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TOURTIP/952: Vorarlberger Rheindelta bei Bregenz am Bodensee (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2010

Vorarlberger Rheindelta bei Bregenz am Bodensee
Das Helgoland des Südens

Von Christian Wagner, Christopher König, Christoph Moning, Felix Weiß


Das Vorarlberger Rheindelta im Südosten des Bodensees ist eine beeindruckende Landschaft. Zwischen dem Alten Rhein an der Staatsgrenze Österreich/Schweiz und der Dornbirnerach sind rund 2000 ha abwechslungsreiche Kultur- und Naturlandschaft geschützt. Hier liegt ein herausragendes Brut- und Rastgebiet, in dem bisher über 330 Vogelarten beobachtet wurden. So ist es nicht verwunderlich, dass die Landschaft als Natura 2000-Gebiet gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie der EU sowie als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung nach der Ramsar-Konvention geschützt ist. Daneben ist das Rheindelta aber auch ein viel besuchtes Erholungsgebiet und wird landwirtschaftlich intensiv genutzt. Die Nutzung geht einher mit Entwässerungen und intensivem Hochwasserschutz. Auch intensive Freizeitnutzung findet im Gebiet statt. Daneben bietet die Mündung des Neuen Rheins mit den umfangreichen Sedimentablagerungen aber die für Mitteleuropa nahezu einmalige Chance, der Natur bei der Entwicklung neuer Lebensräume über die Schulter zu schauen.



Landschaftsgeschichte und Lebensräume

Zwei Eingriffe beeinflussten und beeinflussen noch immer die Landschaft im Rheindelta: Die Regulierung des Alpenrheins und die Eindeichung der Riedwiesen.

Der Alpenrhein ist der größte Wildfluss Mitteleuropas. Er schwemmt durchschnittlich etwa 2,5 Mio. Kubikmeter Feinsedimente pro Jahr in den Bodensee und verändert seine Mündungslandschaft ständig. Dadurch entstehen jährlich etwa zwei bis drei Hektar neue Landflächen. So sind allein im 20. Jahrhundert über 2 km² neues Land hinzugekommen. Seit über hundert Jahren darf der Rhein aber nur noch mit einem Bruchteil seiner ursprünglichen Gewalt in seinem natürlichen Lauf den Bodensee erreichen, die Hauptwassermenge wird als "Neuer Rhein" durch den Fußacher Durchstich in die Fußacher Bucht geleitet. Dies hatte und hat großräumige Veränderungen in der Verlandungsdynamik zur Folge. Die Fussacher Bucht wird durch Anlandungen vom Bodensee abgeschnitten. Um die Sedimentmassen in tiefere Bereiche zu leiten und die Verlandung im Uferbereich zu stoppen, werden die Dämme fast jedes Jahr ein Stück weiter in den See hinaus verlängert. Trotzdem wird der Bodensee eines Tages mehr oder weniger vollständig verlandet sein. Was die Wasserwirtschaft in hektische Betriebsamkeit stürzt, ist für die Natur ein Segen. Es entstehen Jahr für Jahr neue Flachwasserbereiche und kleine Inseln, die in wenigen Jahren bewachsen und ein reichhaltiges Lebensraummosaik bilden. Solch eine Landschaftsdynamik findet man außerhalb der Küsten nur noch selten in Mitteleuropa, sie ist ein wichtiger Grund für die große Artenvielfalt im Vorarlberger Rheindelta.

Seit der Eindeichung Ende der 1950er / Anfang der 1960er Jahre wird der Wasserstand in einem rund 250 ha großen Teilbereich des Schutzgebietes künstlich reguliert, wodurch sich Vegetation und Fauna stark verändert haben. Es fehlen die regelmäßigen Überschwemmungen, der Niedermoorkörper sackt, die Wiesen werden teilweise intensiv genutzt oder es wird sogar Ackerbau betrieben. Dies ist ein wahrscheinlicher Grund dafür, dass die Wiesenbrüter im Rheindelta stark abgenommen haben oder wie die Uferschnepfen verschwunden sind.

Neben den neuen Anlandungen und der Riedwiesen findet man im Vorarlberger Rheindelta auf über 100 ha Fläche vitale Schilffelder. Es sind die größten Schilfbestände Vorarlbergs. Nachdem das Schilf aufgrund des Hochwassers von 1999 stark zurückgegangen war, erholt es sich seitdem wieder, mit dem Ergebnis, dass die Zwergdommel in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Die größte Fläche im Vorarlberger Rheindelta nehmen aber die Flachwasserbereiche ein, die - je nach Wasserstand - teilweise trocken fallen. In diesem Zusammenhang sehr bemerkenswert ist, dass im Oberlauf des Rheins keine Stauwerke existieren, sodass der Wasserzufluss in den Bodensee nicht regulierbar ist. Hoch- und Niedrigwasser richten sich ganz nach den natürlichen Gegebenheiten wie Regen und Schneeschmelze.



