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MÄRCHENKOCH - AUFLAUF/001: Süßer Hirsebrei (SB)


DIE SCHLUNZLIESE


In einem großen Schloß lebte einmal eine arme Küchenmagd. Sie schleppte des Morgens Holz und Wasser herbei, fachte im Herd das Feuer an, putzte das Gemüse, kehrte die Asche zusammen und tat alle Arbeiten, die der Köchin zu schlecht waren.

Aber weil sie so zart und schön war wie eine Prinzessin, war im Herzen der stämmigen Köchin sogleich der Neid entbrannt, und sie schalt mit ihr und stieß sie herum, wo sie nur konnte. Auch mußte das Mädchen, dessen Name Elisabeth war, sich das Gesicht und das schimmernde Haar mit Schmalz und Asche einreiben, so daß sie von jedermann nur noch die Schlunzliese genannt wurde.

Der König, der in dem Schloß wohnte, hatte einen Kammerdiener, der bei der Köchin recht wohlgelitten war. Wenn er in der Küche erschien, schob sie ihm so manches Mal ein Stück Braten oder einen Teller warme Suppe hin. Dann stand er großspurig da und hänselte Liese, warf ihr gar vor, daß sie so schmutzig und verwahrlost aussah, daß es jedem den Appetit verschlug.


*


Einmal ertappte der Kammerdiener Liese dabei, wie sie eine kleine Fliege auf ihrem Finger trockenblies, die in einem großen Topf mit dem Ertrinken gekämpft hatte. "Damit schlägst du also deine Zeit tot, Schlunzliese", höhnte er, "gibst dich mit Ungeziefer ab, statt zu arbeiten, du nichtsnutziges Stück."

Um seinen Schmähungen zu entfliehen, nahm Liese geschwind den Kübel mit den Abfällen aus der Küche und rannte hinaus über den Hof. Da kam eine Schar schwarzer Krähen mit lautem Gekrächze aus den Bäumen herabgestürzt und wartete darauf, daß Liese den Eimer ausschütten würde, denn sie waren sehr hungrig. Der Kammerdiener aber rief ihr nach: "Nun bist du unter deinesgleichen, du elendes, erbärmliches Ding!"

Er nahm die Schrotflinte von der Wand und Lieschen konnte gerade noch in den Kuhstall fliehen, da schoß er auf die Krähen, die in wildem Aufruhr davonstoben. Nur eine einzige lag am Boden und war von einer Schrotkugel am Flügel verletzt. Als der Kammerdiener fort war, kam Liese aus dem Stall hervor, nahm den Vogel vorsichtig auf, bereitete ihm in einer Kiste ein Lager aus Stroh, trug ihn in ihre kleine Kammer und pflegte ihn gesund.


*


Nicht weit von des Königs Schloß gab es einen finsteren Wald, den eine böse Hexe verwünscht hatte. Wer in diesen Wald geriet, fand von selbst nicht mehr heraus und mußte der Hexe dienen bis an sein Lebensende.

Eines Tages begab es sich, daß der Sohn des Königs von der Jagd nicht wieder heimgekehrte. Der König lief in großer Sorge umher, und als er erfuhr, daß der Prinz in den verwunschenen Wald geraten war, wußte er sich vor Kummer gar nicht mehr zu lassen.

Er versprach jedem, der den Prinzen wohlbehalten wieder zurückbringen konnte, die Hälfte seines Königreichs als Lohn. Auch der Kammerdiener und die Köchin wollten ihr Glück versuchen und den Königssohn befreien. Aber als sie den verwunschenen Wald betreten hatten, wußten sie bald nicht mehr, wohin sie sich wenden sollten, denn es war ganz finster dort und gab keinen Weg.

Nachdem sie einen Tag und eine Nacht durch den Wald geirrt waren, stand plötzlich eine steinalte Frau vor ihnen und sprach: "Wenn ihr mir einen Tag lang dient und ich mit euch zufrieden bin, dann sollt ihr eure Freiheit zurückhaben und den Prinzen dazu. Wenn ihr aber versagt, so sollt ihr meine Diener sein für alle Zeit und der Prinz bleibt mein Knecht."

