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SCHADSTOFFE/055: Grenzwertige Grundwasserqualität (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Grenzwertige Grundwasserqualität
Nitrat und Pestizide beeinträchtigen Qualität des deutschen Grundwassers

Von Christiane Hinck


Nach Monaten der Trockenheit wurde in Frankreich vielerorts die Wasserentnahme beschränkt, da der Grundwasserspiegel zu niedrig, lag. Auch in Deutschland waren Niederschläge rar, so dass Bauern und Bäuerinnen um ihre Ernte bangen. Hierzulande gibt es noch kein mengenmäßiges Wasserproblem. Doch wie steht es um die Qualität des deutschen Grundwassers? 2010 waren laut Umweltbundesamt (UBA) 37 Prozent des Grundwassers aufgrund externer Stoffeinträge kontaminiert. Hauptursache waren Nitratbelastungen durch übermäßige Stickstoffausbringung in Form von Gülle und mineralischem Dünger.

Hermann Dieter vom UBA: "Nitrat ist der einzige Stoff im Grundwasser, der stellenweise einen gesundheitlich begründeten Grenzwert überschreitet." Zumindest für Säuglinge können Nitratwerte über 50 mg pro Liter Wasser gesundheitsschädlich sein. Im gesamten Bundesgebiet wurden zusammen vom Umweltbundesamt und den Ländern Nitrat-Messstellen festgelegt, von denen nicht alle als Brunnen dienen. 2008 waren knapp 15 Prozent der Messstellen, so stark belastet, dass das Wasser nur eingeschränkt genutzt werden konnte. Im Trinkwasser sind Grenzwertüberschreitungen wegen umfangreicher Wasseraufbereitung und Verdünnung dennoch rückläufig.

In Niedersachsen überschritten etwa 20 Prozent der Grundwasserkörper den Grenzwert. Damit liegt Niedersachsen im Vergleich zu den anderen Bundesländern weit vorn. Die Belastung ist seit 1995 konstant auf hohem Niveau. Neben dem Raum Cloppenburg-Vechta betrifft dies unter anderem auch Teile der Grafschaft Bentheim und des Emslandes sowie den Raum Celle-Verden-Uelzen. Alle drei Regionen sind für ihre intensive Schweine- und Geflügelmast bekannt. Belastungsschwerpunkte liegen auch in den Ackerbauregionen nördlich von Hannover, im nördlichen Zipfel Nordrhein-Westfalens, entlang der niederländischen Grenze sowie um Erfurt und Dresden. Auch in den von Ackerbau dominierten Regionen südlich von Wiesbaden und nördlich von München werden hohe Mengen von Nitrat gefunden.


"Pflanzenschutz" vs. Wasserschutz

Mit einem großen Abstand zu Nitrat stehen Pflanzenschutzmittel an zweiter Stelle der Stoffe, die das Grundwasser belasten. 2006 bis 2008 überschritten knapp 5 Prozent der Messstellen den Grenzwert. Dabei werden in einer Wasserprobe drei bis vier Wirkstoffe gefunden. Pflanzenschutzmittel können nur teilweise durch Wasseraufbereitung entfernt werden. Probleme bereiten sie vor allem dort, wo Trinkwasser aus Oberflächengewässern gewonnen wird. Insgesamt nimmt die Belastung des Grundwassers mit Pflanzenschutzmitteln ab. Hauptverursacher ist der Wirkstoff Atrazin. Obwohl Atrazin seit 1991 in der EU verboten ist kommt er aufgrund seiner Langlebigkeit immer noch im Grundwasser vor. Von den zehn am häufigsten gefundenen Stoffen sind bis auf die Wirkstoffe Bentazon und Mecoprop alle verboten. Bentazon wird als Herbizid unter anderem im Kartoffelanbau verwendet und ist in dem Herbizid "Troy 480" enthalten. Mecoprop wird unter den Namen "Speedy" oder "Trioflex" vertrieben.

