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EUROPA/149: Beschwerde über Wasserdienstleistungen vor dem Scheitern? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1037, vom 01. Juli 2014, 33. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Beschwerde über Wasserdienstleistungen vor dem Scheitern?



Die von den Umweltverbänden im Jahr 2006 bei der EU-Kommission eingereichte Beschwerde gegen Deutschland wegen des Nichtvollzugs der EG-Wasserrahmenrichtlinie droht jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof zu scheitern. Das Europäische Umweltbüro (eeb) als Dachverband der Umweltverbände in den EU-Mitgliedsstaaten hatte schon 2005 (siehe RUNDBR. 811/3) moniert, dass in der deutschen Umsetzungsstrategie die "wirtschaftliche Analyse" von Wassernutzungen und -dienstleistungen (s. 866/1-3, 857/1, 810/2, 744/3, 680/1-3, 629/1) deutlich unterbelichtet wäre - und dass insofern in Deutschland die Grundlagen für die Erhebung kostendeckender Preise in den Bereichen Hochwasserschutz, Landwirtschaft, Wasserkraftgewinnung und anderen Sektoren fehlen würden. Damit würde Deutschland u.a. gegen Art. 9 der WRRL verstoßen. Nach mehrmaligen Schriftwechseln zwischen der EU-Kommission und dem Bundesumweltministerium hatte die Kommission schließlich den Disput dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Und dort hat der EU-Generalanwalt jetzt ein Plädoyer veröffentlicht, das in den Wasserwirtschaftsverwaltungen von Bund und Ländern für Erleichterung gesorgt hat. Dem Vernehmen nach soll es auf den Sitzungen der LAWA beim Bekanntwerden des Plädoyers des Generalanwaltes Szenenapplaus gegeben haben.

In den Umweltministerien von Bund und Ländern sah und sieht man es für völlig verrückt an, für sämtliche Wasserdienstleistungen "ökonomische Analysen" durchführen zu müssen. Noch verrückter sei die Idee, dann auch noch differenzierte Wassernutzungsgebühren für den Hochwasserschutz, die Landwirtschaft, die Wasserkraftnutzung und die Binnenschifffahrt erheben zu sollen (s. 1022/3 und ausführlich in 995/2-3). Der EU-Generalanwalt ist jetzt zu dem Schluss gekommen, dass die EU-Kommission und die sich beschwerenden Umweltverbände komplett auf dem Holzweg seien. Beim Gebot zur Erhebung kostendeckender Wasserpreise lasse die WRRL erheblichen Spielraum. Um einen effizienten Umgang mit den Wasserressourcen zu erreichen, könne man neben kostendeckenden Wasserpreisen auch andere Instrumente einsetzen. In seiner Stellungnahme vom 22.05.14 führte Generalanwalt Niilo Jääskinen u.a. aus, das es zu weit führen würde, für sämtliche denkbare Wasserdienstleistungen quer durch die EU - unabhängig von den unterschiedlichen geographischen, hydrologischen und ökologischen Verhältnissen - die Erhebung von kostendeckenden Wasserpreisen zu erzwingen. Schließlich habe Deutschland zu Recht darauf verwiesen, dass beispielsweise die Wasserkraftnutzung und die Binnenschifffahrt auch ökologische Vorteile aufweisen würden - und nicht nur für ökologische Schäden zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Falls der EuGH dem Votum des Generalanwaltes folgt, könnten sich die Wasserwirtschaftsverwaltungen in den deutschen Bundesländern viel Arbeit ersparen - und die Wasserwirtschaftsverwaltung in Dänemark, Ungarn, Österreich, Finnland, Schweden und Großbritannien ebenfalls. Denn auch gegenüber diesen EU-Mitgliedsstaaten hatte die Kommission moniert, dass die verschiedenen Wasserdienstleistungen nicht mit ihren ökologischen Folgekosten belastet würden. Das Statement des Generalanwalts findet sich in verschiedenen EU-Sprachen unter [1]

Umweltverbände: Positionierung des EU-Generalanwalts ist "desaströs"

In einer ersten Reaktion haben die Umweltverbände darauf verwiesen, dass der EU-Generalanwalt in seiner Stellungnahme wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt habe. Insbesondere sei der Anwalt nicht darauf eingegangen, dass Art. 2(38) der WRRL in Deutschland nicht ins Wasserhaushaltsgesetz (WHG) umgesetzt worden sei. Obwohl in Art. 2 (Zi. 38 und 39) gefordert werde, sämtliche Wasserdienstleistungen widerzuspiegeln, habe Deutschland nur die öffentliche Wassergewinnung und Abwasserreinigung als gebührenpflichtige Wassernutzungen definiert (s. RUNDBR. 995/2).

Weitere Auskunft zur Einschätzung des Votums des
Generalanwalts durch die Umweltverbände bei:

Christian Schweer; Wassernetz NRW
c/o BUND NRW Landesgeschäftsstelle
40225 Düsseldorf
Tel. 0211/30200524; Fax 0211/30200526
christian.schweer[at]wassernetz-nrw.de
www.wassernetz-nrw.de


[1] http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=152659&pageIndex=0&doclang=FR&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=71423

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1037
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2014