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INTERVIEW/166: Klimarunde, Fragestunde - Machbarkeit und Kompromiß ...    Matthias Honegger im Gespräch (SB)


Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions

Scandic Hotel, Berlin, 18. - 21. August 2014

Matthias Honegger über die risikobehaftete Technologie des Geoengineerings und das Bemühen, darüber einen öffentlichen Dialog zu führen



Nur einmal angenommen, sämtliche Maßnahmen, die globale Erwärmung aufzuhalten, blieben wirkungslos, und es träten all die Klimawandelfolgen ein, die in den wissenschaftlichen Worst-case-Szenarien beschrieben werden: Die Hochgebirgsgletscher verschwinden, der Meeresspiegel steigt rapide an, und es entstehen Klimazonen, in denen niemand mehr leben kann. Auf allen Kontinenten müßten Menschen migrieren und Gegenden aufsuchen, die ihnen mehr Sicherheit verheißen. Es würde noch enger werden auf der Erde.

Ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von vier oder fünf Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts, wie es bei einer gleichbleibenden Zunahme der anthropogenen Treibhausgasemissionen erwartet wird, hätte dramatische Folgen. Mit Sicherheit würde schon zu einem frühen Zeitpunkt die Frage gestellt, ob nicht radikale Maßnahmen des Klimaschutzes, die unter dem Titel "Geoengineering" oder "Climate Engineering" firmieren, ergriffen werden sollten.

Wohl kein Bereich der Gesellschaft bliebe von dieser klimatischen Entwicklung unbetroffen, so daß eine naheliegenden Option darin bestünde, die Frage der absichtlichen Klimabeeinflussung auf breiter gesellschaftlicher Ebene zu behandeln und die Befugnis zum Ergreifen von Maßnahmen einer internationalen Administration zu übertragen.

Von den vorhandenen institutionellen Strukturen würde sich dafür am ehesten noch die UN-Klimarahmenkonvention eignen, sagt der Klimapolitikberater Matthias Honegger aus der Schweiz. Dieser Rahmen sei zwar nicht perfekt, aber als Ausgangspunkt für Verhandlungen zum Geoengineering gut geeignet. Am ersten Tag der Climate Engineering Conference 2014, die das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) vom 18. - 21. August 2014 in Berlin veranstaltet hat, stellte er sich dem Schattenblick für einige Fragen zu seiner Forschungstätigkeit zur Verfügung.

Beim Interview - Foto: © 2014 by Schattenblick

"Das Wissen oder das Verständnis, welches nötig sein wird, um gute Entscheidungen zur Nutzung oder Nicht-Nutzung von Geoengineering zu treffen, ist meines Erachtens am ehesten in der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC gegeben."
(Matthias Honegger, 18. August 2014, Berlin) Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Herr Honegger, welches Interesse haben Sie am Geoengineering?

Matthias Honegger (MH): Ich habe Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich studiert und bin über ein Praktikum recht früh mit dem Thema Climate Engineering in Kontakt gekommen. Dort habe ich den Stand der Forschung und Diskussion kennengelernt und habe das Thema seither aktiv weiterverfolgt. Beruflich bin ich in die Klimapolitikberatung gelangt, wo ich mich mit nationalen Strategien zur Emissionsminderung befasse. Von daher ist "climate engineering" eher eine Erweiterung meines Berufsfeldes.

SB: Sie arbeiten für die Stiftung Risiko Dialog. [1] Was ist das für eine Stiftung, was ist ihre Aufgabe?

MH: Zuerst muß ich vorwegnehmen, daß ich nicht bei der Stiftung, sondern bei dem Beratungsunternehmen Perspectives [2] angestellt bin. Bei der Stiftung Risiko Dialog leiste ich zur Zeit meinen Zivildienst ab, arbeite da also nur eine beschränkte Zeit. Es handelt sich um eine private Stiftung, die sich Risikothemen bereits in einem frühen Stadium unter dem Aspekt anschaut, was deren gesellschaftliche Relevanz ist und wie man die Fähigkeit der Gesellschaft, auf geeignete Weise mit dem Risikothema umzugehen, fördern kann.

