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LANDRAUB/009: Kamerun - US-Unternehmen verdeckter Landraub vorgeworfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. September 2012

Kamerun: US-Unternehmen verdeckter Landraub vorgeworfen

von Carey L. Biron



Washington, 6. September (IPS) - In Kamerun setzt das US-Unternehmen 'Herakles Farm' ohne die erforderliche Zustimmung des Staatspräsidenten und gegen den breiten Widerstand der betroffenen Gemeinden Pläne zur Einrichtung von 73.000 Hektar großen Ölpalmplantagen und Raffinerien um. Umweltorganisationen sprechen von einem verdeckten Landraub.

Wie das 'Oakland Institute' und 'Greenpeace' in einem neuen Bericht anprangern, entstehen die Plantagen auf einem artenreichen Gelände zwischen vier größeren Naturschutzgebieten und gefährden die Lebensgrundlage von 45.000 Menschen. Befürchtet wird, dass das Vorhaben, an dem auch die US-Investmentgruppe 'Blackstone' beteiligt ist, zu einem Präzedenzfall für ganz Afrika werden könnte.

"Herakles gibt vor, die Ernährungssicherheit und humanitäre Situation in Kamerun verbessern zu wollen, doch wir haben festgestellt, dass das ein kompletter Schwindel ist", sagte der Autor des Berichts, Frederic Mousseau, am 5. September gegenüber den Medien. Vielmehr werde es zur Zerstörung tausender kleiner Farmen führen.

"Herakles behauptet, den Rückhalt der lokalen Bevölkerung zu haben, doch das ist eine glatte Lüge", so Mousseau. Auch die Aussage, dass die Plantagen auf degradiertem und nur mit Sekundärwald bedecktem Land entstünden, entspreche nicht der Wahrheit. Tatsache sei, dass viele der vom Einschlag bedrohten Wälder nie eine Axt gesehen hätten. Eine Stellungnahme des Unternehmens zu den Vorwürfen steht noch aus.


"Noch könnte es gestoppt werden"

Das Vorhaben, das von der Herakles-Niederlassung 'SG Sustainable Oils Cameroon' (SGSOC) umgesetzt wird, befindet sich in der Anfangsphase. Bisher wurden erst drei größere Baumschulen angelegt. "Wir warten nun auf die Entscheidung der kamerunischen Regierung, wie es mit dem Projekt weitergeht", meinte Mousseau. "Noch könnte es gestoppt werden."

Dem Bericht der beiden Umweltorganisationen zufolge gibt es berechtigten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baumschulen. Die SGSOC hat zwar 2009 einen 99-jährigen Pachtvertrag mit der Regierung abgeschlossen, doch fehlt die gesetzliche Zustimmung des kamerunischen Präsidenten. Die Zerstörung der Wälder und der Kakao- und Gemüsefelder der lokalen Gemeinschaften sei somit illegal.

"Als das Unternehmen hier auftauchte, sagte man uns, das Projekt sei bereits vom Staatspräsidenten gebilligt worden. (...) Darum haben wir still gehalten", hatte Edward Ndomo, Vorsitzender des lokalen Traditionsrats, den Forschern des Oakland Institute berichtet. "Es ist zu keiner Zeit zu ordentlichen Treffen mit dem Unternehmen gekommen."

Die Parlamentsabgeordnete Marie Meboka Boya, die die Interessen des Gebietes vertritt, in dem die Baumschulen entstanden sind, erklärte gegenüber den Wissenschaftlern, sie sei sich sicher, dass man sich die Zustimmung einzelner Personen mit kleinen Zuwendungen oder Nahrungsmitteln erkauft habe. "Die Reaktion der lokalen Gemeinschaften und die ausweichende Reaktion des Unternehmens sagen mir, dass es kein wirkliches Abkommen gibt."

Unterstützung haben die Projektgegner von der kamerunischen Justiz erhalten. Sie konnten von einem örtlichen Richter zwei einstweilige Verfügungen gegen die SGSOC-Aktivitäten erwirken. Doch nach Angaben lokaler Beobachter weigert sich die Firma, den Beschlüssen Folge zu leisten.

"Nicht nur, dass das Unternehmen gegen geltendes Recht verstößt. Auch ist die Vorgehensweise alles andere als nachhaltig", meinte der Anwalt Samuel Nguiffo, der das Zentrum für Umwelt und Entwicklung in Kameruns Hauptstadt Yaounde leitet. "Da die Regierungsstrukturen unseres Landes schwach ausgeprägt sind, haben wir die USA dazu aufgerufen, das Projekt zu stoppen."


Schachern um Land

Das Herakles-Projekt ist eines von vielen neuen ausländischen Land-Investment-Deals in Afrika. Im Kongo beispielsweise wird derzeit über die Vergabe eines eine Million Hektar großen Areals diskutiert. "Es gibt so viele Europäer und US-Amerikaner, die sich gerade in Afrika nach Land umschauen. Wir fürchten, dass ein Landrausch bevorsteht", warnte Rolf Skar von Greenpeace.

"Geber und internationale Finanzorganisationen liegen den afrikanischen Ländern zunehmend in den Ohren, ihre Märkte zu öffnen, obwohl es in diesen Ländern an Rechtstaatlichkeit fehlt", meinte Anuradha Mittal, Exekutivdirektorin des Oakland Institute, das in den letzten Jahren 70 neue Abkommen für den industriellen Anbau geprüft hat.

"Fast alle Abkommen zeichnen sich durch fehlende Transparenz und mangelnde Mitsprache der lokalen Bevölkerung aus", meinte Mittal. Auch sei der vollmundig versprochene lokale und nationale Nutzen der Projekte wie Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, der Bau neuer Krankenhäuser oder die Erschließung von Wasserquellen ausgeblieben.

Es werde zudem viel über die Investoren spekuliert, sagte sie. "Es sind aber nicht nur Chinesen, Inder oder Golfstaaten, sondern auch Europäer, US-Amerikaner, Private-Equity- und Hedgefonds, die emsig nach Gelegenheiten suchen, sich die nächsten Soft-Ressourcen zu sichern."

"Heute beobachten wir, wie Kleinbauern von ihrem Land vertrieben werden, das dann in kommerzielle Farmen umgewandelt wird, auf denen die einstigen Besitzer als schlecht bezahlte Lohnarbeiter schuften", kritisierte Mousseau. Begründet werde der Landraub damit, dass er der globalen Ernährungssicherheit diene. Den Unternehmen würden sogar rechtliche und steuerliche Vergünstigungen gewährt. "Doch diese Investitionen bringen keine Entwicklung, sondern dienen allein der Ausbeutung von Mensch und Ressourcen." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.oaklandinstitute.org/sites/oaklandinstitute.org/files/Land_deal_brief_herakles.pdf
http://www.oaklandinstitute.org/film-herakles-debacle
http://www.ipsnews.net/2012/09/u-s-company-accused-of-greenwashing- cameroon-land-grab/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2012