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LANDRAUB/011: Bolivien - Viehzüchter vertreiben Indigene (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. März 2013

Bolivien: Viehzüchter vertreiben Indigene

von Rafael Acuña Coaquira


Bild: © Rafael Acuña/IPS

Eine Tsinamé-Familie vor ihrem Haus in El Jatatal
Bild: © Rafael Acuña/IPS

El Jatatal, Bolivien, 26. März (IPS) - "So geht es nicht weiter", sagt Carmelo Tayo, Vorsteher des kleinen bolivianischen Dorfes El Jatatal, in dem Tsimané-Indigene leben. Seit Jahrzehnten lebt die kleine Gemeinschaft im bolivianischen Amazonas-Regenwald. Viehzüchter wollen das Land nun für sich.

Die Tsimané - auch Chimané genannt - sind eine der wenigen indigenen Gruppen in Bolivien, deren Bevölkerung weiter wächst. Traditionell führten sie ein Nomadenleben in den Niederungen im nördlichen Teil des Departements Beni. Doch in den vergangenen Jahrzehnten sind viele der Mitglieder sesshaft geworden. Darunter auch Carmelo Tayo. Sein Dorf El Jatatal liegt an der Grenze der Gemeinden San Borja und Rurrenabaque.

15 Familien mit jeweils durchschnittlich fünf Familienmitgliedern lebten in dem armen aber friedlichen Dorf, bis die Viehzüchter kamen. Rückhalt haben die Großgrundbesitzer nach Angaben von Tayo von den lokalen Behörden von San Borja.


Weil sie kein Geld nahmen, wurden sie bedroht

Einige der indigenen Familien habe man Geld für ihre einfach zusammengebauten Hütten geboten. "Doch weil sie sich weigern zu verkaufen, wurden sie bedroht und teilweise sogar tätlich angegriffen", erzählt Tayo.

Wie Tito Romero, einer der Dorfbewohner, berichtet, wurde er einmal auf dem Weg nach Hause von rund 40 Viehzüchtern umzingelt. Die Männer hätten ihm nahe gelegt, das Dorf besser zu verlassen, und angegeben, vom Bürgermeister von San Borja, Jorge Añez, unterstützt zu werden. Es gebe nichts, was die Bewohner von El Jatatal tun könnten, um die Viehzüchter daran zu hindern, sich in dem Gebiet niederzulassen. Añez wollte sich zu dem Thema gegenüber IPS nicht äußern.

Es blieb nicht bei leeren Drohungen. Kurz nach dem Zwischenfall sah Fermín Carmelo Coata Mayto den Weg von seinem Haus zu seinem Feld von einem Zaun versperrt. Nun muss er einen großen Umweg gehen, um zu seiner Anbaufläche zu gelangen, die er seit seiner Kindheit bewirtschaftet.

Stück für Stück wird das Land nun eingezäunt, berichtet Tayo. Der traditionelle Anführer, der als Sprecher der Gemeinde gilt und als Mediator agiert, hofft nun darauf, dass sich das Nationale Institut zur Agrarreform (INRA) in den Konflikt einschaltet.

Im Februar hat das Institut bereits einen Zensus in El Jatatal und der näheren Umgebung durchgeführt, um sich einen Überblick über die Bevölkerungszahl in der Gegend zu verschaffen. Ziel soll sein, den lokalen Gemeinschaften Rechte für das Land, das sie bewohnen und bestellen, zuzusichern. Doch bisher hat das Institut keine Ergebnisse der Untersuchungen veröffentlicht.

Ursprünglich, so berichtet Carlos Espinoza, ein Experte für die Traditionen der Indigenen im bolivianischen Flachland, hielten sich die Tsimané vor allem im Amazonasbecken am Maniqui-Fluss im nördlichen Bereich des Tipnis-Flusses auf. Doch da sie Nomaden waren, vergrößerte sich ihr Radius immer weiter. Da sie sich jedoch überall nur für kurze Zeit aufhielten, war es leicht für Außenseiter, das Land einzunehmen. Mit der Zeit wurden in San Borja immer größere Flächen zur Viehzucht oder zum Anbau beispielsweise von Reis und Mais genutzt.


Geschützte Gebiete bieten Sicherheit

Einige indigene Territorien wurden zu geschützten Gegenden erklärt und sind so sicher vor Eingriffen von außen, so beispielsweise das Biosphärenreservat Pilón Lajas oder auch der Madidi-Nationalpark. El Jatatal liegt in keinem geschützten Gebiet, und so sehen sich die Bewohner immer stärker von der Expansion des Nahrungsmittelanbaus oder der Viehzucht bedroht.

Die 15 Familien wollen nichts lieber als zu ihrem geregelten Leben zurückzukehren. Dazu gehört vor allem das Jagen, Fischen und das Sammeln von wilden Früchten. Außerdem bewirtschaften sie kleine Felder. Frauen produzieren außerdem Honig und stellen Kunsthandwerksgegenstände her.

Die nächste Schule liegt weit entfernt, und Wasser- und Sanitärsysteme gibt es in El Jatatal nicht. Wenn sie gesundheitliche Probleme haben, wenden sie sich an den Heiler ihrer Gemeinschaft.

Sie sind stolz darauf, zur wachsenden Tsimané-Gemeinde zu gehören. Mittlerweile zählen sich 8.600 Menschen dazu, die sich gegenseitig als Verwandte anreden. Ihre gemeinsame Sprache ist das Chimán. "Wir wollen einfach nur in Frieden leben und auch hier sterben dürfen, wenn es soweit ist", sagt Tayo. "Wir wollen, dass anerkannt wird, was uns gehört." (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.inra.gob.bo/
http://www.ipsnews.net/2013/03/ranchers-try-to-drive-tsimane-indians-off-their-land/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102568

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2013