Beispielsweise unternimmt die Stiftung dann öffentliche Dialoge, die Lernexpeditionen [3] genannt werden. Da wird dann unter anderem nach den Bedenken der breiten Bevölkerung, aber auch der Experten oder anderweitiger Interessengruppen hinsichtlich bestimmter Technologien unter Gesichtspunkten gefragt wie: Welche Fragen kann man im Gespräch klären, wenn Experten Inputs geben? Wie kann man das verständlich machen, damit keine Mißverständnisse verbleiben? Letztlich geht es aber nicht darum, die Akzeptanz, sondern die Akzeptabilität von Technologien, die gewisse Risiken bergen, zu fördern.

SB: Wäre die geplante Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle in dem Dorf Benken an der schweizerisch-deutschen Grenze ein typisches Thema, das von der Stiftung bearbeitet werden könnte?

MH: Ja, das wäre durchaus ein Thema. Die Fragen würden sich dann beispielsweise auf lokale Belange richten, ähnlich wie beim Thema Geothermie, das bereits von der Stiftung bearbeitet wurde.

SB: War es dabei um die Erdbeben im Raum Basel gegangen, die von einem Projekt der Geothermie ausgelöst worden waren?

MH: Genau. Das wurde dann von der Stiftung im öffentlichen Dialog begleitet. [4]

SB: Was wird mit den Ergebnissen beispielsweise von dieser Geoengineering-Konferenz gemacht? Wenn Sie zurückkehren und Eindrücke, ausgefüllte Fragebögen und andere Forschungsergebnisse mitbringen, was geschieht dann damit weiter?

MH: Ich kann jetzt nur für mich selber sprechen. Ich spreche Leute an, die ich teilweise schon kenne und die ein gewisses Interesse an dem Thema Geoengineering haben und sich fragen, wie die Gesellschaft damit umgehen kann. Dazu habe ich einen Katalog mit Fragen vorbereitet, um einen Eindruck zu schaffen, wo die verschiedenen Akteure Bedarf zu einem öffentlichen Dialog sehen, in welcher Form der Bedarf angegangen werden kann und welche Rolle gegebenenfalls die Stiftung dabei übernehmen könnte.

SB: Ist auch geplant, das Ergebnis zu publizieren?

MH: Es wird dazu ein zweiseitiger Artikel in dem sogenannten riskBRIEF, dem Newsletter der Stiftung, veröffentlicht. Der wird im Oktober rauskommen und auch online einsehbar sein. Darüber hinaus werde ich einen Entwurf für ein "working paper" anfertigen, wobei dann in der Stiftung intern entschieden wird, in welche Richtung sie sich engagieren könnte.

SB: Was ist Ihr erster Eindruck von den Diskussionen auf der Konferenz, nachdem der erste Tag fast abgeschlossen ist?

MH: Ich fand die Diskussionen sehr spannend. Für mich ist es das vierte Treffen in ähnlicher Art zu diesem Thema. Verglichen mit den drei vorangegangenen, bei denen es sich um Sommerschulen handelte, die vornehmlich für Doktoranden und junge Forschende gedacht waren, sind die Diskussionen hier wesentlich politischer. Die Referenten hatten explizit Bezug auf die Frage genommen, unter welcher Obhut Geoengineering angegangen werden könnte, beispielsweise wurden die Biodiversitätskonvention CBD (Convention on Biological Diversity) und die UN-Klimarahmenkonvention über Klimaänderungen UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) genannt. Deutlich wurde dabei allerdings auch, daß die deutsche Regierung noch keine Vision hat, wohin die Entwicklung mittelfristig gehen könnte. Das spiegelt gut den globalen Stand der politischen Diskussionen wider. [5]

SB: Was den wissenschaftlichen Aspekt von Geoengineering betrifft, wurde hier häufiger über das Ausbringen von Schwefelpartikeln in der Atmosphäre als eine Möglichkeit des Solar Radiation Managements (SRM) diskutiert. Was halten Sie von diesem Konzept?

