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METROPOL/012: London - Auf den Spuren des Echos (SB)


Auf den Spuren des Echos


Ja - das bin ich. Und nein, die Wand mir gegenüber ist nicht weiß. Denn ich wohne jetzt in der großen Stadt.
Hier sind die Gänge eng, die Wände gelblich und die Decken niedrig. Ganz original!
Zu etwa dieser oder ähnlicher Gedankenqualität bin ich tatsächlich schon gelangt. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, daß mindestens jeder zweite zugezogene Wahl-Großstädter genau weiß, wovon ich spreche - nicht nur - aber besonders, wenn es sich um London handelt. Denn diese Stadt, in die man geht - gegangen ist - erzählt; erzählt Geschichten. Von Spuren handeln diese Geschichten und davon, wie diese Spuren entstanden. Sie handeln von Aufbau und Zerfall: Elektrisch. Spuren sind magisch, scheinen sie doch weise und verboten zugleich zu sein. Sind sie weise? Ich weiß es nicht, in jedem Fall jedoch nehmen sie einen mit auf die Reise und wissen Dinge, die Du nicht weißt.

Davon, diese Reise anzutreten, ist man jedoch noch weit entfernt, denn die leisen Töne - welche Spuren so zu eigen haben - werden überlagert, ja nahezu zum Verstummen gebracht von zwei Stimmen. Laute, energische Stimmen sind das, die entschieden aneinander vorbei reden.
Während die eine einem naiven Mantra gleich die Bestandteile der Wandfarbe und ihre Geschichte rezitiert, gibt die andere das Echo der Gegenwart wieder, welches von den Wänden hallt.
Keine Worte sind es, die das Echo wiedergibt, es ist viel mehr das erdrückende Ersticken, das aus der Einsamkeit der Masse erwächst. Da sitze ich also, ich laufe, ich stehe - begleitet und bestimmt von der Blase, die hieraus entstand. Sie kam in Windeseile, im selben Moment, in dem ich London erreichte. Ihre Schale ist aus Schweigen, Flucht und einer dumpfen Wand gefertigt. Ihr Kern derweil ruft "Fremde" ins Innere und bekommt selbiges Echo von den Wänden zurückgeworfen.
So laufe ich durch die Stadt und zugleich immer wieder gegen die Wände um mich herum. Betäubt vom Schmerz des Aufpralls und dem Echo, das sich auf meine Ohren legt und nicht entfliehen kann, gehe ich durch ihre kleinen und großen Straßen, durch ihre vollen und leeren Gänge. Sehe jedoch nichts, als mein Spiegelbild in der Blase. Dieses Bild spricht nur von zweierlei: 'ich wünsche mir' und 'ich habe Angst'. Ich hasse London.

Es gibt bei dem, was dann folgte, kein Davor und kein Danach, kein Einmal oder Mehrmals. Es geschieht:
Ich berührte ihn - diesen Menschen - sprach und 'griff' ihn dadurch an. Dort, in diesem Moment, ertasteten meine Füße wieder Boden. Es war ein seltsam vertrauter Boden, denn in allem - Konsistenz und Muster und Geruch - glich er dem, was ich kannte. Es schien nur aus der Ferne, daß die Farben dieses Bodens andere seien. Doch auch das stellte sich nun als reine Reflexion der Angst heraus, er war wie immer dunkelblau und grau.
Meine Farben. Denn ich war bei mir angekommen, nicht hervorgerufen durch die Berührung. Nein, es verhielt sich schon immer genau anders herum. Ich hatte es vergessen und ich werde es vergessen. Aber dieser Moment, in dem ich mich erinnere, der gehört mir. Er gehört mir und den Geschichten. Denn jetzt kann ich ihnen folgen, den Spuren der Stadt, die mich mit auf die Reise nehmen.
















Ich grüße aus der dunklen Stadt
BB


12. August 2010