Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


RESSOURCEN/204: Ein Drittel der globalen Landfläche degradiert (SB)


Global Land Outlook - detailreich, aber harmlos


Der Verbrauch der natürlichen Ressourcen der Erde hat sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Inzwischen gilt rund ein Drittel der Landfläche als degradiert, und jedes Jahr gehen 15 Milliarden Bäume und 24 Milliarden Tonnen Ackerboden verloren. Das sind einige der Kernaussagen der ersten Ausgabe des umfassenden "Global Land Outlook" (GLO), der diese Woche auf dem 13. Treffen der United Nations Convention to Combat Desertification (UNCCD) - Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung - in Ordos, China, vorgestellt wurde.

Demnach sitzen 1,3 Milliarden Menschen weltweit auf degradierter Landfläche fest und sind einer wachsenden Konkurrenz um Wasser, Nahrung und Energieträger ausgeliefert. Zu den verletzlichsten Gruppen gehören dabei Kleinbauern, Frauen und indigene Gemeinschaften. In diesem Sinne kann Landdegradierung als Bedrohungsverstärker angesehen werden, vor allen Dingen dann, wenn der Nutzen von Landfläche zur Nahrungsproduktion und Wasserbewahrung andere lebenswichtige Ökosystemdienstleistungen untergräbt, heißt es in der 340 Seiten starken Bestandsaufnahme der Naturressourcen am Beispiel der Landfläche. Unter bestimmten Umständen wachse aufgrund der Degradierung von Land sogar das Konfliktrisiko, heißt es darin.

Die Übernutzung der Landfläche und der Verlust an Bodenqualität aufgrund physikalischer, chemischer und biologischer Belastungen hat in den beiden letzten Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Zwischen 1998 und 2013 zeigten schätzungsweise 20 Prozent der bewachsenen Landfläche eine anhaltende Verschlechterung der Produktivität. Gleiches gilt für die globale Ackerfläche. Weideland zeigt zu 27 Prozent, Wald zu 16 Prozent und Grasland zu 19 Prozent anhaltende Verschlechterungen.

Die Landdegradierung als Verstärker bestehender Bedrohungslagen zu beschreiben, erinnert an die Verwendung des Begriffs "Klimawandel" im Jargon von Politik und Zivilgesellschaft. Ebenso wie sowohl das regionale als auch das globale Klima in sich selbst verstärkende Prozesse münden kann - beispielsweise wenn sich die Erde erwärmt, taut der Permafrost schneller, wodurch klimarelevante Gase wie Methan, CO2 und Lachgas freigesetzt werden, die dann die globale Erwärmung antreiben - kann auch die Degradierung der Landfläche in einen Teufelskreis münden, wenn die Regenerationsfähigkeit der Landfläche verloren geht. Ein von Pflanzenbewuchs befreiter Boden erodiert schneller, so daß die oberste Humusschicht abgetragen wird und Pflanzen nicht mehr genügend Nahrung finden. Die Verkarstung nimmt weiter zu.

Ähnlich wie vergleichbare Studien der unterschiedlichen UN-Institutionen zur Lage der Welt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner zeichnet sich der Outlook durch ein umfassendes Datenmaterial und eine detaillierte Bestandsaufnahme der Natursysteme aus. Wohingegen er in einer Hinsicht fast schon erwartungsgemäß recht vage bleibt, nämlich wenn es darum geht, Roß und Reiter beim Namen zu nennen. Es wird zwar beispielsweise über "Einkommensungleichheit" als Gefahrenverstärker geschrieben, aber daß die gesellschaftlichen Verhältnisse von vornherein so angelegt sind, daß einige wenige Menschen auf Kosten vieler leben, wird nicht weiter vertieft.

Wenn jedoch in der heutigen globalisierten Welt laut Oxfam die acht reichsten Personen mit zusammen 426 Milliarden Dollar über ein größeres Vermögen verfügen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung (409 Milliarden Dollar) von rund 3,2 Milliarden Menschen, dann ist klar, daß jene acht Personen auch einen sehr viel höheren Ressourcenverbrauch haben werden als die meisten anderen.

Die Lebensverhältnisse der Staaten untereinander und jeweils innerhalb einzelner Staaten unterscheiden sich extrem voneinander und hängen unter anderem vom Einkommen und dem Vermögen ab. Insofern finden die im Global Land Outlook geschilderten Mißstände nicht getrennt von gesellschaftlichen Unterschieden zwischen Menschen mit Privilegien und Menschen, die fürs nackte Überleben oder ein geringes Entgelt körperlich ruinöse Arbeiten verrichten statt.

Die Einkommens- und Vermögensdiskrepanz spiegelt sich nicht nur im Ressourcenverbrauch wider, sondern auch in der Lebenserwartung. So haben selbst im wohlhabenden Deutschland die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung ein durchschnittlich zehn Jahre längeres Leben als die ärmsten fünf Prozent. Es könnte um nicht weniger gehen, als die Voraussetzungen der Vergesellschaftung des Menschen, die zu solchen Diskrepanzen führen, in Frage zu stellen. Darauf zu hoffen, daß die privilegierten Personen freiwillig auf ein paar Jahre ihres Lebens verzichten, damit andere davon profitieren, wäre naiv. Wenn es nicht bei den zukünftigen Global Land Outlooks zu den immer gleichen Schilderungen von Mißständen und Schlußfolgerungen bleiben soll, und seien sie noch so detailreich wie bei der im September 2017 erschienenen ersten Ausgabe des GLO, dann darf die Eigentumsfrage nicht länger ausgespart bleiben. Es ist zu erwarten, daß die sozialen Spannungen weiter zunehmen, je knapper die Überlebensressourcen in Folge der Landdegradierung werden.

14. September 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang