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TOURTIP/966: Lesbos - eine Vogelinsel am Rande Europas (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2010

Lesbos - eine Vogelinsel am Rande Europas

Von Hans-Heiner Bergmann und Joachim Weiss


Seit etwa 1985 hat sich die griechische Insel Lesbos im Osten des Ägäischen Meeres zu einem bevorzugten Frühjahrsziel für zahlreiche westeuropäische Vogelbeobachter entwickelt. Anlass dafür ist einerseits ein intensiver Durchzug wandernder Vögel im Frühjahr (wie auch im Herbst), andererseits eine reichhaltige Brutvogelfauna in einer vielgestaltigen Landschaft, in der sich sogar Arten finden, die man sonst in Europa nicht beobachten kann. Schließlich ist Lesbos auch immer für Ausnahmeerscheinungen gut - und ein lohnender Urlaubsort.


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Unweit des kleinen Ortes Achladeri gibt es etwa 150 Meter von der Straße entfernt auf einer kleinen Lichtung im Kiefernwald einen abgebrochenen toten Baumstamm, der seit 2008 eine ornithotouristische Attraktion darstellt. Im Umkreis von 15 bis 20 Metern ist das spärliche Gras niedergetreten. Das liegt nicht an der Schafherde, die manchmal hier vorbeizieht, sondern an den Vogelbeobachtern, - fotografen und -filmern. Zu bestimmten Tageszeiten versammeln sich hier im Frühjahr bis zu zwanzig Interessenten, um einem Vogelpaar zuzusehen. Der Baumstamm dient einem Paar Türkenkleiber als Brutplatz. Die Vögel sind an das Treiben gewöhnt und äußern nur noch wenige Alarmrufe, falls jemand zu nahe kommt. Doch das geschieht kaum, die Besucher sind diszipliniert. Wenn die Altvögel den Kiefernstumpf anfliegen, um den Jungen Futter zu bringen, dann klicken und rattern ringsum die Fotokameras, alle Teleobjektive und Ferngläser sind auf die Stars gerichtet. Solche attraktiven Sammelpunkte gibt es mehrfach auf Lesbos. Sie sind zugleich Börsenplätze, auf denen vielerlei Information über die sonstige Vogelwelt ausgetauscht wird.



Vom Massentourismus bisher verschont

Unter den griechischen Inseln ist Lesbos nach Kreta die zweitgrößte, mit einer Ausdehnung von 45 mal 70 km. Bei einer Fläche von 1630 km2 ist sie etwa halb so groß wie Mallorca und fast doppelt so groß wie Rügen. Die Insel liegt wenige Kilometer vor der türkischen Küste in der Ägäis inmitten des ostmediterranen Vogelzugweges. Sie ist durch die antike Schriftstellerin Sappho bekannt, durch einen versteinerten Wald, durch Produktion von Oliven und Ouzo und neuerdings als Traumziel für Vogelfreunde. Die Insel beherbergt eine Anzahl verschiedener Lebensräume, die einen großen Reichtum an Fauna und Flora möglich machen: Von Nadel- und Laubwald über Olivenhaine, Macchie und Phrygana (= die östliche Garrigue, ein niedriger Dornbuschwald), Gebirge und Felsen, Dünen, baumlose steppenartige Lebensräume bis hin zu Flusslandschaften mit Feuchtgebieten und Wiesen sowie Meeresküsten und Salinen. Rund 80 Orchideenarten und mindestens 50 Schmetterlingsarten leben auf Lesbos. Touristisch ist die Insel glücklicherweise bisher noch wenig verändert, es gibt keine vielstöckigen Hotels, keine überfüllten Strände, dafür aber noch authentische griechische Tavernen.



Alte und neue Wälder

Der am meisten verbreitete Hochwald auf Lesbos ist der Kiefernwald. Die schönsten Altbestände der Kalabrischen Kiefer Pinus brutia findet man bei dem schon genannten Achladeri östlich von Kalloni, aber auch bei Agiassos, unfern des lesbischen Olymps. Die Baumkronen lassen viel Licht zum Boden, sodass reicher Unterwuchs mit Orchideen, Zistrosen und vielen anderen Arten der Strauch- und Krautschicht gedeiht. Obwohl alte Bäume forstwirtschaftlich genutzt werden, findet man doch hin und wieder stehendes Totholz. Genau dies ist es, was der Türkenkleiber sucht. Buchfinken, Girlitze, Amseln, Maskenwürger, Grauschnäpper, Gartenbaumläufer sowie Kohl- und Blaumeisen sind weitere Vogelarten des Kiefernwaldes. Über heideartigen Lichtungen singen Heidelerchen. Oberhalb der Kiefernwaldzone gibt es in der Umgebung des Olymps Bestände von laubabwerfenden Bäumen. Hier beherrschen uralte Edelkastanien das Bild. Als Brutvögel treten hier Wiedehopfe, Zwergohreulen, schwarzköpfige Eichelhäher der Unterart "atricapillus", Balkan-Laubsänger, Kernbeißer, Gartenbaumläufer und viele andere mehr auf.

Unterhalb der Kiefernwaldzone wachsen Eichenwälder (Zerreichen Quercus cerris und Flaumeichen Qu. pubescens) mit einer ähnlichen Vogelwelt wie in den weit verbreiteten Olivenhainen.

Etwa elf Millionen Olivenbäume soll es auf Lesbos geben. Olivenbäume haben lichte Kronen und stehen in lockerem Bestand, außerdem werden sie sehr alt, wenn ihnen nicht die seltenen Frostperioden schaden. Sie bieten vielen Vögeln Lebensraum. Unter den Höhlenbrütern finden sich hier besonders Steinkauz, Mittelspecht und Trauermeise ein. Der Olivenspötter ist Sommergast, obwohl er nicht an Höhlen und auch nicht an Olivenbäume gebunden ist, sondern am häufigsten in den gemischten Waldweidebeständen vorkommt.

Diese offene Kulturlandschaft mit einzelnen Bäumen und eingestreuten Gebüschkomplexen, Felsen, dazwischen gras- und krautbewachsene Flächen bietet Lebensraum für viele Arten. Am schönsten entwickelt findet man Waldweiden in Platania im nördlichen Tal von Napi. Hier ist der Olivenspötter zu Hause, daneben die ganz ähnlich singenden Maskenwürger und die Trauermeisen mit ihren zeternden Alarmrufen. Selbstverständlich beleben auch Kohl- und Blaumeisen sowie Amseln das Bild, daneben Buchfinken mit ihren durchdringenden und für unser Ohr völlig unerwarteten Regenrufen "fiü". Charakteristisch sind hier auch Wiedehopf und Kappenammer.



Salinen

Zwei ausgedehnte Salinengebiete und ihre Umgebung bieten einer Menge von Wasservögeln Gelegenheit für eine Rast während ihres Heimzugs oder Wegzugs, manchen dienen sie auch zur Brut. Die größte Saline von 2,63 km2 Ausdehnung findet sich östlich von Kalloni im Inselzentrum. Das engere Gebiet der Salzgewinnung ist zwar für menschliche Besucher unzugänglich, doch gibt es zwei Beobachtungstürme, von denen man in die Flächen hineinschauen und Flamingos und andere Wasservögel mit dem Spektiv beobachten kann. Ringsum verläuft zudem ein breiter flacher Graben, der teilweise von einer geteerten Straße begleitet wird. Hier kann man vom Pkw aus auf geringe Entfernung Watvögel aller Art, Seidenreiher und rastende Sichler beobachten, fotografieren und filmen. Stelzenläufer und Seeregenpfeifer brüten hier. Mit etwas Glück sieht man in Flusstälern und in den Salinen Schwarzstörche. Im Umfeld der Salinen brüten auch Triele, Kurzzehenlerchen, Maskenstelzen und Heckensänger. Die Flussmündungen haben teilweise ausgedehnte Flächen von Windwatten und Quellerbeständen - ähnlich denen von Nord- und Ostsee, nur viel kleinräumiger.

Je weiter man auf der Insel nach Westen kommt, desto steiniger und scheinbar lebensfeindlicher wird der Lebensraum. Die Vegetation besteht vorwiegend aus dem knapp kniehohen Dorngesträuch des Rosengewächses Sarcopoterium spinosum, der Dornigen Bibernelle. Typische Vogelarten sind Chukarhuhn, Schlangenadler, Rötelfalke, Steinkauz (bei den Hütten der Hirten), Haubenlerche, verschiedene Steinschmätzerarten, Bluthänfling, Steinsperling sowie Grauortolan und Türkenammer.



Asiaten in Europa

Für einen Vogel, der vom türkischen Festland aus eine Entfernung von 8über das Meer zur griechischen Insel Lesbos zurücklegt, ist dies geographisch, ökologisch und ethologisch ein kleiner Schritt. Aus der Sicht der Vogelbeobachter und Tiergeographen kann dieser Flug unter Umständen jedoch von großer Bedeutung sein. Der Vogel hat nämlich die Grenze zwischen Asien und Europa überschritten. Für einige Vogelarten, deren Verbreitung eigentlich auf Asien beschränkt ist, stellt Lesbos tatsächlich eine Art Brückenkopf dar. Sie kommen in ganz Europa nur auf dieser griechischen Insel vor und sind für den ornithologisch interessierten Besucher das Sahnehäubchen auf dem ohnehin schon reichen Vogelleben. Zu ihnen gehören an erster Stelle Türkenammer und Türkenkleiber.



Die Türkenammer

Mit Ammernarten ist die Insel Lesbos sehr gut ausgestattet. Grauammer, Grauortolan, Zaunammer und Kappenammer sind häufige Brutvögel. Die Zippammer zieht vor allem im Herbst durch, vielleicht brüten auch einige im Bergland. Goldammer, Ortolan und Rohrammer sind allerdings Ausnahmeerscheinungen oder treten nur in kleiner Zahl während des Zuges auf. Neben den genannten Arten nimmt die Türkenammer als kleinasiatisch-westiranischer Endemit eine Sonderstellung ein. Sie zählt zu den seltensten Brutvögeln Europas. Diese unscheinbare Ammer kann man in Europa praktisch nur auf Lesbos antreffen. Hier rechnet man mit ca. 250 Paaren. Der griechische Gesamtbestand zählt etwa 300 Paare, denn wenige Brutpaare auf den Inseln Chios und Skyros kommen noch hinzu. Die Türkenammer stellt neben dem Türkenkleiber für viele Vogelbeobachter den Hauptanlass dar, nach Lesbos zu reisen. Türkenammern sind, wenn man die richtigen Stellen kennt, in der Fortpflanzungszeit anhand der Gesänge relativ leicht aufzufinden. Den singenden Vogel dann aber auch mit den Augen zu beobachten, verlangt einiges mehr an Geduld und Aufmerksamkeit. Die Männchen sind hellgrau, mit mattgelber Kehle und grünlichem Oberkopf ohne leuchtendes Gelb oder Orange. Der Vogel ist sowohl auf einem mit Flechten bewachsenen Stein wie im mattgrünen Laub der Vegetation gut getarnt. Noch unauffälliger sind die Weibchen gefärbt - fast so grau wie eine Grauammer, nur mit Mühe lässt sich ein gelbgrauer Ton in dem Kehl- und Bartstreifgefieder erkennen. Beim Landen leuchten die weißen Keilflecken der äußeren Steuerfedern auf. Die Türkenammern in Griechenland und der West- und Südtürkei zählen zur graubäuchigen Unterart Emberiza cineracea cineracea. In Südostanatolien bis in die Grenzbereiche von Irak und Iran sowie in Westiran kommt eine deutlich abweichende Unterart vor: die gelbbäuchige E. c. semenowi.

Auf Lesbos sind die Vögel als Sommergäste an den kargen Westen gebunden. Hier leben sie in steinigen Gebieten mit niedrigem Gebüsch und wenigen Bäumen. Ihre Habitate erscheinen möglicherweise nicht ganz so karg wie die des Grauortolans, der in ähnlichen Habitaten vorkommt - auch als direkter Nachbar der Türkenammer. Andererseits können Türkenammer-Brutreviere auch an Kappenammer-Vorkommen angrenzen. Ein klassischer Platz ist ein Berg namens Ipsiloú. Ipsiloú ist auf Lesbos ein Muss für jeden naturkundlich interessierten Besucher: ein steiler steiniger Berg vulkanischen Ursprungs, gekrönt von einem mächtigen Klosterbau. Der Berghang ringsum ist von lichtem, niedrigem Zerreichenwald bedeckt und durchsetzt mit großen Felsblöcken. Er stellt eine Attraktion für hungrige und rastbedürftige Durchzügler dar, die hier eine kleine Waldinsel in waldloser Umgebung ansteuern können. Hier brüten viele Vögel, unter anderem Blaumerle, Maskenwürger, Grauortolan, Kappenammer und Zaunammer, im steinig-felsigen Umfeld ebenfalls die Blaumerle, daneben Steinschmätzer und Balkansteinschmätzer sowie der Steinsperling. Auf den benachbarten Magerflächen leben Isabellsteinschmätzer und Haubenlerchen. Bei Ipsiloú kann man im Mai von einer Stelle aus gleich mehrere singende Männchen der Türkenammer hören. Die ganze Population dieses Berges mag sich auf mindestens zehn singende Männchen belaufen; das wären immerhin schon 3 % der geschätzten europäischen Gesamtpopulation.



Der Türkenkleiber

Auch für Kleiberfreunde ist Lesbos ein Eldorado. Häufig gibt es den ostmediterranen Felsenkleiber - eine stimmlich auffallende Art in offenen, steinigen Lebensräumen. Im Wald ist zusätzlich unser Kleiber anzutreffen, jedoch recht selten. Die dritte und faunistisch interessanteste Art ist der Türkenkleiber - auch ein kleinasiatischer Endemit. Er lebt gar nicht so selten in alten Kiefernwäldern der Insel - als Brutvogel und zugleich als ganzjährig anwesender Jahresvogel. Der berühmte Kleiber- und Meisenspezialist Hans Löhrl ist seiner Zeit eigens nach Lesbos gereist, um dort Türkenkleiber zu beobachten und Jungvögel für die Aufzucht zu suchen. Er hat in einem kleinen Waldgebiet bei Agiassos innerhalb weniger Tage neun Reviere gefunden. Insgesamt rechnet man jetzt mit 600 Brutpaaren auf der Insel. Lesbos ist der einzige Platz in Europa, wo man diesen kleinen Kleiber frei lebend antreffen kann.

Der Türkenkleiber ist ein Spezialist für die auf der Insel verbreiteten Bestände der Kalabrischen Kiefer. In einem abgebrochenen Stamm legt er im morschen Holz seine Bruthöhle selbst an. Von der lesbischen Forstwirtschaft werden leider alte Bäume häufig beseitigt, was den Vogel in seiner Verbreitung und seiner Populationsgröße begrenzt. Abseits der Bruthöhle ist er ein eher unauffälliger Vogel. Anders als unseren Kleiber sieht man ihn kaum an Stämmen klettern, sondern im Gezweig der Baumkronen agil und "unstet" herumturnen. Die Jungen fliegen im Laufe des Mai aus. Am 18.5.2010 fütterten die beiden Altvögel noch an der bekannten Bruthöhle des Kleiberbaumes bei Achladeri.



Der Weißkehlsänger - eine Ausnahmeerscheinung

Den Weißkehlsänger, einen hübschen Schmätzerverwandten, kennen die meisten Vogelbeobachter normalerweise nur aus Bestimmungsbüchern. Er ist dort oft zusammen mit anderen exotischen Arten wie dem Rubinkehlchen, dem Blauschwanz und dem Östlichen Heckensänger abgebildet - Vögeln ganz verschiedener Herkunft. Der Weißkehlsänger ist Brutvogel in der südlichen und östlichen Türkei und dem Nahen Osten. In Europa gilt der Vogel als seltener Ausnahmegast. Da er ein Zugvogel ist, glaubt man, dass einzelne Vögel bei ihrem Heimzug aus dem afrikanischen Winterquartier gelegentlich über ihr Ziel hinausschießen, was man mit dem Begriff Zugprolongation bezeichnet. Für Griechenland gab es bis 1995 nicht mehr als vier offiziell anerkannte Nachweise, davon zwei allein von Lesbos. Auch hier hat man nicht oft die Chance, Vögeln dieser Art zu begegnen. Immerhin sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten doch eine ganze Menge Nachweise zusammengekommen, darunter auch sieben Brutnachweise, die aber nicht der griechischen Seltenheitenkommission gemeldet und daher auch nicht unabhängig von Fachleuten geprüft worden sind. Ein solcher Nachweis stammt von dem schon genannten Kloster Ipsiloú im Westen der Insel. Hier wurde im Mai 2001 ein Paar festgestellt, das Futter zum Nest trug.

Im Jahr 2009 hatten wir Glück, genau im Übergang zwischen Wald und offenem steinigem Lebensraum einen Weißkehlsänger beobachten zu können. Am Morgen des 31. Mai hörten wir gemischte Alarmrufe unter uns am nordwestlichen Steilhang des Berges. Neben einem Steinschmätzer war ein männlicher Weißkehlsänger beteiligt. Erst auf den später betrachteten Filmaufnahmen und Fotos entdeckten wir, dass die Vögel wegen einer großen Schlange Alarm schlugen. Die Beobachtung mit Fotobeleg wurde beim Hellenic Rarities Committee (HRC) eingereicht und angenommen. Weißkehlsänger treten möglicherweise doch regelmäßiger auf Lesbos auf, als es zunächst den Anschein hat. Dennoch ist die Bestandsgröße zurzeit noch sehr gering.



Reiche Artenvielfalt

Bisher sind auf der Insel insgesamt knapp 280, nach anderer Meinung 325 verschiedene Vogelarten festgestellt worden; darunter sind 115 Brutvögel. Berühmt sind die rastenden Bestände an Watvögeln und anderen Wasservögeln vieler Arten. Der Durchzug von Greifvögeln über Lesbos ist zwar nicht so sensationell wie am Bosporus, aber doch bemerkenswert. Adlerbussard und Schlangenadler sind Jahresvögel. Rotfußfalken und Kurzfangsperber ziehen manchmal in Gruppen durch. Der Heckensänger in der östlichen Form ist Brutvogel und die häufigen Felsenkleiber sehen hier anders aus als bei uns. Und dann noch Flamingos, Pelikane, Rostgänse, Grauortolane, Kappenammern, Blaumerlen... - ein Paradies für Vogelbeobachter. Bemerkenswert sind Alpensegler-Beobachtungen bei Ipsiloú in der zweiten Maihälfte 2010 (am 20.5. und 26.5). Handelt es sich möglicherweise doch um Brutvögel? Der Brutstatus der Alpensegler auf Lesbos ist noch unklar. Besonders eindrucksvoll für alle Vogelfreunde ist es auch, beim Abendessen in einer griechischen Taverne die vielen Rauchschwalben zu beobachten, die durch Fenster und offene Türen dicht über die Köpfe der Gäste hinweg zu ihren Nestern im Restaurant fliegen - in Mitteleuropa einfach undenkbar.


Prof. Dr. Hans-Heiner Bergmann ist pensionierter Hochschullehrer und schreibt Bücher und Artikel über Vogelbiologie, Vogelstimmen und Naturschutz.

Dr. Joachim Weiss, Dipl. Biol., leitet den Fachbereich Artenschutz/Vogelschutzwarte im Landesamt für Natur und Umwelt Nordrhein-Westfalen.


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Informationen zum Thema:

Brooks R 1998: Birding on the Greek Island of Lesvos.
Brookside Publ., Fakenham, Norfolk.

Brooks R 2001: Birds of Lesvos. Promoline, Mytilene, Lesbos.

Dudley S 2009: A birdwatching guide to Lesvos.
Arlequin Press, The Rea, Upton Magna.

Handrinos G, Akriotis T 1997: The Birds of Greece.
A & C Black, London.

Lewington I, Alström P, Colston P 1991:
A field guide to the rare birds of Britain and Europe
Harper Collins, London.

Löhrl H 1968: Tiere und wir.
Erlebnisse am Rande der Verhaltensforschung.
Ullstein, Frankfurt.

http://rarities.ornithologiki.gr/en/eaop/annual_reports.htm
www.lesvosbirding.com


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Reisetipps Lesbos

Von Deutschland aus kann man mit TUI-Charterflügen von Düsseldorf und München aus direkt nach Mytilene auf Lesbos fliegen. Bei Linienflügen mit Olympic und Aegean Airlines muss man eine Zwischenlandung in Athen oder Thessaloniki, in manchen Fällen sogar eine Übernachtung in Kauf nehmen. Fährverbindungen gibt es von Piraeus (Griechenland) und Ayvalik (Türkei) aus. Wenn man keine Pauschalreise gebucht hat, ist es klug, sich für einen Mietwagen zu entscheiden, diesen vorher zu buchen und am Flughafen in Mytilene in Empfang zu nehmen und dort auch abzugeben. Die meisten Besucher der Insel lassen sich etwa in der Inselmitte im Ort Kalloni oder dem benachbarten ehemaligen Fischerdorf Skala Kallonis nieder. Viele interessante Gebiete sind von hier aus leicht zu erreichen. Die weitesten zu fahrenden Distanzen kann man in etwa 1,5 Stunden bewältigen, teilweise über kurvenreiche Bergstraßen. In Skala Kallonis gibt es Hotels, die sich ganz auf die Vogelbeobachter eingestellt haben. Doch ist man auch mit einem Bungalow, einer Ferienwohnung oder Pension gut beraten. In beiden Orten gibt es zahlreiche Restaurants, die Bademöglichkeiten in der großen Bucht von Kalloni sind nicht weit entfernt. Die Wassertemperatur beträgt im April 17 °C und erreicht bereits im Mai 21 °C. Die beste Reisezeit für die Beobachtung des Durchzugs ist die zweite Aprilhälfte und Anfang Mai. Dann sind auch alle Brutvögel angekommen, Mitte Mai sind die Durchzügler verschwunden. Die meisten Vogelbeobachter, vorzugsweise aus England und Holland, kommen im April und Mai. Die Umgangssprache unter ihnen ist Englisch. Viele der gastfreundlichen Griechen sprechen Englisch, ansonsten ist man als Besucher mit Grundkenntnissen in Griechisch gut beraten. Viele Tipps über Landschaften, Klima, Beobachtungsmöglichkeiten, ja sogar über empfehlenswerte Restaurants, findet man in den Büchern von Dudley (2009) und Brooks (1998).


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Buchtipps: Vögel auf Lesbos

Birding on the Greek Island of Lesvos. Von Richard Brooks
248 S., Softcover, Format 20,5 x 15 cm. Brookside Publishing,
Fakenham Norfolk, 1998 (mit Ergänzungen bis 2001).
ISBN 9780952724926, ca. EUR 37,90.

