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BERICHT/101: Damals in Laos - Fahrten in befreite Gebiete 1968-1970 - 3. Teil (Irene und Gerhard Feldbauer)


Damals in Laos
Erinnerungen an unsere Fahrten in die befreiten Gebiete von Laos (1968-1970)

Teil 3: In der Ebene der Tonkrüge [1]

von Irene und Gerhard Feldbauer, Mai 2020




Foto: User Aepplertrinker at q373 shared / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Die größte "Ebene der Tonkrüge" in der Hochebene der Provinz Xieng Khouang in Laos -
hier haben sich im Krieg die Pathet Lao verschanzt
Foto: User Aepplertrinker at q373 shared / CC BY-SA
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons


Die Bedeutung von Laos als "zweiter Front" gegen die Demokratische Republik Vietnam (DRV) zeigte sich besonders in der im Winter/Frühjahr 1968/69 in der Ebene der Tonkrüge durchgeführten Operation "Kou Kiet" (rettet die Ehre). Den Namen hatten die USA-Militärs ausgewählt, um die durch zahlreiche vorangegangene Niederlagen demoralisierten Vientianer Söldnerverbände zu erhöhten Kampfanstrengungen anzustacheln.

Die auf dem nordostlaotischen Hochplateau liegende Ebene war von entscheidender strategischer Bedeutung. Wer sie besetzt hatte, beherrschte faktisch den gesamten Norden von Laos, bedrohte die Hauptoperationsbasis der Laotischen Befreiungsfront Neo Lao Haksat (NLH) in Sam Neua und die Westgrenze Nordvietnams. Die Befreiungsfront sollte durch "Kou Kiet" zur Aufgabe ihres Kampfes gezwungen, der US-amerikanische Einfluss auf ganz Laos ausgedehnt und die DRV unter Druck gesetzt werden, um sie Washingtons Bedingungen für eine "Vietnamregelung" gefügig zu machen. Das hätte, so die Spekulationen der Pentagongeneräle, schließlich die FNL in Südvietnam isoliert und den Weg zu ihrer Zerschlagung frei gemacht. Letztlich wäre eine Veränderung des Kräfteverhältnisses in Laos zugunsten der USA eine eindeutige Warnung an das damals neutrale Kambodscha gewesen, seine kritische Haltung gegenüber Washingtons Interventionspolitik aufzugeben.

Die Operation begann im Juli 1967 mit Luftangriffen gegen die Provinz Xieng Khouang. Während der Bodenkämpfe flogen amerikanische Jagdbomber von ihren Stützpunkten in Thailand und den Flugzeugträgern im Golf von Tongking täglich Hunderte Einsätze. Insgesamt starteten sie im Verlaufe der Operation über 50.000mal zu Angriffen gegen die Pathet Lao-Gebiete. Am 20. August begann dann unter Führung amerikanischer Militärs die Bodenoperation der regulären Vientianer Truppen, die in motorisierten Kolonnen auf der Straße Nr. sieben vordrangen, während gleichzeitig eine Hubschrauberflotte Einheiten in den schwer zugänglichen Abschnitten der Tonkrugebene absetzte. Auf dem Höhepunkt der Schlacht waren an den erbitterten Kämpfen 50 reguläre laotische Bataillone in Stärke von zirka 30.000 Mann beteiligt, die durch 5.000 thailändische Söldner verstärkt wurden.


Fotos: © by Irene Feldbauer Fotos: © by Irene Feldbauer

Die Pathet-Lao-Streitkräfte in der Ebene der Tonkrüge - ein Kommandeur mit einem Schützenpanzerwagen auf Erkundung (links), eine Einheit auf dem Vormarsch (rechts)
Fotos: © by Irene Feldbauer

Gleichzeitig mit dem Angriff lösten Special Force-Kommandos Vang Paos im Hinterland der Pathet Lao, darunter in Sam Neua, eine ganze Serie von Angriffen und Sabotageoperationen aus. Sie drangen bis in die Nähe der Zentrale der NLH vor, wo über 100 Angehörige solcher Kommandos außer Gefecht gesetzt wurden. 30 Kilometer westlich von Sam Neua schlugen Pathet Lao-Einheiten den Angriff von zwei Special Forces-Bataillonen auf die von ihnen besetzten Phat-Thi-Höhen zurück. Mit Beginn ihrer Operation starteten die US-Militärs des weiteren in Süd-Laos Angriffe gegen die befreiten Gebiete, um eine Kräfteumgruppierung der Pathet Lao zugunsten der Nordfront zu verhindern. Durch ihre zunächst zahlenmäßige und materielle, vor allem aber ihre Luftüberlegenheit gelang es den Angreifern, die wichtigsten Positionen in der Ebene der Tonkrüge einschließlich der Provinzhauptstadt Xieng Khouang zu besetzen. Für die NLH entstand eine äußerst bedrohliche Situation. Ihre Truppen mussten sich zurückziehen. Die blutigen Kämpfe zogen sich fast sechs Monate hin.