Rüdiger Wolter vom UBA: "Die Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel liegen sehr weit im Vorsorgebereich. Auch Konzentrationen mit einem Faktor von 100 und mehr über dem Grenzwert wären nicht gesundheitsschädlich." Das Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) begrüßt, dass Grenzwerte für Trink- und Grundwasser für Pestizide an der analytischen Nachweisgrenze angesiedelt sind. Susanne Smolka von PAN: "Mittlerweile muss man sich aber wegen neuer Erkenntnisse im Bereich niedriger Konzentrationen und bei Wirkstoffgemischen fragen, ob die Grenzwerte hinsichtlich der hormonellen Wirkung auf den Menschen noch im Vorsorgebereich liegen." Nachgewiesen sei bereits eine negative Wirkung auf Wasserlebewesen innerhalb der gültigen Grenzwerte. Solche Wasserlebewesen treiben den Abbau problematischer Stoffe im Grundwasser an. Unabhängig vom Wirkstoff gilt bei Pflanzenschutzmitteln ein Trinkwasser-Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Bei mehreren Wirkstoffen darf die Summe der Einzelkonzentrationen 0,5 Mikrogramm pro Liter nicht übersteigen. Grenzwerte entstehen im Spannungsfeld zwischen einem Vorsorgeoptimum, das bei Null liegt, und einem höheren Wert, der aus den Interessen der Herstellerfirma und der Anwender resultiert. "Generell sind Grenzwerte oft Gegenstand langjähriger Diskussion, bei der es nicht nur um die wissenschaftliche Begründung geht, sondern auch um die Umsetzbarkeit der Einhaltung", sagt Geerd Smidt von der Bremer Jacobs Universität. Grenzwerte sind in Gesetzen politisch festgelegte Höchstkonzentrationen unerwünschter Stoffe. Viele Grenzwerte sind nicht unumstritten, hat ihre Festsetzung doch immer auch eine politische Komponente. Erst ein Grenzwert verpflichtet zu regelmäßigen Kontrollen.


Unbeachtete Abbauprodukte

Lange unbeachtet blieben Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln, die für die menschliche Gesundheit als "nicht relevant" bezeichnet wurden. Obwohl man 2008 erkannte, dass bei einer bestimmten Art der Wasseraufbereitung durch einzelne dieser Abbauprodukte giftige Stoffe entstehen können, wurden keine Grenzwerte, sondern lediglich unverbindliche Orientierungswerte eingeführt. Sie lassen eine sehr viel höhere Konzentration als für die. Ausgangsstoffe zu. Ein niedrigerer, gesetzlicher Grenzwert war laut UBA aufgrund gegensätzlicher Interessenslagen bestimmter Lobbygruppen nicht durchsetzbar.


Zukünftige Belastungen

Schwermetalle im Grundwasser stellen nach Einschätzung des UBAs in Deutschland kein Problem dar. Die Grenzwerte werden flächendeckend unterschritten. Aufsehen erregten Funde des Schwermetalls Uran im Grundwasser: Uran kommt im Gestein natürlicherweise vor und gelangt von dort ins Grundwasser. Urankonzentrationen in Trink- und Oberflächenwässern sind regional seit Jahrzehnten erhöht. Hinweise auf künstliche Uraneinträge gibt es im Raum Heidelberg und in der Hildesheimer Börde. Nach Erkenntnis von Bremer Wissenschaftlern der Jacobs Universität könnte das Uran aus landwirtschaftlichen Phosphatdüngern stammen, die aus uranhaltigem Gesteinsmehl produziert wurden. Das Uran soll sich über Jahre im Ackerboden angereichert haben. "Bislang stellen diese Konzentrationen des Schwermetalls nicht unbedingt ein Gesundheitsrisiko dar", sagt die Bremer Professorin Andrea Koschinsky. In den oberen Bodenschichten finden Wissenschaftler inzwischen weniger Uran. Nach Ansicht der Forscher ist es wahrscheinlich, dass sich der Stoff in tiefere Bodenschichten verlagert und ins Grundwasser gelangen kann. Koschinsky: "Wir müssen davon ausgehen, dass die Situation problematischer wird."


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2011