich eine Küste mit zahlreichen Buchten und Inseln. Wellen und Strömung nagten an exponierten Abschnitten der Küste und lagerten ihre Fracht in strömungsarmen Bereichen ab. Nehrungshaken bildeten sich und trennten ganze Buchten von der See ab. Die so entstandenen Strandseen süßten langsam aus und verlandeten. Über Jahrtausende entstand die heutige sogenannte Ausgleichsküste mit ihren Steilküsten, Nehrungshaken, Strandseen und vermoorten Niederungen in einem dynamischen Prozess, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Jeden Winter brechen Teile der Steilküste etwa im Norden von Poel bei Gollwitz ab. Am Faulen See im Südwesten der Insel wachsen die Nehrungshaken jedes Jahr ein Stück nach Osten, bis der See eines Tages vollständig von der Ostsee abgeschnitten sein wird.

An der flachen, bei Sturmfluten regelmäßig überfluteten Küste bildeten sich mit der Zeit artenreiche Salzwiesen, die auf Poel besonders schön ausgeprägt sind.

Eine Besonderheit der Ostseeküste sind die Windwattflächen. Da in der Ostsee der Tidenhub nur sehr schwach ausgeprägt ist, wird der Wasserstand hauptsächlich vom Wind bestimmt. Bei ablandigen Winden aus südlichen Richtungen fallen große Flachwasserzonen trocken und sind dann ein perfektes Rasthabitat für Limikolen. Besonders große Windwattflächen findet man an Poels Nordküste um die Insel Langenwerder.


Besondere Vogelarten und Reisezeit

Die Insel Poel bietet das ganze Jahr über interessante Beobachtungsmöglichkeiten und jeweils sehr unterschiedliche Aspekte. In den Wintermonaten dominieren Enten das Vogelleben. In den flachen Gewässern der Ostsee überwintern Tausende Eiderenten und Hunderte Eisenten, Trauerenten und Bergenten. Die Vögel tragen zu dieser Jahreszeit ihr Prachtkleid und zeigen gegen Spätwinter eifrig ihr Balzverhalten. Geduldige Beobachter werden auch seltenere Arten wie Prachttaucher, Tordalke, Samtenten und Ohrentaucher beobachten können. Auf den Salzwiesen der Insel äsen im Winter Pfeifenten und an den Stränden überwintern Schneeammern und Strandpieper. Die Häfen von Timmendorf und Kirchdorf laden zur Beobachtung von Großmöwen wie Mantel- und Silbermöwen ein. In den geschützten Hafenbecken lassen sich Reiherenten aus der Nähe beobachten.

Das Frühjahr ist die Zeit der brütenden Seevögel auf der Insel Langenwerder. Sturmmöwen sind mit etwa 2000 Paaren die häufigsten und auffälligsten Brutvögel. Große Bedeutung hat die Insel als Brutplatz für Küstenseeschwalben, die hier mit etwa 40 Paaren ihre größte Kolonie an der deutschen Ostseeküste haben. Silbermöwen und Lachmöwen brüten ebenfalls auf der Insel. Auch Zwergseeschwalben sind mit einigen Paaren vertreten. In manchen Jahren brütet sogar die an der Ostsee seltene Schwarzkopfmöwe. An den Stränden legen Austernfischer und Sandregenpfeifer ihre Eier und in den Salzwiesen sind Rotschenkel und Wiesenpieper noch verbreitet. Besonders schön präsentiert sich die Brutvogelwelt in der zweiten Maihälfte, dann kann man in den Küstenschutzwäldchen der Insel auch den einen oder anderen Karmingimpel entdecken.