Je mehr sich das Scheitern der amerikanischen Offensive abzeichnete, um so grausamer wurde der Luftterror. An manchen Tagen griffen 600 bis 700 Maschinen die Pathet Lao-Stellungen und immer wieder Wohnstätten an. Dem Luftterror fielen ganze Ortschaften, tausende Häuser, 116 Schulen, 15 Krankenhäuser, 336 Pagoden zum Opfer; tausende Zivilisten, meist Frauen und Kinder, fanden den Tod. Rund 37.000 Büffel, 33.000 Schweine und 1.800 Pferde wurden getötet, 4.400 Tonnen Reis verbrannt. Aus den zeitweilig besetzten Gebieten wurden über 20.000 Menschen vertrieben und in Konzentrationslager gesperrt, wo Tausende verhungerten.

Als sich die Niederlage immer deutlicher abzeichnete, versuchten es die USA mit einem Trick. Sie ließen durch ihre Marionettenregierung in Vientiane die militärische Neutralisierung der Ebene der Tonkrüge vorschlagen. Die NLH wies das plumpe Manöver zurück und stellte klar, dass sich das Hochplateau seit 1961 in den Händen der Streitkräfte der Pathet Lao befand und gemäß den Verträgen von 1962 von ihr verwaltet wurde. Der Einfall der Vientianer Truppen stellte einen eklatanten Bruch der von den US-Statthaltern unterzeichneten Verträge dar. Die NLH forderte den unverzüglichen und vollständigen Abzug der widerrechtlich eingefallenen proamerikanischen Truppen.

Als die USA und ihre laotischen Handlanger dieser Aufforderung nicht nachkamen, gingen die Verbände der Pathet Lao, in deren Reihen vietnamesische Freiwillige kämpften, am 10. Februar 1969 zur Gegenoffensive über. Für den Sturm auf die feindlichen Stellungen zog das Oberkommando starke Artilleriekräfte zusammen, moderne Rohrflaksysteme sowjetischer Bauart übernahmen die Luftsicherung der vorrückenden Truppenteile. Zu ihrer Unterstützung griffen Partisanen die Nachschubverbindungen des Gegners an. Dessen Stellungen konnten bald nur noch aus der Luft versorgt werden und glichen immer mehr eingeschlossenen Festungen.

In zweiwöchigen schweren Kämpfen nahmen die Pathet Lao-Verbände 20 Stützpunkte und Stellungen des Gegners ein und vertrieben ihn aus der gesamten Hochebene. Fast 6.000 Vientianer Söldner, größtenteils der Special Forces, wurden getötet, verwundet oder gefangen genommen; 42 Flugzeuge abgeschossen, große Mengen Kriegsmaterial, darunter über 100 Panzer und Schützenpanzerwagen sowie schwere Geschütze vernichtet oder erbeutet. Über 1.000 laotische Söldner, die meisten aus der "Geheimarmee" Vang Paos, die auch die schwersten Verluste erlitt, liefen zur Pathet Lao über.


Foto: Danielloh79 / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Die Ebene der Tonkrüge - UNESCO-Welterbe seit 2019 - in der von der US-Luftwaffe in den 1960er und 1970er Jahren massiv bombardierten Provinz Xieng Khouang
Foto: Danielloh79 / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons


Begegnungen im Freien Laos

Zu den bewegendsten Erlebnissen unserer Reisen in die befreiten Gebiete gehörten die Begegnungen mit den Menschen. Trotz unterschiedlicher sozialer Herkunft fanden sie sich im Kampf gegen die Fremdherrschaft für ein unabhängiges Laos zusammen. Wie in Vietnam spürten wir auch bei ihnen diesen unbändigen Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit, der vor allem in dem Jahrhundert der kolonialen Unterdrückung geboren wurde.

Simphon war Kommandeur einer Partisanenabteilung, die während der Schlacht in der Ebene der Tonkrüge im Hinterland des Feindes operiert und seine Nachschublinien unterbrochen hatte. Er war ein Mann von großer, kräftiger Bauerngestalt, den man sich gut hinter dem Pflug vorstellen konnte. In seinem wettergebräunten Gesicht blitzten die Augen. Mit seinen breiten Händen unterstrich er seine Worte, als formte er sie, fest und überzeugend. So erzählte er uns auch von seinem Leben, seinem Weg zur Revolution, wie er schlicht sagte.

Den Weg in die Reihen der Kämpfer hatte er schon im Elternhaus gefunden, wo Vater und Mutter in der antikolonialen Bewegung standen. Bereits als Knabe leistete er Kurierdienste. 1953 ging er zu den Partisanen, die in Sam Neua die Nachschubwege der französischen Kolonialtruppen nach Dien Bien Phu unterbrachen und zum Sieg der vietnamesischen Volksarmee beitrugen, der die Franzosen zum Abzug aus Indochina zwang. Doch folgten ihnen sogleich die Amerikaner. Wo ihre Söldner nicht Fuß fassen konnten, terrorisierten Banditenkommandos die Bevölkerung. Dann kam der Luftterror mit den unzähligen Toten unter der Bevölkerung. "Sie glauben, uns in die Knie zwingen zu können. Aber mit ihren Verbrechen schüren sie nur unseren Hass. Wir wollen endlich frei sein, so leben wie wir es wollen. Wir werden nicht eher ruhen, bis dieses Ziel erreicht ist und die Amerikaner aus Laos abgezogen sind", sagte er uns zum Abschied.