"Wir dienen einem König, also wirst du wohl mit unseren Diensten zufrieden sein", willigten die beiden guten Mutes ein und folgten der Hexe zu einem kleinen Häuschen, das tief im Gesträuch verborgen lag.

"Ich möchte, daß ihr mir bis zum Abend die Hühner hütet, so daß keines sich in den Wald davonmacht", sprach die Alte zu ihnen und ging davon. Der Kammerdiener und die Köchin sahen sich erstaunt an und meinten: "Das ist eine leichte Aufgabe für uns." Sie setzten sich auf die Bank vor dem Haus und bewachten die Hühner, die friedlich im Grase der kleinen Lichtung unter dem wilden Apfelbaum herumpickten.

Es war ein lauer Tag, im Walde blühten die Himmelsschlüssel und duftete der Thymian. Ein kleiner Bach plätscherte munter am Häuschen vorüber. Der Kammerdiener und die Köchin waren müde vom langen Umherirren im Wald und so kam es, daß sie bald vom Schlaf übermannt wurden. Als sie wieder erwachten, war es schon dunkel und von den Hühnern weit und breit keines mehr zu entdecken. Die Hexe aber stand vor ihnen und sprach: "Ihr habt eure Freiheit verwirkt, aber ich will noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Kocht mir zur Nacht einen süßen Hirsebrei, der mir so gut mundet, daß ich hernach den Löffel abschlecken muß. Dann will ich euch und dem Prinzen die Freiheit wiedergeben."

Sogleich schöpften die Köchin und der Kammerdiener neuen Mut, denn der Hirsebrei der Köchin wurde im ganzen Schloß gerühmt. Die Alte aber führte sie in die Küche und ließ sie dort allein.

Die Köchin setzte sogleich die Milch auf und tat Zucker und Hirse in den Topf. Dann setzte sie sich zum Kammerdiener auf die kleine Bank neben dem Herd. Und weil es dort so schön warm und heimelig war, überkam beide aufs neue die Schläfrigkeit. Bald waren sie fest eingeschlafen und wachten erst wieder auf, als die alte Hexe vor ihnen stand. Sie hatte schon ihr Schüsselchen in der Hand, aber als die Köchin ihr auffüllen wollte, sah sie, daß der Hirsebrei schwarz angebrannt und verdorben war. "Nun habt ihr endgültig eure Freiheit vertan", sagte die Hexe, "und die des Prinzen dazu."


*


Als der Kammerdiener und die Köchin nicht mehr zurückkehrten und kein neuer Bewerber sich melden wollte, um den Prinzen zu befreien, wurde der König von Tag zu Tag betrübter. Er mochte die Speisen kaum noch anrühren, die ihm vorgesetzt wurden, und war seines Lebens überdrüssig. Da faßte Lieschen sich endlich ein Herz und trat vor den König hin. "Schlunzliese, was störst du mich in meinem Schmerz?" brummte der König unwillig.

"Ich bin nur eine arme Küchenmagd und kenne mich im Wald nicht aus, aber ich will den Prinzen suchen gehen." entgegnete Liese tapfer. Und in seiner Verzweiflung willigte der König ein, auch wenn er sich von der armen Schlunzliese keine Hilfe versprach.

Und so kam es, daß sich auch Lieschen in den verwunschenen Wald begab. Dort erging es ihr nicht anders als dem Kammerdiener und der Köchin. Sie fand sich nicht zurecht und irrte einen Tag und eine Nacht lang durch das dichte Unterholz, bis die alte Hexe vor sie hintrat. Auch von Lieschen verlangte die Hexe, ihr zu ihrer Zufriedenheit zu dienen, um ihre Freiheit und die des Prinzen wiederzuerlangen.

