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WALD/019: Hambacher Forst - Russisch Roulette (SB)


Hambacher Forst - 20. November 2012, 23.00 Uhr

Polizei macht sich zur Herrin über private Grundstücke


Aktionsplakat: Stilisierter Baum mit der Aufschrift 'Hambacher Forst bleibt!' - © www.ausgeco2hlt.de

Aktionsplakat
© www.ausgeco2hlt.de

Am heutigen Nachmittag überschlugen sich die Ereignisse auf der Wiese nahe des Hambacher Forstes, die gestern von den Waldbesetzerinnen und -besetzern "bezogen" worden war. Gegen 16.00 Uhr rückte die Polizei an und forderte die Menschen auf, die Wiese wieder zu verlassen. Zur Begründung wurde angeführt, daß der Besitzer der Wiese - es handelt sich bei der betreffenden Fläche um ein Privatgrundstück - Strafanzeige gestellt hätte.

Das allerdings ist einzig und allein die Version der Polizei. Der Grundstücksbesitzer, ein Diplom-Kaufmann und Steuerberater aus Kerpen-Buir, erschien persönlich am Ort des Geschehens und erklärte, daß er keineswegs wolle, daß die Polizei sein Grundstück räume, worauf er selbst festgenommen wurde. Begründung nun: Störung einer polizeilichen Maßnahme [1]. Polizeialltag in der Bundesrepublik Deutschland?

Als dann Presse auf der Bildfläche erschien und das Ganze noch öffentlicher zu werden drohte und auch wurde, als es ohnehin schon war, realisierte die Polizei offenbar, in welch eine Zwickmühle sie sich manövriert hatte. Sie zog sich zurück. Doch ungeschehen machen konnte sie ihren Vorstoß, den wohl jeder Mensch, wäre er dabei gewesen, als rechtswidrig empfunden hätte, selbstverständlich nicht, zumal sich der Grundstücksbesitzer noch immer in ihrem Gewahrsam befand.

Erst am frühen Abend wurde er wieder freigelassen. Wie er selbst in einem nach seiner Freilassung an das "Befreiungs- und Unterstützungskomitee" gerichteten Dankesschreiben, das der SB-Redaktion vorliegt, erklärte, wurden ihm keine Auflagen erteilt. Er habe seinen Personalausweis und seine Grundrechte zurückerhalten und dürfe wieder mit anderen Personen sprechen. Kontaktsperre und Isolationshaft - im Polizeiwagen mit verschlossenen Seitenfenstern - seien aufgehoben.

In einer Mitteilung der Polizeipressestelle des Rhein-Erft-Kreises klang all dies gänzlich anders. Unter der Überschrift "Zeltlager aufgelöst" wurde berichtet, daß die Polizei heute, am 20. November, um 16.00 Uhr Platzverweise gegen sieben Personen eines Zeltlagers am Hambacher Forst ausgesprochen habe. Und weiter [2]:

Der Eigentümer duldete den Aufenthalt nicht und setzte die Polizei in Kenntnis. Ein Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs lag vor.
Während der polizeilichen Maßnahmen wurde eine Person in Gewahrsam genommen, die den Einsatzablauf behinderte. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden von ihm Dokumente vorgelegt, die Zweifel an den behaupteten Eigentumsverhältnissen des Strafantragstellers aufkommen ließen.
Die Dokumente belegen, dass sich zumindest ein Teilbereich des Zeltlagers auf dem Grundstück des zuvor in Gewahrsam genommenen Störers befunden hat. Der Mann wurde wieder freigelassen. Ob er das Lager weiter dulden wird, ist unbekannt.

Die Polizei Rhein-Erft, die sich schon aufgrund der viertägigen Räumung des Waldbesetzercamps in der vorigen Woche den Vorwurf einhandelte, im Interesse des RWE-Konzerns zu handeln, nicht jedoch in dem der ansässigen Bevölkerung, wurde seitens der Oberstaatsanwaltschaft wegen ihrer Informationspolitik gerügt. Diese hatte gegenüber dem WDR erklärt, die Polizeipressestelle "sollte (dennoch) über ihre Informationspolitik nachdenken" [1].

Daß die Polizei versucht hatte, Menschen, die auf einem Privatgrundstück campierten, dessen Eigentümer mit ihrer Anwesenheit einverstanden war, zum Verlassen zu zwingen und dann auch noch den Eigentümer festnahm, weil er eine polizeiliche Maßnahme störe, könnte beinahe, wäre die Lage nicht nach wie vor sehr ernst, wie eine wenn auch bittere Realsatire wirken.

Zur Entspannung besteht allerdings kein Anlaß. Nach Angaben des "Hambacher Forstes" [1] versuchen private Sicherheitskräfte, die Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Camps einzuschüchtern. Mit einem Fahrzeug mit überklebtem Nummernschild seien diese Personen auf das Grundstück gefahren, hätten dessen Markierungen umgefahren und die anwesenden Braunkohlegegnerinnen und -gegner angepöbelt und bedroht. Ein Helikopter sei sehr tief über das Zeltlager geflogen, sehr nahe neben dem Camp gelandet und ohne Licht wieder gestartet. Nach Angaben der Waldfreunde könne all dies von unterstützenden Anwohnern bestätigt werden.

Der Besitzer des Camp-Grundstückes wird von der Polizei abgeführt - Foto: http://hambacherforst.blogsport.de/

Ein Grundstückseigentümer wird als 'Störer' festgenommen - Polizeirealität in Deutschland
Foto: http://hambacherforst.blogsport.de/

Aktuelle Informationen auf folgenden Seiten:
http://hambacherforst.blogsport.de/
https://stopptrwe.crowdmap.com/

Fußnote:

[1] Meldungen vom 20. November 2012, 16.00-23.00 Uhr
http://hambacherforst.blogsport.de/

[2] POL-REK: Zeltlager aufgelöst - Kerpen/Düren, Mitteilung der Polizeipressestelle Rhein-Erft-Kreis, 20.11.2012, 19:56 Uhr
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/10374/2367489/pol-rek-zeltlager-aufgeloest-kerpen-dueren

20. November 2012