Graphik: Don-kun, NordNordWest / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Verlauf des Ersten Indochinakriegs von 1946 bis 1954
Graphik: Don-kun, NordNordWest / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Als Simphon schon mit der Waffe kämpfte, stand Choun noch auf der anderen Seite. Der Sohn wohlhabender Bürger aus Vientiane besuchte das französische Gymnasium und machte ein ausgezeichnetes Abitur. Die rechten Generale schickten ihn auf die Offiziersschule nach Paris. Die Ausbildungszeit fiel in die turbulenten Jahre nach den Genfer Laos-Abkommen von 1962, als die USA die Rechtskräfte in Vientiane ermunterten, das Abkommen zu brechen, die Koalitionsregierung stürzten und die Rechtsgeneräle zum Angriff auf die Gebiete der Pathet Lao aufhetzten.

Unter den laotischen Offiziersanwärtern kam es zu hitzigen Diskussionen über den Weg des Heimatlandes und die Rolle der USA in Indochina. Chouns Zweifel aus der Gymnasialzeit vertieften sich. Je mehr er sich mit der Außenpolitik der USA befasste, umso klarer sah er die Weltgendarmenrolle des Dollarimperialismus. Als man an der Offiziersschule nach Abschluss des Dreijahreslehrganges zum feierlichen Appell antrat, fehlte in der laotischen Sektion ein Mann: Der künftige Unterleutnant Choun hatte am Vorabend Frankreichs Hauptstadt verlassen. Über Genf, Prag, Moskau, Peking und Hanoi begab er sich nach Sam Neua und stellte sich der NLH zur Verfügung. Als wir ihn in Sam Neua kennen lernten, hatte er bereits an zahlreichen Gefechten teilgenommen.


Fotos: © by Irene Feldbauer Fotos: © by Irene Feldbauer

Das Leben der Pathet Lao in den Höhlen - hier ein Höhleneingang (links) und eine Ärztin mit zwei Krankenschwestern (rechts)
Fotos: © by Irene Feldbauer

Dr. Ponmeck hatte in Paris seit 1957 Medizin studiert. Die Politik hatte den Kaufmannssohn aus der alten Königsresidenz Luang Prabang nie interessiert. Arzt wollte er werden, den Menschen helfen. Doch das Schicksal seiner mit blutigem Bürgerkrieg überzogenen Heimat zwang ihn zur Entscheidung. Noch schob er sie auf und machte 1963 seinen Facharzt als Chirurg. Dann begann der amerikanische Luftterror. Die Weltöffentlichkeit empörte sich. Selbst die in der NATO mit den USA verbundene französische Regierung forderte, die Luftangriffe einzustellen. Die Familie Ponmeck - der Arzt hatte in Frankreich eine Laotin geheiratet, die drei Kinder zur Welt brachte - verließ die schöne Pariser Wohnung, das angenehme Leben, die glänzende Karriere und begab sich nach Sam Neua in ein vom Krieg heim gesuchtes Land, in ein Leben voller Entbehrungen, in dem täglich der Tod drohte.

Die Gesundheitsabteilung der NLH betraute Dr. Ponmeck mit dem Aufbau des Provinzkrankenhauses und nach der Eröffnung Anfang 1969 mit der chefärztlichen Leitung. Das in einer Felsenhöhle untergebrachte Krankenhaus umfasste eine Bettenstation für 50 Patienten, eine Chirurgie, eine Innere Abteilung, eine Gynäkologie und Radiologie sowie alle erforderlichen Laboratorien. "Ich habe nicht bereut, hierher gegangen zu sein", sagte uns der Mediziner, als wir sein Krankenhaus besuchten. "Unter der US-Herrschaft in Vientiane stehen die wenigen Krankenhäuser nur den Reichen offen. Hier aber kann ich für mein Land und zum Wohle aller Menschen wirken."


Fotos: © by Irene Feldbauer Fotos: © by Irene Feldbauer

Medizinische Versorgung in einer Höhle - hier ein Röntgengerät im Einsatz (links) und eine Bettenstation (rechts)
Fotos: © by Irene Feldbauer


Anmerkung

[1] In der Reihe "Damals in Laos - Fahrten in befreite Gebiete 1968-1970" sind erschienen bzw. folgen weitere Berichtteile des Journalistenteams Irene und Gerhard Feldbauer:
Teil 1: In den Höhlen von Sam Neua
Teil 2: USA brachen auch Laos-Abkommen
Teil 4: In den Bergen der Meo

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Quelle:
© 2020 by Irene und Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autorenteams


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2020

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