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LANDRAUB/008: Tansania - US-Firma der illegalen Landnahme bezichtigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2012

Tansania: US-Firma der illegalen Landnahme bezichtigt - Flüchtlingen droht Vertreibung

von Ethan Freedman



Washington, 13. Juli (IPS) - Das US-Energieunternehmen 'AgriSol Energy' wird beschuldigt, sich in Tansania illegal Land aneignen zu wollen. Mehr als 160.000 Flüchtlinge aus Burundi, die dort seit Jahrzehnten leben, würden dadurch vertrieben, heißt es in einem Bericht des 'Oakland Institute', das sich mit Umweltfragen befasst.

Laut einer Ethik-Beschwerde der unabhängigen Organisation 'Iowa Citizens for Community Improvement' (CCI) würde das Unternehmen davon profitieren, dass die Flüchtlinge, die größtenteils von Subsistenzwirtschaft leben, ihre bisherigen Aufenthaltsorte verlassen müssten. AgriSol Energy könnte demnach von der tansanischen Regierung mehr als 3.200 Quadratkilometer Land zu einem niedrigen Preis pachten. Zollgebühren und Steuern fielen nicht an, erklärte CCI.

Dieses Projekt würde der Firma nach Berechnungen des staatlichen 'Iowa Ethics and Campaign Disclosure Board' etwa 300 Millionen US-Dollar Gewinn jährlich einbringen. Larry Ginter, ein ehemaliger Schweinezüchter und Mitglied von CCI, äußerte sich wütend über die "Ausbeutung" der Bauern in Tansania. Er warf dem Unternehmen "Kolonialismus" und "Diebstahl höchsten Grades" vor.

Henry Akona, der Sprecher von 'AgriSol' in Tansania, wies alle Vorwürfe zurück. Die Regierung habe die Flüchtlinge ohnehin anderswo ansiedeln wollen, sagte er. "Wir haben sie nicht vertrieben."

Das AgriSol-Projekt wurde von der tansanischen Regierung im Rahmen der Initiative ' Landwirtschaft Zuerst' unterstützt, die 2009 von dem Nationalen Wirtschaftsrat ins Leben gerufen worden war. Ziel war die Förderung der Agrarentwicklung durch öffentlich-private Partnerschaften in drei Bereichen: dem Massenanbau von Getreide, der Zucht von Rindern und Geflügel sowie der Soja- und Maisproduktion.


Land kostet Firma angeblich weniger als ein Kaffee bei Starbucks

AgriSol hatte bisher vor, in den kommenden zehn Jahren 100 Millionen Dollar in Tansania zu investieren. Laut der Firma sollte damit die Nahrungsproduktion in dem Land stabilisiert werden, neue Jobs sollten entstehen und Investitionen in die Infrastruktur angekurbelt werden. Das Unternehmen hat im Gegenzug so hohe Forderungen gestellt, dass es demnach "für Land in Tansania weniger bezahlen würde als für einen Kaffee bei Starbucks", erklärte Anuradha Mittal, die Geschäftsführerin des 'Oakland Institute'.

Laut Mittal, die in Tansania Feldforschung betrieben hat, waren diese Strategien von aggressiven Versuchen begleitet, lokale Firmen schachmatt zu setzen. "Den Leuten dort wurde gesagt, dass sie keine neuen Firmen gründen können. Sie haben keine andere Wahl, als anderswo hinzugehen."

Dem Bericht zufolge hatte AgriSol im Rahmen der Partnerschaft außerdem verlangt, von der Regierung einen 'strategischen Investorenstatus' zu erhalten. 162.000 Menschen, die derzeit in Katumba und Mishamo leben, sollten umgesiedelt werden.

Die Firma 'AgriSol Energy Tanzania', die für das Mutterhaus die Geschäfte in dem afrikanischen Land führt, wurde durch ein Joint Venture zwischen AgriSol Energy und dem in Tansania ansässigen Unternehmen 'Serengeti Advisers Limited' gebildet. Iddi Simba, einer der führenden Manager von 'Serengeti Advisers Limited', war zuvor Handelsminister des afrikanischen Landes.

Laut einem von Simba verfassten Memorandum im Auftrag von AgriSol wies die Regierung von Tansania die Firma auf Grundstücke im Westen des Landes hin, auf denen sich vorher ein Flüchtlingslager befunden habe, das inzwischen aber geschlossen sei oder bald geschlossen werden sollte.


Manager verlor wegen Korruption Ministeramt

Simba war allerdings nicht mehr Mitglied der Regierung, als er die Erklärung abgab. 2001 musste er von seinem Amt zurücktreten, nachdem ihm nachgewiesen worden war, dass er illegale Einfuhrgenehmigungen für Zucker ausgestellt hatte.

Auf seiner Website beklagt AgriSol, dass "aktive Entwicklungsbemühungen" in Katumba und Mishamo solange ruhen würden, bis sich die Lage der Flüchtlinge geklärt habe. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben derzeit nur Pläne in den Städten Kigoma und Lugufu, wo sich ebenfalls ein Flüchtlingscamp befindet, sowie an einem kleineren Ort nahe dem Dorf Basanza.

Korruptionsvorwürfe gegen Mitbegründer und Firmenchef Bruce Rastetter sind nicht nur auf Tansania begrenzt. Im Juni forderte CCI seine Abberufung als Vorsitzender des Aufsichtsausschusses über das gesamte öffentliche Bildungswesen in Iowa einschließlich der Iowa State University.

Rastetter war 2011 vom Gouverneur des Bundesstaates, Terry Branstad, auf den Posten gesetzt worden, nachdem Rastetter dessen Wahlkampagne mit mehr als 160.000 Dollar finanziert hatte. Laut lokalen Medienberichten war er der größte einzelne Unterstützer von Branstad. Nach Angaben der 'Iowa State University Foundation' hat der Unternehmer außerdem der Hochschule 2,25 Millionen Dollar zugesichert. Im Gegenzug erwartete er von der Universität Hilfe bei der Umsetzung seiner Agrarprojekte in Afrika. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.oaklandinstitute.org/sites/oaklandinstitute.org/files/OI_land_deal_brief_lives_on_hold.pdf
http://iowacci.org/
http://www.iowa.gov/ethics/
http://www.agrisolenergy.com/resources/July%206%202011_Letter%20from%20Mr.%20Simba_FINAL.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/07/iowa-firm-accused-of-displacing- tanzanians-for-profit/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2012