Der Durchzug der Limikolen ist im Frühjahr nur schwach ausgeprägt. Ganz anders präsentieren sich Spätsommer und Herbst. Ab Juli erscheinen die ersten Durchzügler. Im August und September erreicht der Limikolenzug seinen Höhepunkt. Alpenstrandläufer sind die häufigsten Vertreter, unter ihnen sind immer auch einzelne Sichelstrandläufer, Knutts, Sanderlinge und Zwergstrandläufer zu finden, selten auch ein Sumpfläufer. Pfuhlschnepfen, Kiebitzregenpfeifer, Große Brachvögel und Grünschenkel sind weitere häufige Durchzügler. Die Limikolen bleiben oft nur kurz, stündlich ziehen Vögel ab und neue fallen zur Rast ein. Daher lohnt es sich, die Rastplätze mehrmals am Tag nach Neuankömmlingen abzusuchen. Auf den abgeernteten Feldern im Inneren der Insel rasten Goldregenpfeifer und Kiebitze. Die Küste bildet zudem eine Leitlinie für ziehende Möwen, Seeschwalben und Entenvögel. Der geduldige Beobachter kann mit Glück im Norden der Insel einen beeindruckenden Vogelzug erleben. In den Küstenschutzwäldchen rasten zahlreiche erschöpfte Singvögel. Im September besonders Trauerschnäpper, Gartenrotschwänze und Klappergrasmücken, im Oktober vor allem Wintergoldhähnchen, Zilpzalpe, Rotkehlchen, Sing- und Rotdrosseln.


Beobachtungsmöglichkeiten

Bereits der Breitlingsdamm, der Poel mit dem Festland verbindet, bietet ausgezeichnete Beobachtungsmöglichkeiten. Autofahrer können auf Poeler Seite am Ortseingang von Fährdorf parken und dann den Fuß- und Radweg auf dem Damm ein Stück zurückgehen. Beiderseits des Dammes erstrecken sich gut ausgeprägte Salzwiesen und Flachwasserzonen, in denen besonders im Winterhalbjahr zahlreiche Entenvögel beobachtet werden können. Im Spätsommer äsen große Trupps Graugänse in den Salzwiesen.

Die Insel Langenwerder liegt vor der Nordküste von Poel bei Gollwitz. Sie ist das beste Beobachtungsgebiet im Bereich der Insel Poel. Langenwerder wird im Sommer von einem Vogelwart betreut und kann nur außerhalb der Brutzeit im Rahmen von Führungen besucht werden. Vom Strand ist das Vogelleben der Insel jedoch hinreichend gut zu sehen, sodass diese Einschränkung für Vogelbeobachter zu verschmerzen ist. Gollwitz erreicht man, indem man in Fährdorf von der Hauptstraße rechts in Richtung Malchow abbiegt. In Vorwerk muss man erneut rechts abbiegen. Kurz vor dem Ortseingang von Vorwerk lohnt sich ein Blick durch Lücken in der Hecke auf die Salzwiesen und Nehrungshaken der Poeler Ostküste. Dort sind ähnliche Arten zu sehen wie am Breitlingsdamm. Am Ortseingang von Gollwitz liegt ein großer gebührenpflichtiger Parkplatz. Von dort geht man durch den Ort in Richtung Strand. Die Insel Langenwerder ist nur durch eine schmale Flachwasserzone von Poel getrennt. Die Windwattflächen im Westen bieten im Spätsommer ideale Rastbedingungen für Limikolen. Vom Strand kann man diese mit dem Spektiv gut beobachten. Das Brutgeschehen auf Langenwerder überblickt man am besten von einem Aussichtspunkt auf dem Steilufer ein Stück östlich von Gollwitz, den man über den Strand oder über einen Plattenweg im Küstenwald erreicht. Ein Spaziergang am Strand nach Westen führt zu einer Steilküste, in deren Abbruchkante im Sommer Uferschwalben brüten.

