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BERICHT/011: Klima, Aerosole - Schadensträger im Fadenkreuz, Teil 8 (SB)


Gruppenfoto der Konferenzteilnehmer - Foto: © 2011 by Schattenblick

Internationale Klima- und Abrüstungsexperten
Foto: © 2011 by Schattenblick

Generation Aufbruch in der kritischen Forschung

Bericht von der Konferenz "Severe Atmospheric Aerosol Events" am 11./12.8.2011 in Hamburg

Teil 8 und Schluß: Zusammenfassende Bewertung

Diese Woche hat die Nationale Katastrophenschutzbehörde Mexikos die Warnung ausgegeben, daß Asche, die der Vulkan Popocatepetl am Dienstag viermal hintereinander rund einen Kilometer hoch ausgeworfen hat, auf die 65 Kilometer entfernte Hauptstadt Mexico City herabregnen kann. Die Menschen sollten mindestens zwölf Kilometer Abstand zum Krater halten. [1]

Ein aktueller Anlaß, der die Relevanz der Fragen, die auf der Konferenz "Severe Atmospheric Aerosol Events" (SAAE) behandelt wurden, kräftig unterstreicht. Aerosole sind nicht nur ein regionales Thema, wie in dieser Meldung beschrieben, sondern ein globales. Auf der einen Seite werden sie als Schadensträger angesehen, wenn beispielsweise Vulkanausbrüche zur Verhängung großräumiger Flugverbote führen, radioaktive Partikel aus havarierten Atomkraftwerken Mensch und Umwelt kontaminieren oder sich der gesundheitsschädigende Rauch von Waldbränden über menschliche Siedlungen legt. Auf der anderen Seite besteht die Hoffnung, daß der Schaden in einen Nutzen gekehrt werden kann, wenn es im Rahmen von Geoengineering-Projekten gelänge, durch das absichtliche Ausbringen von Aerosolen in der Atmosphäre der globalen Erwärmung wirksam entgegenzutreten. Um diese und weitere Fragen im Zusammenspiel von menschlichen Aktivitäten und Aerosolen drehte sich die Hamburger SAAE-Konferenz.

So viele brisante Themen und verschiedene Aspekte im Aerosolgeschehen dort auch angesprochen wurden, neben Schwefel, Schwefeldioxid, Ruß, Kohlenstoffdioxid und Staub schien einem möglicherweise für die Meteorologengilde schon zu selbstverständlich gewordener Stoff recht wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden zu sein: dem Wasser. Dabei wird ihm doch, ähnlich wie den bei Bränden und Vulkaneruptionen häufiger erwähnten Rußpartikeln als Schadstoffträger, eine nicht unerhebliche Transport- und Verteilfunktion zugesprochen. Seine Funktion wurde nur von Prof. Goldammer bei der Verteilung von radioaktiver Kontamination im nebenherein angesprochen [siehe hierzu BERICHT/008: Klima, Aerosole - Schadensträger im Fadenkreuz, Teil 5 (SB)]. Der Referent wies darauf hin, daß nicht unbeträchtliche Mengen des beispielsweise in Tschernobyl freigesetzten Strahlenmaterials (Teilchen aus radioaktiven Elementen oder ihren molekularen Verbindungen) durch Regenwasser aus der Luftschicht ausgewaschen und dann völlig willkürlich auf der Erde verteilt werden, wo sie den verschiedenen Kreisläufen und Stoffwechselprozessen unterliegen, bis sie vielleicht zufällig wieder durch Brände (möglicherweise aber auch durch Hitze erzeugten Wasserdampf) in höhere Luftschichten geschleudert werden.

Die Bewegung von Wassergasen in der Luft verbindet die chemischen Gase und das Aerosolgeschehen in der unteren Atmosphäre, unserer Atemluft, mit den Aerosolwolken in der Stratos- oder höheren Troposphäre, die aber ebenfalls die zur UV-Abschirmung nützliche, aber chemisch anfällige Ozonschicht beheimaten und in die auch die Schadstoffe und Treibhausgase eingetragen werden. Aerosolforscher und Atmosphärenchemiker analysieren im wesentlichen die verschiedenen Schichten oder vereinzelte Reaktionskreisläufe oder Problemzirkel, sowie mögliche Störungen in den gemeinhin als "harmonisch" verstandenen geschlossenen Kreisläufen, die ohnehin schon ein Fehlschluß sind, kann doch in einem nach allen Seiten offenen System wie der Atmosphäre nichts wirklich als "geschlossen" betrachtet werden.

