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WALD/064: Hambacher Forst - Ungleicher Kampf (SB)


Hambacher Forst - 12. Juni 2013

Absurdistan im Hambacher Forst


Vier Aktivisten sitzen auf dem Dach einer Hütte - Foto: 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Von Repression betroffen, von Räumung bedroht - Wiesenbesetzung am Hambacher Forst
Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Am gestrigen Dienstag kam es im Hambacher Forst zu einem großangelegten Polizeieinsatz, der sich zur Erleichterung der Braunkohle-Aktivisten und Aktivistinnen, die aus Protest gegen die geplante Abholzung des Waldes mit Genehmigung des Besitzers eine an den Wald angrenzende Wiese "besetzt" halten, nicht als die dem Camp drohende Räumung entpuppte. Von einer echten Entspannung kann allerdings nicht die Rede sein, zumal nicht auszuschließen ist, daß der jüngste Großeinsatz aus Sicht der Polizei vorbereitenden Charakter für die von den Bewohnern und ihren Unterstützern nach wie vor befürchtete Räumung gehabt haben könnte.

Gegen Mittag hatten Kräfte der Polizei Düren, so die Schilderung auf dem Blog "Hambacher Forst" [1], mit gezücktem Schlagstock und Pfefferspray das Camp erstürmt. Zuvor war die Wiese weiträumig abgeriegelt worden. Eine Einsatzhundertschaft durchkämmte den angrenzenden Wald auf der Suche nach, wie sich später herausstellen sollte, verdächtigten Personen. Insgesamt gingen die Ordnungskräfte in jeder Hinsicht großflächtig vor - so unterbanden sie auch die Anwesenheit von Journalisten, denen nicht gestattet wurde, sich dem Geschehen auf Sichtweite zu näheren. Sogar der Wiesenbesitzer wurde daran gehindert, sich seinem Grundstück zu nähern, mit der Begründung einer potentiellen Störung einer Polizeiaktion. Den Campbewohnerinnen und -bewohnern sollen den Angaben zufolge Fotoausrüstungen abgenommen worden sein. Augenscheinlich wollten die Ordnungskräfte bei ihrem Vorgehen weder von Unbeteiligten beobachtet noch fotografisch festgehalten werden.

Vier Besetzerinnen bzw. Besetzer wurden in Gewahrsam genommen, wobei die Einsatzkräfte "Schmerzgriffe und rabiate Gewalt" [1] eingesetzt haben sollen. Im Verlauf der Polizeiaktion kam es zu einer weiteren Ingewahrsamnahme, nachdem sich die Ordnungskräfte einen richterlichen Durchsuchungsbefehl für einen Wohnwagen geholt hatten, in dem sie einen weiteren Tatverdächtigen vermuteten, der zwecks Identitätsfeststellung ebenfalls in Gewahrsam genommen wurde. Gemessen an den martialisch anmutenden Reaktionen der Polizei würden Unbeteiligte vielleicht vermuten, hier sei ein schwerer Rechtsbruch, wenn nicht gar ein Kapitalverbrechen verübt worden. Tatsächlich erwies sich der eigentliche, wenn auch von beiden Seiten unterschiedlich dargestellte Anlaß keineswegs als so schwerwiegend, wie es die Umstände vermuten lassen könnten. Beim "Hambacher Forst" liest sich das so [2]:

Rechtfertigung der Polizei ist offenbar eine Aktion vom Vormittag, als RWE-Waldarbeiter*innen Barrikaden auf den Waldwegen räumen wollten. Dabei wurden sie offenbar von einer Gruppe Aktivst_innen gestört, die die Frechheit besaßen, ihnen Kaffee anzubieten. Davon fühlten sich die Waldarbeiter*innen offenbar massiv bedroht und riefen die Polizei um Hilfe.
Dieser Vorfall also - eine gewaltlose Störaktion beim Barrikadenrückbau - ist der Anlass für eine gewaltsame Razzia mit Einsatz eines Helikopters, einer Hundestaffel, einer Hundertschaft, massiver Gewalt gegen friedliche Aktivist_innen und weiträumiger Absperrung des Geländes.

Dem Kölner Stadtanzeiger [3] zufolge hat Polizeisprecher Bernd Maul inzwischen klargestellt, daß es nicht darum gehe, das Camp zu räumen. Die Polizeiaktion habe nur dem Zweck gedient, bestimmte Personen im Wald zu finden. Gegen 16.30 Uhr sei sowohl die Durchsuchung - oder Durchforstung? - des Waldes beendet worden sowie der Einsatz beim Wiesencamp. In der örtlichen Presse wurde die diesem Großeinsatz vorausgehende Konfrontation folgendermaßen beschrieben [4]:

Ursache der groß angelegten Polizeiaktion war offenbar ein Zusammentreffen von Waldarbeitern des Tagebaubetreibers RWE Power und den Bewohnern des Camps am Waldrand. Die Waldarbeiter wollten offenbar Barrikaden und Gräben beseitigen, die wiederholt auf den Waldwegen errichtet und ausgehoben worden waren. Rund zehn Aktivisten haben, wie die Polizei mitteilt, nach Angaben der Waldarbeiter diese an ihrer Arbeit zu hindern versucht und sie zudem bedroht. Die RWE-Mitarbeiter riefen daraufhin um 10.45 die Polizei.
Vier Polizisten erskortieren einen Festgenommenen - Foto: 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Ungleicher Kampf
Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Den Festgenommenen drohen nun Ermittlungen und ggf. Strafverfahren wegen Nötigung, Bedrohung und Landfriedensbruch. Derzeit befinden sie alle sich wieder auf freiem Fuß. In Münster kam es noch am selben Abend zu einer spontanen Solidaritätsdemonstration für die aktuell von Repression betroffenen Aktivisten und Aktivistinnen des Hambacher Forstes. Auf einem weiteren Blog der Braunkohlegegnerinnen und -gegner hieß es dazu [5]:

Die Solidarität mit den Menschen auf der Wiese wächst stetig und viele sind nun erst recht gewillt, den Widerstand im Rheinland auch aktiv zu unterstützen.

Gegen 20.00 Uhr wurde diese Spontandemonstration von der Polizei aufgelöst. Allem Anschein nach erfährt der Kampf der Aktivistinnen und Aktivisten umso mehr Unterstützung, je stärker die Polizei "die Muskeln spielen läßt". Viele Bürgerinnen und Bürger in der Region, die mit der Abholzung des Hambacher Forstes ebenfalls nicht einverstanden sind oder/und von Dorfzerstörungen betroffen sind, werden kaum nachvollziehen können, warum ein so massiver Polizeieinsatz erforderlich gewesen sein soll und warum es einem unbescholtenen Bürger verwehrt wird, sich seinem eigenen Grund und Boden zu nähern.

Fußnoten:

[1] http://hambacherforst.blogsport.de/2013/06/11/pressemitteilung-rabiate-polizeiaktion-am-hambacher-forst-verletzung-der-oeffentlichkeit-mehrere- festnahmen-hausfriedensbruch- durch-beamte/

[2] http://hambacherforst.blogsport.de/2013/06/11/eine-weitere-verhaftung-und-abzug-der-polizei/

[3] http://www.ksta.de/kerpen/waldbesetzer-festnahmen-im-aktivisten-camp,15189188,23239404.html

[4] http://www.rundschau-online.de/rhein-erft/hambacher-forst-aktivisten-mit-hubschrauber-gesucht,15185500,23250928.html

[5] http://www.ausgeco2hlt.de/

Weitere Informationen:
http://hambacherforst.blogsport.de/

12. Juni 2013