Parallel zu einer farbig illustrierten, von einem Hotel in Kalloni gesponserten Broschüre (2001) erschien erstmals 1998 ein Vogelführer mit detaillierten Angaben über die Durchzügler und die Brutvögel der griechischen Insel Lesbos in der Ägäis. Der englische Autor hat die Insel bei vielen Gelegenheiten in den 1990er Jahren besucht und Informationen von zahllosen anderen Beobachtern gesammelt. Eine etwa 120 Seiten umfassende kommentierte Artenliste präsentiert das Ergebnis, worin der Autor selbst mit vielen bemerkenswerten Nachweisen vertreten ist. Die Einführung der vorangehenden 100 Seiten enthält alles sonst noch Benötigte: Beschreibung der Insel, das Vogeljahr, Tipps für Unterkünfte und Reisen auf der Insel, Wetterangaben, Beschreibung der wichtigsten Beobachtungsorte. Daran schließen sich zwei kurze Aufsätze über die beiden wichtigsten Vogelarten an: Türkenammer und Türkenkleiber. Im Anhang reichhaltige Listen, Kartenskizzen und Register. Das Buch ist mit zahlreichen farbigen Vogelfotos aus der Hand des Autors und mit Zeichnungen illustriert. Dieses Buch wird von manchem Besucher der Insel gegenüber dem Buch von Dudley bevorzugt, wegen seiner ausführlichen Artenliste. Kleiner Nachteil: Die Bindung des vorliegenden Exemplars ist so schlecht, dass ein Windstoß die losen Blätter davontreiben würde, unrettbar in einem Feuchtgebiet, in der Saline oder im Meer verloren.
H.-H. Bergmann



A birdwatching guide to Lesvos. Von Steve Dudley
272 S., Softcover, Format 21 x 15,5 cm.
Arlequin Press, The Rea, Upton Magna, 2009.
ISBN 9781905268061, ca. EUR 24,95.

Seit etwas mehr als zwanzig Jahren hat sich die vor der türkischen Küste in der östlichen Ägäis gelegene Insel Lesbos (engl. und griech. Lesvos) zu einem Mekka für Vogelkundler entwickelt. Das liegt vor allem an dem starken Durchzug zu beiden Zugzeiten, aber auch an interessanten Brutvögeln. Dementsprechend war ein gut gemachter Vogelführer für die Insel nicht nur willkommen, sondern sein Erscheinen wurde dringlich erwartet. Dudley hat viele Jahre Erfahrung auf Lesbos gesammelt, besonders mit Ornitho-Touristen, die er jedes Frühjahr und jeden Herbst führt und betreut.

Eine ausführliche, unterhaltsam geschriebene Einführung beschreibt Geschichte, Wirtschaft, Landschaften, Reisezeiten und Wetter - bis hin zu empfehlenswerten Restaurants. Es gibt Hinweise darauf, wie man sich als Vogelbeobachter in der Landschaft benimmt: gegenüber den Vögeln, den Griechen, dem Militär (die Türkei ist zum Greifen nahe), anderen Beobachtern, den Vogelfotografen. 60 verschiedene Ziele werden mit detaillierten Informationen und speziell entwickelten schematischen Karten beschrieben. Am Schluss stehen eine mit der griechischen Seltenheitenkommission abgestimmte, kommentierte Artenliste, eine Liste zum Abhaken und weitere Listen (Schmetterlinge, Libellen, andere auffallende Insekten, ca. 80 Orchideenarten, Säugetiere, andere Wirbeltiere). Der Autor weiß auch mit der griechischen Sprache umzugehen, und so gibt es am Ende des Buches u. a. Verzeichnisse griechischer Vogel- und Ortsnamen. Ein regionaler Vogelführer, den man als umsichtig, informativ und universell empfehlen kann. Sowohl im Informationsgehalt wie in der Ausstattung gleichwertig mit dem Buch von Brooks. Die scheinbaren Preisunterschiede kommen durch unterschiedliche Quellen zustande.
H.-H. Bergmann


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2010
57. Jahrgang, September 2010, S. 357-363
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2010