Schon die Vorstellung eines größeren potentiellen Zusammenhangs z. B. durch das Wasser, multipliziert adhoc die Problemlage, die zufällige oder absichtliche menschliche Eingriffe in die Atmosphärenchemie ohnehin bewirken, und von Harmonie oder geschlossenen Kreisläufen kann erst recht keine Rede mehr sein. Ob es die Emissionen der chemischen Industrie, Ruß- und CO2-Einträge, Fluorkohlenwasserstoffe oder ihre Ersatzstoffe aus Spraydosen und Klimaanlagen sind (um nur ein paar gemeinhin bekannte Beispiele zu nennen) oder die aus nuklearen Unfällen entwichenen radioaktiven Teilchen, alle diese Stoffe können, gelöst in Wasser oder von Adsorbentien wie Ruß getragen, als Aerosole willkürlich in höhere Atmosphärenschichten transportiert werden und dort auf bereits erforschte, aber auch auf noch überhaupt nicht vermutete Weise miteinander reagieren. Energetisch angeregt durch Sonnen- oder sonstige kosmische oder ionisierende Strahlung, an katalytisch wirksamen Oberflächen wie Ruß oder Metallteilchen, lassen sich Reaktionsmöglichkeiten ohne Ende vorstellen, deren Endprodukte dann auch irgendwann wieder durch Wassertröpfchenverbindungen zusammenkleben und aus der Atmosphäre zurück auf die Erde fallen.

Vor diesem Hintergrund sollte man jeden anthropogenen Eingriff in die Atmosphärenchemie mit äußerster Umsicht bedenken, wird man doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen weiteren Kreislauf hinzufügen, sondern den längst bestehenden Circulus vitiosus nur verstärken.

Auf der Konferenz war viel von Computersimulationen und Modellen die Rede. Zahlreiche Stimmen kamen zu Wort, die den unmißverständlichen Eindruck vermittelten, daß die Datenlage zu den Folgewirkungen des Geoengineerings ungenügend sei. Im Sprachverständnis der Wissenschaft sind solche Stellungnahmen nicht, wie man irrtümlich annehmen könnte, als Empfehlung an die Forscherkollegen gedacht, die Finger vom Geoengineering zu lassen; im Gegenteil, es wird der Bedarf nach Erhebung weiterer Daten angemeldet. Und tatsächlich haben vor wenigen Tagen britische Geoengineering-Experten angekündigt, daß sie im Oktober mit den Vorbereitungen für einen Test beginnen, um später einmal mit Hilfe eines langen Schlauchs und eines Ballons in 20 Kilometern Höhe über der Erde Aerosole auszubringen. Ein solcher, mit Helium gefüllter Stratosphärenballon müßte mehrere hundert Tonnen Gewicht des Schlauchs und der aufsteigenden Flüssigkeit tragen und besäße voraussichtlich einen Durchmesser von 100 bis 200 Metern. [2]

Auf diese Weise soll der meßbare klimatische Abkühlungseffekt durch vulkanische Aerosole nachgeahmt werden. Bei ihrem ersten Testlauf werden Forschungsleiter Matthew Watson von der Universität Bristol und seine Kollegen keine schwefelhaltigen Partikel, sondern Wassertröpfchen ausbringen, und der Ballon soll auch nicht bis zur Stratosphäre aufsteigen, sondern die Tröpfchen in ein Kilometer Höhe verteilen.

Dieses Vorstufen-Experiment, das für Oktober anberaumt ist, wird keinen nennenswerten Einfluß auf die Atmosphäre ausüben und soll unter anderem Daten für andere Geoengineering-Maßnahmen liefern, die "low-level cloud whitening" genannt werden. Die Idee hierzu lautet, daß durch das Aufhellen von niedrigen troposphärischen Wolken mittels fein zerstäubter, salzkristallhaltiger Wassertröpfchen die Sonnenstrahlung reflektiert wird, bevor sie die Erdoberfläche aufwärmt. Es läßt sich gut vorstellen, daß bis zur endgültigen Praxisreife noch etliche Probleme zu lösen sind.

