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MASSNAHMEN/183: Hochwasserschutzversäumnisse - Kritik an Bürgerinitiativen (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1017 vom 21. Juli 2013, 32. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Hochwasserschutzversäumnisse: Schimpfe & Haue für Bürgerinitiativen



Das Hochwasser 2013 hat vor allem im oberen Elbeeinzugsgebiet schwere Versäumnisse beim technischen Hochwasserschutz offenkundig gemacht. Fehlende Hochwasserschutzmauern in den engen Tälern von Mulde und den Oberläufen anderer Flüsse in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führten dazu, dass historische Altstadtkerne wie schon 2002 erneut unter Wasser standen. Für die Defizite im Hochwasserschutz wurden reihum Bürgerinitiativen schuldig gesprochen. So nannte Geras Oberbürgermeisterin Viola Hahn (parteilos) "als besonders krasses Beispiel" den versäumten Bau einer zweiten Spundwand an der Weißen Elster. Für die Spundwand habe das Land zwar vor einigen Jahren 5,8 Millionen Euro bereitgestellt. "Dagegen gab es aber Proteste, weil sechs Kastanien gefällt werden sollten." Hahn kündigte lt. dpa vom 24.06.13 an, den Bau rasch nachzuholen. Hahns Vorgänger, der SPD-Politiker Norbert Vornehm, hat lt. MDR vom 24.06.13 darauf hingewiesen, dass das Planfeststellungsverfahren für die Spundwand entlang des innerstädtischen Abschnitts der Weißen Elster durch das Land Thüringen nie beendet worden sei. "Die Weiße Elster war Anfang Juni in Gera über die Ufer getreten, mehrere Stadtteile standen tagelang unter Wasser. Die Schäden werden inzwischen auf rund 30 Millionen Euro beziffert", fasste der MDR die Folgen des versäumten Hochwasserschutzes zusammen. Der Kommentar eines Hochwassergeschädigten auf der MDR-Homepage:
"Ebenso kann ich es als Bewohner von Gera Heinrichsgrün nicht nachvollziehen, wie man 6 Bäume einer Flutwand vorziehen kann. Sorry, aber für sowas habe ich kein Verständnis mehr!"


Bewahrung des Stadtbildes - oder "Einhausung" durch Betonmauern

Paradebeispiel für die Torpedierung der Hochwasservorsorge durch unverständige Bürgergruppen war aber bundesweit die Stadt Grimma an der Mul de. Dort sei der Bau von Hochwasserschutzmauern im Vergleich zur fast benachbarten Stadt Eilenburg sträflich verschleppt worden. Folge: Die bereits beim Hochwasser 2002 untergegangene Stadt Grimma, die mit 500 Mio. Euro saniert worden war, musste erneut Landunter melden. Demgegenüber war das unterhalb gelegene Eilenburg mit seinen Hochwasserschutzmauern glimpflich davon gekommen. Wer in eine Suchmaschine "Grimma Hochwasserschutz Bürgerinitiative" eintippt, bekommt zahlreiche Presseartikel mit der Medienschelte für die BIs präsentiert. Warum in Grimma aus Gründen des Denkmalschutzes und des Stadtbildes gegen den "administrativ gewollten, großtechnischen Verbau" der Mulde und gegen die "vollständige Einhausung Grimmas durch Betonmauern" opponiert worden war, kann man auf der Homepage des NABU Sachsen nachlesen: [1]

Dort heißt es auch, dass sich den Mitgliedern der Bürgerinitiative der Eindruck aufgedrängt habe, "dass es nicht um effizienten und bezahlbaren, an den natürlichen Gegebenheiten orientierten Hochwasserschutz geht, sondern um ein Sonderkonjunkturprogramm für die Bauindustrie und ein staatlich gefördertes Beschäftigungsprogramm."

Eine kontrovers und emotional geführte Debatte über Sinn und Unsinn solcher Stellungnahmen finden RUNDBR.-LeserInnen im SPIEGEL-online-Forum unter [2]


Jeder macht sein Ding - und alle saufen gemeinsam ab

Der von Bürgergruppen provozierte zweite Untergang von Grimma wird auch von UWE GRÜNEWALD in seinem Aufsatz "Bei der Hochwasserbewältigung hilft jeder jedem, bei der Hochwasservorsorge macht leider jeder seins" in der KORRESPONDENZ WASSERWIRTSCHAFT 7/2013 (S. 361-363) aufgegriffen. So kritisiert der Autor u.a.: "Dort wo es nicht gelang z.B. entsprechende 'Bürgerinitiativen', Interessen- oder Lobbygruppen zu überzeugen bzw. mitzunehmen oder einzubinden, traten analog zu 2002 erhebliche Schäden ein oder sie konnten nur unter aufopferungsvollem und risikoreichem Einsatz verhindert oder gemindert werden."

GRÜNEWALD erwähnt in dem Zusammenhang u.a. die im Juni 2013 erneut untergegangenen Dresdener Stadtteile Gohlis und Laubegast, wo Bürgergruppen ebenfalls einen effizienten Hochwasserschutz verhindert hätten. Der Professor für Hydrologie und Wasserwirtschaft an der TU Cottbus plädiert u.a. für länderübergreifende Hochwasserschutz- und -rückhaltekonzepte. Die seien zwar schon nach der großen Elbe-Flut von 2002 vorgeschlagen worden, dann seien sie "aber offensichtlich im Konkurrenzgerangel von Bundes- und Landesbehörden, im lokalen und regionalen Kirchturmdenken, im täglichen Vergessen und Verdrängen (...) zum großen Teil untergegangen".

[1] http://www.naturschutzverband-sachsen.de/hochwasserschutz_grimma.htm

[2] http://forum.spiegel.de/f22/versaeumter-hochwasserschutz-diese-flut-kommt-vier-jahre-zu-frueh-92135-17.html

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1017
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2013