Das Naturschutzgebiet "Fauler See" im Südwesten Poels ist vor allem zu den Zugzeiten im Frühjahr und Herbst ein lohnendes Ziel. Von Gollwitz fährt man auf der gleichen Strecke zurück nach Süden bis Vorwerk, wo man rechts Richtung Kirchdorf abbiegt. In Kirchdorf folgt man der Ausschilderung nach Timmendorf. In Vorwangern biegt man links in eine unscheinbare Asphaltstraße Richtung "Hinterwangern" ab. Nach 2 km erreicht man den Nordrand des Naturschutzgebietes. Dort folgt man dem Feldweg nach rechts und 200 m weiter hält man sich links, bis man nach 800 m einen gebührenpflichtigen Parkplatz erreicht. Von dort führt ein Weg an der Grenze des Schutzgebietes zum Strand. Linkerhand liegt der gesperrte Strand des Naturschutzgebietes, an dem oft Limikolen, Möwen, Mittelsäger und Eiderenten rasten. Vom Zaun aus lassen sie sich gut beobachten. Im Winterhalbjahr lohnt sich der Blick mit dem Spektiv über die weite Wasserfläche der Wismarbucht, in der sich dann zahlreiche Meeresenten aufhalten. Die Wasserfläche des Faulen Sees ist ein Stück zurück vom Feldweg aus einzusehen. Im Spätsommer rasten hier zahlreiche Graugänse. Diverse Entenarten sind zu den Zugzeiten zu beobachten. Wasserläufer suchen im Flachwasser nach Nahrung und im August kreiseln gelegentlich einzelne Odinshühnchen ihre Runden. Der Hafen von Timmendorf bietet vor allem im Winter lohnende Beobachtungen. Hier rasten Großmöwen und auf der Ostsee tauchen Meeresenten nach Muscheln. Die Küste an der Feriensiedlung "Am Schwarzen Busch" ist im Spätsommer und Herbst ein guter Punkt um in den Morgenstunden den Vogelzug entlang der Küste zu beobachten. Um dorthin zu gelangen, folgt man von Kirchdorf der Ausschilderung "Am Schwarzen Busch" und kann am Ortseingang parken (gebührenpflichtig). Zur Brutzeit lohnt sich der Weg entlang des Strandes nach Westen. Hinter dem Strandwall liegt ein verlandeter Strandsee mit großen Schilfflächen. Hier sind im Frühjahr Teichrohrsänger und Rohrammern zu finden. Rothalstaucher brüten und fliegen regelmäßig zur Nahrungssuche auf die nahe Ostsee.


Weitere Freizeitmöglichkeiten

Das ausgezeichnete Heimatmuseum der Insel Poel im zentralen Ort Kirchdorf lohnt nicht nur an verregneten Tagen einen Besuch.


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Infomaterial/Literatur:

Wagner C, Moning C 2009: Vögel beobachten in Ostdeutschland - Die besten Beobachtungsgebiete zwischen Rügen und dem Thüringer Wald. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart.

Königstedt B, Königstedt DGW 1998: Die Insel Poel in der Wismar-Bucht - Vogelschutz mit Tradition. Falke 45: 114-119.


Anfahrt

Mit Bahn und Bus:
Vom Bahnhof Wismar erreicht man die Insel Poel ab dem ZOB mit der Linie 430 der Mecklenburger Verkehrsbetriebe. Der Damm, der Poel mit dem Festland verbindet, bietet Radfahrern und Wanderern durch einen separaten Weg eine sichere und bequeme Möglichkeit, die Insel zu erreichen.

Mit dem Auto
Die Insel Poel erreicht man über die A20, die man am Kreuz Wismar verlässt, ab dort ist die Insel gut ausgeschildert. Poel ist über einen Damm mit dem Festland verbunden, der für Autofahrer immer geöffnet ist.


Adressen

Heimatmuseum der Insel Poel, Möwenweg 4, 23999 Kirchdorf, Tel.: 038425/20732,
Öffnungszeiten: 15. Mai bis 14. September Di-So: 10-16 Uhr,
15. September bis 14. Mai, Di, Mi, Sa: 10-12 Uhr.

Der Verein Langenwerder betreut das Naturschutzgebiet Langenwerder und bietet regelmäßig Führungen an.
Aktuelle Termine können unter www.langenwerder.de abgerufen werden.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2010
57. Jahrgang, November 2010, S. 429-432
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2010