MH: Auf der technischen, respektive der naturwissenschaftlichen Seite habe ich wie die meisten, die sich damit befassen, sehr große Zweifel. Gleichzeitig denke ich aber, daß es unumgänglich ist, daß man die Ideen sehr genau anschaut und weiter ausarbeitet, welche Ansätze funktionieren könnten und dabei aber seinen sehr breiten Blick behält, was die Konsequenzen angeht. Ein Fokusthema hier ist für mich das Abwägen unterschiedlicher Risiken: Um gute Entscheidungen auf einem übergeordneten politischen Level treffen zu können, darf die Aufmerksamkeit nicht einseitig auf das Risiko möglicher direkter Schäden einer Anwendung beschränkt sein. Sondern man sollte das immer in den Kontext der Frage stellen, wie das aussehen würde, wenn wir Geoengineering nicht als Option haben. In meiner Masterarbeit [6] habe ich drei Szenarien einander gegenübergestellt, wodurch die Risikodiskussion eine ganz andere wurde. Da hat man dann ganz massive Klimarisiken auf der einen Seite und muß als Gesellschaft bzw. auf politischer Ebene demgegenüber auch sehr substantielle Risiken durch eine aktive Handlung des SRM abwägen. Das ist eine der Kernaussagen: Man muß die richtigen Risiken miteinander in einen Kontext stellen.

SB: Sie sprachen Ihren persönlichen Fokus an. Könnten Sie den etwas näher erläutern?

MH: Ich habe dazu hier auf der Konferenz eine Paneldiskussion organisiert. Das Wissen oder das Verständnis, welches nötig sein wird, um gute Entscheidungen zur Nutzung oder Nicht-Nutzung von Geoengineering zu treffen, ist meines Erachtens am ehesten in der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC gegeben. Der Rahmen ist nicht perfekt, und ich will damit auch nicht behaupten, daß in seiner heutigen Form bereits über Climate-Engineering-Nutzung oder -Nicht-Nutzung entschieden werden könnte. Aber die Fragen, über die in diesem Forum verhandelt wird, decken die selben Grunddimensionen ab, die in künftigen Climate Engineering Verhandlungen abgedeckt sein müssten. Somit wäre die Klimarahmenkonvention der UNO auf internationaler Ebene der bestmögliche Startpunkt für Verhandlungen zu dem Thema. Das heißt wiederum nicht, daß ausschließlich da diskutiert werden soll - im Gegenteil. Mein persönlicher Fokus dreht sich also um die gute Entscheidungsfindung im Kontext von Risiko-Abwägung und internationalen Verhandlungen.

SB: Herzlichen Dank für das Gespräch.


Fußnoten:


[1] http://www.risiko-dialog.ch/

[2] http://www.perspectives.cc/

[3] Beispielsweise die Lernexpedition "3D-Druck: Revolution in Technik, Recht und Medizin?", die in Kooperation mit dem Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-SWISS, www.ta-swiss.ch) am 27. August dieses Jahres durchgeführt wurde. Dazu heißt es auf der Stiftungswebsite: "An dem halbtägigen Anlass vermitteln Experten aus den Bereichen Industrie, Recht und Medizin den aktuellen Stand des Wissens und diskutieren mit Ihnen kritische Fragen."
http://www.risiko-dialog.ch/themen/informationstechnologien/veranstaltungen/616-lernexpedition-3d-druck-revolution-in-technik-recht-und-medizin

[4] Näheres dazu unter:
http://www.risiko-dialog.ch/themen/geothermie/pressespiegel

[5] Matthias Honegger bezieht sich hier unter anderem auf die Eröffnungsansprache des Staatssekretärs Dr. Georg Schütte aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Als Video nachzusehen und zu hören unter:
http://www.ce-conference.org/media/204

[6] Matthias Honegger: The Climate Engineering Governance Challenge from a Climate Policy Perspective, Master thesis 8/13, NSSI - Natural and Social Science Interface
https://www.academia.edu/4784343/The_Climate_Engineering_Governance_Challenge_from_a_Climate_Policy_Perspective


Zur "Climate Engineering Conference 2014" sind bisher in dem Pool
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1. Oktober 2014