Prof. Dr. Jürgen Scheffran (Institut für Geographie der Universität Hamburg) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Dr. Jürgen Scheffran (Institut für Geographie der Universität Hamburg)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Vielleicht sind die technologischen Hürden sogar noch die geringsten. Am Rande der Konferenz erwiderte Prof. Dr. Jürgen Scheffran, Leiter der Forschungsgruppe "Klimawandel und Sicherheit" im Hamburger Exzellenzcluster CliSAP, auf die Frage des Schattenblick, wo die Verknüpfungspunkte zwischen dem Thema Aerosole und seinem Forschungsschwerpunkt sind:

"Zum einen betrifft es das Geoengineering direkt. Wird es realisiert, ist das eine Maßnahme, die sicherheitspolitische Implikationen hat. Beispielsweise stellt sich die Frage, was das optimale Klima ist. Werden andere Akteure von dem, was als optimale globale Temperatur definiert wird, betroffen sein? (...) Deshalb ist absichtliches Geoengineering eine eminent politische Frage. Wenn man Absicht sagt, muß man sich mit Motivation, Interessen, Zielen und Kosten beschäftigen, auch mit Fragen von Akzeptanz von Risiken und vielen Dingen mehr."

Der zweite Berührungspunkt beträfe den Atomkrieg und seine globalklimatischen Folgen, das heißt die Abkühlung der Erde, erklärte Prof. Scheffran. Jene "vielen Dinge" aus dem obigen Zitat führte er in seinem Abschlußreferat mit dem Titel "Security implications and conflict potentials of severe atmospheric aerosol injections: A comparative assessment of sources, pathways and politics" (Sicherheitsimplikationen und Konfliktpotentiale schwerer atmosphärischer Aerosol-Einträge: Eine vergleichende Einschätzung der Quellen, Wege und politischen Fragen) näher aus. Darin warf er zahlreiche wissenschaftliche, rechtliche und politische Fragen auf, die eigentlich beantwortet werden müßten, noch bevor Geoengineering-Maßnahmen ergriffen werden:

Welche globale Durchschnittstemperatur soll erreicht werden? Wie beeinflußt eine globale Temperaturmanipulation lokale Temperaturverhältnisse? Welcher Mittel bedient man sich und welche Nebenwirkungen treten auf? Wer trägt die Verantwortung für die Risiken? Welche Schutzmaßnahmen müßten ergriffen werden? Kann Geoengineering als Herrschaftsmittel oder zu anderen aggressiven Zwecken eingesetzt werden? Inwiefern könnten Terroristen solche Maßnahmen als Waffe instrumentalisieren? Was passiert, wenn ein Land behauptet, es betreibe Geoengineering zu friedlichen Zwecken, ein anderes aber der Ansicht ist, das sei ein feindlicher Akt? Tritt ein Nebeneffekt absichtlich oder unabsichtlich auf? Wäre es akzeptabel, wenn zwar die globale Durchschnittstemperatur gesenkt würde, aber aufgrund des Geoengineerings in einem Land die Niederschlagsmenge drastisch abnähme? Wer entscheidet dann darüber, was gemacht wird? Würde gegebenenfalls für Ausgleich gesorgt?

Prof. Scheffran stellte zwei internationale Verträge vor, die das Geoengineering direkt betreffen und einschränken. Zum einen die ENMOD-Konvention. Diese "Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques" ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der die militärische oder sonstige feindselige Verwendung umweltbeeinflussender Techniken verbietet. Zum zweiten die UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), in der festgelegt ist, daß kein Staat aus Klimaschutzgründen Maßnahmen ergreifen darf, wodurch die Umwelt anderer Staaten geschädigt wird.

Verkürzt kann somit konstatiert werden, daß Umweltkriege verboten sind und Geoengineering niemandem Schaden zufügen darf. Läßt man allerdings die sogenannte Zivilisationsgeschichte der Menschheit Revue passieren, so drängt sich leicht der Schluß auf, daß es wohl eines gänzlich anderen Menschen bedarf, damit all die auf der Konferenz aufgeworfenen Fragen und Probleme zum Geoengineering und zur nuklearen Abrüstung auf einvernehmliche Weise in Angriff in Angriff genommen werden.