Obgleich Lieschen wußte, daß die Köchin mit ihrer Arbeit nie zufrieden war, wollte sie nichts unversucht lassen und willigte ein. So saß sie denn auch bald auf der kleinen Bank vor dem Haus und hütete die Hühner. Doch als die Müdigkeit sie übermannen wollte und ihr schon der Kopf auf die Brust herabsank, stieß eine Schar Krähen mit lautem Gekrächze aus den Bäumen herab, so daß sie erschrocken auffuhr. Schnell trieb sie die Hühner wieder zusammen und nahm sich vor, von jetzt an besser acht zu geben. Und jedesmal, wenn ihr die Lider schwer werden wollten, stimmten die Krähen ein solches Gezeter an, daß sie sogleich wieder hellwach war.

Am Abend, als die Hexe wiederkam, waren noch alle Hühner auf der Lichtung versammelt. "Ich sehe, du bist auf der Hut gewesen. Doch nun sollst du mir vor dem Schlafengehen noch einen süßen Hirsebrei kochen, der mir so gut mundet, daß ich hernach den Löffel abschlecken muß."

Lieschen war inzwischen so müde, daß ihr die Augenlider schwer waren wie Blei, aber sie machte sich tapfer ans Werk. Die Alte klappte unterdessen rund um das Häuschen die hölzernen Fensterläden zu, denn sie hatte die Krähen wohl bemerkt, die draußen in den Zweigen lärmten, um Lieschen zur Seite zu stehen.

Lieschen stellte den Topf aufs Feuer, und weil er nicht gleich heiß werden wollte, ließ sie sich seufzend auf der Herdbank nieder. Aber ihre Müdigkeit war so groß, daß ihr sogleich die Augen zufielen und der Schlaf sie überkam. Ein ungestümes Kribbeln und Krabbeln an ihrer Nase ließ sie jedoch wieder hochschrecken. Es war eine kleine Fliege, die ihrer Nase so lange zusetzte, bis sie niesen mußte und der Schlaf vertrieben war. Flugs stellte sie sich wieder an den Herd und rührte eifrig den Hirsebrei, bis er schön dick war. Dann tat sie noch ein Ei und ein wenig süßen Sirup hinein und füllte ihn der Alten in ein Schüsselchen.

Als die Hexe kam und die dampfende Schüssel mit dem fertigen Hirsebrei sah, wunderte sie sich sehr, denn die Müdigkeit war ein Zauber, den sie über Haus und Garten gelegt hatte und dem noch nie jemand entronnen war. Und als sie einen Löffel voll kostete, zerging ihr der süße Brei auf der Zunge wie Honig und Sahne. Da konnte sie nicht anders, als hernach den Löffel abzuschlecken. Lieschen aber durfte zusammen mit dem Prinzen den Wald verlassen, und nachdem sie sich an dem Bächlein saubergewaschen hatte, traute der Prinz seinen Augen nicht ob ihrer großen Schönheit. So kam es, daß sie nicht nur die Hälfte des Reiches bekam, sondern auch noch den Prinzen zum Gemahl.


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SÜSSER HIRSEBREI
Zutaten für 2 Personen

100 g Hirseflocken
2 Eier
800 ml Milch
30 g Butter
50 g gemahlene süße Mandeln
1 kleine Dose Mandarinenstückchen
Zimt und Zucker zum Bestreuen


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Die Milch in einen Topf geben und die Hirseflocken einrühren. Einmal aufkochen und bei schwacher Hitze etwa 5 Minuten quellen lassen. Die Eier trennen und das verrührte Eigelb mit der Butter und den Mandeln in den Topf geben. Gut umrühren.

Das Eiweiß steifschlagen und unter die Masse im Topf heben. Eine Auflaufform einfetten und 2/3 der Masse hineinfüllen. Den Saft von den Mandarinen abgießen und beiseite stellen.

Die Früchte auf der Hirsemasse verteilen und mit der restlichen Masse bedecken.

Den Hirseauflauf im Backofen bei 180° C etwa eine halbe Stunde backen. Vor dem Servieren wird der Auflauf mit dem Mandarinensaft übergossen und mit Zimt und Zucker bestreut.

29. Januar 2007