Besondere Vogelarten und Reisezeit

Egal zu welcher Jahreszeit man das Vorarlberger Rheindelta besucht, man wird nicht enttäuscht werden. Neben der großen Möwen- und Seeschwalbenkolonie mit einzelnen Schwarzkopf- und Sturmmöwen, die im Frühjahr voller Leben ist, sollte man zu dieser Zeit auf Schilfbrüter wie Zwergdommeln, Rohrschwirle und Drosselrohrsänger achten. Der Frühjahrs- und Herbstzug der Seeschwalben (Weißbart-Seeschwalben regelmäßig) und vor allem Limikolen (regelmäßig 15 Limikolenarten, sofern der Wasserstand nicht zu hoch ist) ist herausragend. Zehntausende von Enten mausern, rasten und überwintern im Rheindelta. Sing- und Zwergschwäne kommen aus Brandenburg an den milden Bodensee, um hier die kalte Jahreszeit zu verbringen. Große Brachvögel überwintern im Rheindelta mit bis zu 600 Individuen; einer der größten mitteleuropäischen Winterschlafplätze im Binnenland. Regelmäßig verschnaufen auch nordamerikanische, asiatische und südeuropäische Irrgäste im Rheindelta. Pfingsten ist für Seltenheiten der beste Zeitraum.



Beobachtungsmöglichkeiten

Die B202 führt von Bregenz nach Höchst, das an der Grenze zur Schweiz liegt und verbindet die Beobachtungsgebiete miteinander.

Die Schleienlöcher erreicht man, wenn man direkt östlich der Brücke über den Neuen Rhein von der B202 nach rechts abbiegt. Man folgt deer dammparallelen Straße zirka 1,1 km und erreicht den Parkplatz bei der Gaststätte "Fischerheim". Vom Parkplatz geht man auf den Damm. Rechterhand liegt das Schleienloch mit ausgedehnten Schilffeldern, die im Mai hervorragende Möglichkeiten zur Beobachtung von Zwergdommeln, Rohrschwirlen und Drosselrohrsängern bieten. In der großen Lachmöwenkolonie brüten viele Haubentaucher und lassen sich ins Nest schauen. Die Lagune kann umrundet werden. Auf dem Hauptdamm in den See hinausgehend, erreicht man Schlickflächen. Diese sind in den letzten Jahren immer interessanter geworden. Leider muss man zu den spannendsten Flächen bis zu 4 km auf den Bodensee hinausgehen.

Nicht fehlen sollte ein Besuch des Sanddeltas. Es ist meist die erste Anlaufstelle für die Beobachtung von Seltenheiten. Das Sanddelta erreicht man, indem man nicht vor, sondern nach der Brücke über den Neuen Rhein nach Norden abbiegt und 1,6 km bis zu einer Schranke nach Norden fährt. Auch hier geht man auf dem Damm weiter. In der Lagune, die man nach einiger Zeit linkerhand erreicht, befindet sich die große Flussseeschwalben- und Lachmöwenkolonie. In dem Schilfflächen der Lagune kommt die Zwergdommel vor. Für die besten Limikolen- und Möwenplätze muss man den Rheindamm bis zum Ende folgen. Hin- und Rückweg summieren sich so zu einem sehr ausgedehnten Spaziergang von rund 7 km. Am Yachthafen vorbei hat man einen guten Überblick über die Fussacher Bucht - Seeschwalben lassen sich von hier recht gut beobachten.

Der Rohrspitz ist Ausgangspunkt für eine Exkursion in die Riedwiesen. Die kleine Straße zum Rohrspitz zweigt in Höchst von der B202 ab. Die Zufahrt ist ausgeschildert. Parken kann man im Bereich des Seerestaurants "Glashaus" und des Campingplatzes "Salzmann Rohrspitz". Direkt am Restaurant entsteht bei niedrigem Wasserstand eine interessante Sandinsel, die unter anderem Limikolen Rastmöglichkeiten bietet. Im Winterhalbjahr schwimmen hier auch Sing- und einzelne Zwergschwäne. Wenn man auf dem Damm nach rechts (Osten) geht, umrundet man am Campingplatz vorbei die Fussacher Bucht. Rechterhand liegen dann die Riedwiesen. Auf dem Rückweg führt ein Abstecher kurz vor dem großen Pumpwerk nach rechts in die Wiesen. Dort brüten Braun- und Schwarzkehlchen. Der Weg auf den Rohrspitz ist vor allem im Frühjahr lohnend.



Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Wer am Bodensee Urlaub macht, findet um den Bodensee herum weitere lohnende Beobachtungsgebiete. Im Uhrzeigersinn sind dies: Die Seetaucherstrecke am Schweizer Bodenseeufer, die entsprechend ihrem Namen hervorragend zur Beobachtung von Pracht- und anderen Seetauchern geeignet ist. Im Winterhalbjahr sollte man von Uttwil, Kesswil und Güttingen fast immer gute Entdeckungen machen können. Dabei darf es aber nicht zu windig (Wellengang) oder trüb sein. Bei Konstanz wurde am Ufer des Bodensee-Untersees mit dem Wollmatinger Ried ein herausragender Uferabschnitt geschützt. Das Gebiet ist nur im Rahmen von Führungen zugänglich (s. u.), auf eigene Faust kann man vom Beobachtungsturm in der Burgruine Schopflen auf dem Reichenaudamm die Flachwasserzonen der Hegnebucht und des Wollmatinger Rieds einsehen (Spektiv!). Das Eriskircher Ried südlich von Friedrichshafen ist vor allem wegen der Irisblüte (Iris sibirica) im Mai/Juni bekannt. Die davor liegenden geschützten Flachwasserzonen sind dann im Winter interessanter. Ein Abstecher ins Gebirge ist vor allem ab Mai lohnend. Eine Wanderung über die Öberlealmen auf die Kanisfluh (die Spitze nennt sich Holenke) belohnt mit vielen Alpenarten. Juwelen der alpinen Höhen sind Steinrötel, die in den Südhängen über dem Alpengasthof Edelweiß zwei bis drei Reviere haben und sogar von der Terrasse (dann aber weit entfernt) beobachtet werden können. Der Alpengasthof hat in der Regel ab Pfingsten geöffnet. Dann ist auch eine gute Zeit für die Tour.


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Infomaterial/Literatur:

Moning, C. & C. Wagner (2005): Vögel beobachten in Süddeutschland -
Die besten Beobachtungsgebiete zwischen Mosel und Watzmann. -
Franckh-Kosmos-Verlag GmbH & Co. KG, Stuttgart.

www.rheindelta.com ist die Internetseite zum Vorarlberger Rheindelta mit Gebietsübersicht und kommentierter Artenliste. Mit vielen weiteren Informationen gibt sie den umfangreichen Wissensstand zu dem Gebiet wider.



Anfahrt

Mit Bahn und Bus:
Ein großer Bahnhof liegt in Bregenz, zirka 8,5 km vom Startpunkt zum Sanddelta entfernt. Der nächste Bahnhof ist der Gemeinschaftsbahnhof Hard/Fussach. Von dort sind es knapp 4 km bis zum Parkplatz und damit fast Wanderentfernung.

Mit dem Auto:
Bregenz befindet sich 9 km südöstlich von Lindau in Österreich. Wer von Deutschland aus anfährt, muss beachten, dass in Österreich auf den Autobahnen Vignettenpflicht herrscht. Wer kein Geld für die Straßenbenutzung ausgeben will, kann auf der B202 durch das Zentrum der Stadt Bregenz hindurch das Gebiet erreichen. Da in Bregenz oftmals viel Verkehr herrscht, steht man vor allem während der Stoßzeiten oft im Stau.



Adressen

NABU Naturschutzzentrum Wollmatinger Ried, Kindlebildstraße 87,
78479 Reichenau, Tel.: 07531-78870, E-Mail: nabu.wollried@t-online.de,
www.nabu-wollmatingerried.de. Anmeldung für Gruppenführungen.

Naturschutzzentrum Eriskirch, Bahnhofstr. 24, 88097 Eriskirch,
Tel.: 07541-81888, E-Mail: info@naz-eriskirch.de,


Öffnungszeiten der Ausstellung:
- 1. April bis 30. September:
  Dienstag-Sonntag und Feiertage 14-17 Uhr,
  Freitag zusätzlich 9-12 Uhr;
- 1. Oktober bis 31. März:
  Dienstag-Donnerstag 14-16 Uhr, Freitag 9-12 Uhr,
  Sonntag und Feiertage 14-17 Uhr.

Beobachtungsmeldungen an:
Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee, Beyerlestraße 22,
78464 Konstanz, Tel.: 07531-65633, E-Mail: info@bodensee-ornis.de.
Die Internetseite der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft www.bodensee-ornis.de ist sehr informativ und eignet sich zur Vorbereitung auf eine Bodenseereise. Die zum Herunterladen bereitgestellten OAB-Rundbriefe geben einen guten Überblick über das jahreszeitliche Auftreten aller Vogelarten im Bodenseeraum und eine kommentierte Artenliste gibt umfassend Auskunft über das jahreszeitliche Auftreten und die Häufigkeit der vorkommenden Arten.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2010
57. Jahrgang, Januar 2010, S. 5-8
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2010