Prof. Scheffran und Prof. Dr. Georgiy Stenchikov (King Abdullah University of Science and Technology) - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Scheffran und Prof. Dr. Georgiy Stenchikov (King Abdullah University of Science and Technology)
Foto: © 2011 by Schattenblick

Eine Schlußfolgerung aus der SAAE-Konferenz und der Beschäftigung mit Aerosolen könnte lauten, daß die Umweltbewegung, so breit aufgestellt sich ihre Beteiligten auch wähnen, gewisse politische Fragen vernachlässigt hat. Denn die Gefahr eines atomaren Waffengangs, beispielsweise zwischen Indien und Pakistan, ist gegeben. Die Folge wäre nicht "nur" eine völlige Zerstörung der beiden Länder und es wäre auch nicht "nur" damit getan, daß die gesamte politische Weltordnung in Aufruhr geriete. Die auf der SAAE-Konferenz besprochenen Studien der weltweit anerkannten Klimaforscher besagen nicht weniger, als daß die Erde in eine Phase des nuklearen Winters einträte. Das Klima würde sich schlagartig dramatisch verändern, es käme weltweit zu umfangreichen Ernteausfällen, da die enormen Mengen an aufgewirbelten Aerosolen sowohl aus den Einschlägen selbst als auch - und in einem sehr viel bedeutenderen Ausmaß - der sich anschließenden Feuerstürme bis hinauf in die Stratosphäre gelangten.

Dort würden sich schätzungsweise fünf Millionen Tonnen Rauchpartikel binnen zwei Wochen zu einer Schicht um den gesamten Globus legen und vermutlich zehn Jahre lang sieben bis zehn Prozent der Wärmestrahlung der Sonne abhalten. An der Erdoberfläche würde es so kalt werden wie seit mindestens 1000 Jahren nicht mehr. Zeitgleich damit würde die Ozonschicht in der Stratosphäre zerstört, so daß die gefährliche UV-Strahlung der Sonne ungehindert auf die Erdoberfläche und damit auf Menschen, Tiere und Pflanzen träfe. Vermehrte Krankheiten wie Hautkrebs wären die Folge; auf den Vegetationsrestflächen würden die verbliebenen Pflanzen Strahlenschäden davontragen und verkümmern.

Das alles geschähe nicht in tausend und nicht in hundert Jahren, sondern dann, sollten Indien und Pakistan in einen atomaren Schlagabtausch eintreten. Das könnte schon morgen sein oder niemals Realität werden. Wer die gewaltigen politischen Spannungen in den letzten Jahren zwischen diesen beiden Ländern mitverfolgt hat, wird jedoch wissen, daß es vielleicht nur eines Vorfalls wie dem vom 13. Dezember 2001 bedarf, als das indische Parlament von pakistanischen Kämpfern angegriffen wurde, oder der vom 26. November 2008, als Bewaffnete rund 150 Menschen in Mumbai umbrachten, um einen nuklearen Winter auszulösen.

Selbst die Tötung Osama bin Ladens durch Spezialkräfte der USA hat erneut Spannungen erzeugt, vermutet doch Indien, daß sich der von ihm als Topterrorist gesuchte Dawood Ibrahim ebenfalls in Pakistan aufhält, was dessen Regierung aber bestreitet. Auch die völkerrechtlich umstrittenen Drohnenangriffe der USA auf die pakistanischen Nordwestgebiete bergen neben der akuten Lebensgefahr der örtlichen Bevölkerung das Risiko, den gesamten Staat zu destabilisieren und Indien feindlich gegenüberstehende Interessengruppen - sprich: radikale Muslime, möglicherweise sogar innerhalb des einflußreichen pakistanischen Geheimdienstes ISI - an die Macht zu bringen. Diese könnten versucht sein, dem Nachbarland einen Schlag mit Atomwaffen zu versetzen. Oder aber Indien greift dieser Option vorweg und startet seinerseits einen Kernwaffenangriff.

In der Klimaforschung wird von "Tipping points" oder auch "Triggern" gesprochen, wenn kleine Wirkungen gewaltige Effekte auslösen und eine plötzliche Dynamik der natürlichen Abläufe in Gang setzen. Die kämen erst dann wieder auf einem Ordnungsniveau zum Stillstand, das sich sehr vom Ausgangsniveau unterschiede. Im politischen Verhältnis zwischen Indien und Pakistan lauern womöglich zahlreiche "Trigger" an noch unerkannten Stellen, die einen Nuklearkrieg auslösen und somit einen nuklearen Winter erzeugen können. Ohne in Konkurrenz mit den Auguren computergestützter Wahrscheinlichkeitsprognosen treten zu wollen, aber diese Möglichkeit der Entwicklung erscheint sogar noch plausibler als ein Asteroideneinschlag auf der Erde oder ein globales Umkippen der Klimaverhältnisse bis hin zu venusischen Verhältnissen aufgrund von Treibhausgasemissionen.

