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TOURTIP/1021: Bionik zum Anfassen - Das Zukunftszentrum in Nieklitz (Unser Wald)


Unser Wald - 3. Ausgabe, Mai/Juni 2013
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Bionik zum Anfassen

von Berndt Heydemann und Hans-Dieter Reinke



Wer sich mehr mit der Bionik beschäftigt, muss leider oft feststellen, dass die Erklärungen häufig das Vorstellungsvermögen übersteigen. Das Zukunftszentrum in Nieklitz ist dann genau die richtige Adresse. Hier werden viele Phänomene der Bionik anschaulich präsentiert und vorgestellt. Eine interessante Adresse für einen Ausflug oder einen Umweg zum Ferienziel!


Vom Jahre 1998 an hat die "Nieklitzer Ökologie und Ökotechnologie-Stiftung (NICOL)" in Nieklitz (Landkreis Ludwigslust-Parchim) den neuartigen Wissenschafts-, Ausstellungs- und Bildungspark "Zukunftszentrum Mensch - Natur - Technik - Wissenschaft (ZMTW)" entwickelt.

Auf gut 185.000 m² Fläche wurden aus ehemaligen Natur- und Kulturflächen über 20 verschiedene Biotoptypen entwickelt, die zeigen, wie die Natur das Leben mit immer neuen Ideen und Inspirationen zu optimieren versucht: Optimieren in Punkto "leichter werden", "schneller laufen", "besser klettern". Die Informationen sind dabei so gestaltet, dass man viel erfährt, aber auch gleichzeitig intensiv erlebt, wie die Natur sich verhält und wie sie ästhetisch sein kann. Mit attraktiven Modell-Großfotos und dreidimensionalen Modellen wird den Besuchern auf 3,7 km langen Wegen zwischen Gewässern hindurch, an blütenreichen Staudenanlagen, in Gehölz- und Waldpflanzungen oder an den typischen Pflanzen des Waldes gezeigt, wie Tiere und Pflanzen zusammen leben, oder wie der Baum mit welcher Art von Windresistenz gegenüber einem orkanartigen Sturm stabil bleibt.

Im Freiland in 17 kleinen Informations-Ständen und drei Ausstellungshäusern wird nicht nur der in der Bionik bekannte Lotus-Effekt der Wasserabweisung von Pflanzen - verbunden mit dem Effekt der Reinigung der Blätter gezeigt, sondern auch die Leichtbautechnik der Schmetterlingsflügel oder die Lüftungstechnik bei den 5 bis 7 m großen Termitenbauten der afrikanischen Savanne dargestellt. Man lernt, dass Insektenflügel extreme Leichtbaukonstruktionen mit Membranen von 1/200 mm Dicke sind und dass die fast unsichtbaren Seidenfäden der Spinnen und der Schmetterlingskokons viel haltbarer sind als alle unsere Kunststoffe. Besonders die Architektur und Solartechnik der Wunderkonstruktion "Baum" fasziniert die Besucher des ZMTW sehr. Wie schafft es eine 25 m hohe Buche in 60 Jahren, ihre 220.000 Blätter von jeweils 200 mg Gewicht so anzuordnen, dass dabei der größte Aufnahmeeffekt für die Solarenergie zustande kommt, sodass dann schließlich am Ende des Jahres von 50 kg Blattmasse 35 kg Holz entwickelt werden. Wie können die Eichen 500 Jahre alt werden, obwohl sie 500 pflanzenverzehrende Insekten-Arten von ihren Blättern abwehren müssen? Und wie schafft es der Holunder, nur von 24 Arten der insgesamt 2.000 pflanzenverzehrenden Insekten-Arten als Nahrung aufgenommen zu werden? Welche chemischen Abwehrsysteme stehen den Pflanzen zur Verfügung? Der Besucher erfährt an Längs- und Querschnitten des Stammes über die Art des Baumwachstums und wie er es schafft, trotz Stürme eine Krone aufzubauen, die im Gleichgewicht bleibt. Wie kann die Automobilbautechnik im Karosseriebau von der Konstruktion einer Buche lernen, um die Stabilität zu optimieren und Gewicht einzusparen? Professor Claus Mattheck von der Universität Karlsruhe entwickelte nach Wachstumsprinzipien der Bäume Computerprogramme und Optimierungsmöglichkeiten. Damit wurde die Verarbeitung der technischen Baustoffe und Materialien im Automobilbereich verbessert.

Die Visualisierung des Gesagten lässt sich im ZMTW mit den 3-D-Modellen und Bildern viel besser verstehen. Darum geht es in dem hier in Nieklitz in einmaliger Form entwickelten Modellbau, der seinesgleichen in Europa sucht. Den Einblick in die unterirdische Welt des Waldes im Boden- und Wurzelbereich gewährt ein 40 m langer Wurzeltunnel. Er zeigt nicht nur die geologische Schichtung des Bodens von der letzten bis zur vorletzten Eiszeit, sondern zeigt auch die unterirdische Lebenswelt des Waldbodens in Großmodellen. Außerdem kann die Wurzelarchitektur von 60 bis 80 Jahre alten Waldbäumen im Tunnel von unten betrachten werden. In einem zweiten unterirdischen System sieht man hinter Panzerglas, wie die Wurzeln mit Pilzen zusammen in Symbiose leben und dabei Wurzelknöllchen bilden, um schneller Nährstoffe in das System Baum einbringen zu können. In einem großen Modell erfährt man auch, wie die Wurzeln mit welchen Sensorsystemen im Erdboden wissen können, in welcher Richtung sie das Wachstum ausrichten müssen. In den beiden Hauptausstellungshäusern werden neben der Bionik und den Naturvorbildern auch weitere Themen wie "Design und Ästhetik", "Sensortechnik'X "Architektur", "Gesundheit und Ökologie" und "Gesundheitsvorsorge (Präventionsbiologie)" vorgestellt. Letzten Endes geht es an vielen Stellen auch darum, wie man von den technischen Anwendungen der Natur einen Teil für die Weiterverwendung in der menschlichen Technik übernehmen kann. Im ZMTW kann man wieder dazu kommen, die Natur zu bewundern.

Das Konzept für alles - unter der Leitung von Professor Dr. Heydemann - hat den Deutschen Umweltpreis 2005 erhalten, der zugleich auch der größte europäische Umweltpreis ist. Die NICOL-Stiftung ist dabei, in Schleswig-Holstein mehrere Standorte mit den Materialien für das "Lernen von der Natur" und auch ganz anderen Themen auszustatten, etwa der "Bio-Energetik" und der "Bio-Klimatik". Dieser neue Wissenschaftspark mit mehreren Standorten in Schleswig-Holstein wird "BIO-INFORMENTA" genannt. Die NICOL-Stiftung will dann in Schleswig-Holstein auch mit dem Naturerlebniswald Trappenkamp zusammenarbeiten, in dem auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ein Waldpädagogikzentrum unterhält. Dabei sollen große Modellfoto-Ausstellungen und Modelle gezeigt werden, in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Leiter, Forstdirektor Mense. Wenn diese Zusammenarbeit möglichst schnell zustande kommt, will auch die NICOL-Stiftung einen Teil der Modelle, die dort ausgestellt werden sollen, dem Erlebnispark Trappenkamp schenken und so den Standort verbessern helfen.


Autoren
Prof. Dr. Dr. h. c. Berndt Heydemann ist Gründer der NICOL-Stiftung,
Hans-Dieter Reinke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im ZMTW;
E-Mail: info@zmtw.de


Das "Zukunftszentrum Mensch - Natur - Technik - Wissenschaft (ZMTW)" in 19258 Nieklitz/Krs. Ludwigslust-Parchim, Kogeler Str. ist von Mai bis 15.Oktober 2013 von 9.30 bis 18.00 Uhr täglich geöffnet (Einlass bis 17.00 Uhr).

Sie erreichen das ZMTW über die Autobahn A24 (Hamburg-Berlin) Abfahrt Zarrentin/Boizenburg, folgen dann der B 195 in Richtung Boizenburg und fahren über Gallin bis zum Ort Greven, biegen links Richtung Kogel ab und erreichen (nach 8 km) nach dem Passieren der Orte Granzin und Sternsruh linker Hand das ZMTW (Ausschilderung ZMTW).


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- 20 m-Modell eines Tausendfüßers
- Der Eingangsbereich der Ausstellung
- Modelle von Baum-Blättern mit dem Haupt- und Neben-Adersystemen.

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
3. Ausgabe, Mai/Juni 2013, S. 12 - 13
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2013