Die Aerosolforschung führte lange Zeit ein Schattendasein innerhalb der Klimadebatte. Die Konferenz in Hamburg könnte als Indiz für den Beginn einer anderen Entwicklung gewertet werden. Der Leiter des Organisationskomitees der Konferenz, Prof. Dr. Martin Kalinowski, und sein Kollege Prof. Dr. Jürgen Scheffran haben sich mit diesem zweitägigen Treffen internationaler Experten einen vielleicht schon lange gehegten Traum erfüllt, waren doch beide in der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) an der TU Darmstadt aktiv. In einer Kurzvorstellung der Arbeitsgruppe heißt es:

"Die Mitglieder von IANUS kommen aus natur-, ingenieur- und geisteswissenschaftlichen Fachbereichen der TU Darmstadt und verfolgen einen problemorientierten interdisziplinären Ansatz. Der Einfluss von Forschung und Technologie auf Konfliktkonstellationen wird in den Blick genommen, und es werden Vorschläge für angemessene Umgangs- und Handlungsmöglichkeiten erarbeitet. Dabei stehen die Wahrnehmung der Ambivalenzen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Zentrum sowie die Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten unter Zugrundelegung normativer Orientierungen wie Frieden, Sicherheit und Nachhaltigkeit. (...) In vielen Arbeiten der letzten Jahre war ein Bezug zu internationalen Vertragsregimen von Bedeutung (nukleare Abrüstungs- und Nichtverbreitungsverträge, Biowaffenkonvention, Klimarahmenkonvention, Biodiversitätsprotokoll)." [3]

Der in dieser Beschreibung in jedem Satz hindurchscheinende Geist der IANUS schien auch während der zwei Tage ständig durch den Konferenzraum des Zentrums für Marine und Atmosphärische Wissenschaften (ZMAW) in Hamburg zu schweben. Hier wurden mit großem Engagement zukunftsentscheidende Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung angesprochen. Einiges blieb allerdings auch unerwähnt oder wurde vernachlässigt. Beispielsweise die Frage, ob nicht mit einem womöglich folgenschweren Geoengineering, von dem es, einmal in Gang gesetzt, vielleicht kein Zurück mehr gäbe, die vorherrschenden Produktionsverhältnisse legitimiert und ihre Profiteure der Verantwortung enthoben werden.

Wie Prof. Owen Brian Toon im Gespräch mit dem Schattenblick [siehe hierzu: INTERVIEW/003: Klima, Aerosole - Brian Toon, Atmosphären- und Meeresforscher (SB)] sagte, kam das in der Umweltbewegung so gefeierte Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht erst zustande, nachdem die Patentrechte des Chemiekonzerns DuPont ausliefen und er für sich einen Nutzen im technologischen Schwenk fort von den ozonzersetzenden FCKWs erkannte. Die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen das Klima zunächst unabsichtlich durch CO2-Emissionen verändert wurde, und die Geoengineering-Konzepte, mit denen der Schadensfall angeblich wieder behoben werden kann, sind die gleichen. Sie waren auf der Konferenz kein Thema.

Fußnoten:

[1] "Mexico's Popocatepetl Volcano Blasts Out Ash", Associated Press (OfficialWire), 31. August 2011
http://www.officialwire.com/main.php?action=posted_news&rid=30410

[2] "Giant pipe and balloon to pump water into the sky in climate experiment", The Guardian, 31. August 2011
http://www.guardian.co.uk/environment/2011/aug/31/pipe-balloon-water-sky-climate-experiment

[3] "Die Entwicklung von IANUS", Kurzvorstellung der Organisation. Aus dem Netz abgerufen am 2. September 2011
http://www.ianus.tu-darmstadt.de/KurzinfoIANUS/

Lebhafte Debatte der Konferenzteilnehmer - Foto: © 2011 by Schattenblick

Lebhafte Debatte der Konferenzteilnehmer
Foto: © 2011 by Schattenblick

2. September 2011