Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

RESSOURCEN/112: Ethanol-Kraftwerk nimmt in Brasilien Betrieb auf (SB)


Brasiliens Ölkonzern Petrobras investiert in Ethanolproduktion

Verheerende soziale und ökologische Folgen des Zuckerrohranbaus


Am 19. Januar hat in Brasilien das weltweit erste von Ethanol angetriebene Kraftwerk offiziell seinen Betrieb aufgenommen. Im vergangenen Monat hatte der staatliche Energiekonzern Petrobras und der Energieversorger GE mit dem Testlauf eines von zwei Generatoren des 87-Megawatt-Kraftwerks Juiz de Fora im Bundesstaat Minas Gerais, rund 180 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro, begonnen. Während eine Turbine weiterhin mit Erdgas läuft, kann die andere nach einem Umbau nahezu verzögerungsfrei auf Ethanol umgeschaltet und weiterbetrieben werden. In den nächsten fünf Monaten will Petrobras die Anlage testen und prüfen, ob die Emissionen den Erwartungen entsprechen, berichtete die Internetseite BusinessGreen am Mittwoch. [1]

Im Jahr 2008 hat Brasilien 26,9 Mrd. Liter Ethanol produziert, Hauptquelle war Zuckerrohr, der größtenteils vom heimischen Fahrzeugverkehr und Flugbetrieb verbraucht wird. Sollte der Kraftwerkseinsatz erfolgreich sein, werde Petrobras weitere Generatoren mit Ethanol betreiben, kündigte die Abteilungsleiterin für Erdgas, Maria das Gracas Foster, an. GE erwägt, weitere seiner rund 770 eingesetzten Turbinen ähnlicher Bauart, von denen sich viele in Japan befinden, umzurüsten, falls der Versuch gelingt. John Ingham, GE-Direktor für Lateinamerika, sagte laut Reuters [2], erste Tests hätten gezeigt, daß die Kohlendioxidemissionen durch die Ethanolverbrennung ohne Energieeinbußen reduziert werden können.

Petrobras und andere Unternehmen investieren kräftig in die Herstellung von Biosprit aus Zuckerrohr, Ölpalmen und Eukalyptus in Brasilien. Die Regierung unter Präsident Lula fördert diese Entwicklung durch umfangreiche Subventionen, unter anderem der sogenannten Flexi-Fuel-Technologie im Fahrzeugbau, und weitreichende Zielvorgaben zur Erhöhung der Ethanolproduktion. Bis 2025 will Brasilien zehn Prozent des weltweiten Benzinverbrauchs stillen. Dafür muß die Anbaufläche für Zuckerrohr von heute sieben Millionen auf 30 Millionen Hektar ausgedehnt werden.

Die Politik der brasilianischen Regierung fördert Sklaverei und extrem ausbeuterische Arbeit, sie treibt das Abholzen des Amazonas-Regenwalds und die Auslaugung und Pestizidbelastung der Böden im Cerrado voran und führt zu Vertreibungen der ursprünglichen Bevölkerung, sagen die Kritiker. Nein, die Politik der Regierung treibt Brasilien über den Status eines Schwellenlands hinaus, macht es endgültig zur lateinamerikanischen Führungsmacht, die den Einfluß der USA zurückdrängt und eine gewichtige Stimme in der Weltpolitik innehat, halten die Befürworter dagegen.

Durch diese Gegenüberstellung wird jedoch kein Gegensatz aufgebaut, sondern das eine ergibt sich aus dem anderen. Der wirtschaftliche Aufschwung und der weltpolitische Bedeutungszuwachs Brasiliens gründen sich maßgeblich auf die genannten und eine Reihe weiterer Negativaspekte. Damit Brasilien zum weltweit führende Ethanolexporteur aufsteigen konnte, mußte ein Heer von Sklaven und Lohnsklaven für keinen oder einen Hungerlohn 12 bis 15 Tonnen Zuckerrohr am Tag schneiden. Dieser Wert war nur zu erreichen, wenn ein Plantagenarbeiter 30 Schläge mit der Machete in der Minute ausübt, also alle zwei Sekunden ein Schlag, acht Stunden am Tag, bei Wind und Wetter, jeden Tag. [3] Zuckerrohrschneider werden nicht alt, sie altern schnell.

Der Schrumpfungsprozeß des brasilianischen Regenwalds, der eine bedeutende Rolle für das globale Klima spielt, konnte zwar von Brasiliens Regierung abgemildert werden, aber er wurde nicht gestoppt oder gar ins Gegenteil verkehrt, wie es angesichts der globalen Klimaentwicklung aus wissenschaftlicher Sicht vernünftig wäre. Das vergangene Jahrzehnt hat gezeigt, daß die Abholzung phasenweise zu- oder abnahm. Von einem langfristigen Tendenz zur Walderholung kann jedoch überhaupt nicht die Rede sein.

Die Mitte September vorgelegten Pläne der Lula-Administration zur Zonierung der Fläche, auf der Zuckerrohr angebaut werden darf, wirkten auf den ersten Blick überzeugend - bis sich bestätigte, wovor NGOs schon lange warnen, nämlich daß die Ethanolproduzenten die Rinderhalter verdrängten, die daraufhin Flächen im Regenwald roden. [4] Darüber hinaus ist nur der Zuckerrohr der staatlichen Zoneneinteilung unterworfen, die Ölpalmen, die im Amazonasgebiet hervorragende Wachstumsbedingungen vorfinden, betrifft dies nicht.

Der von Petrobras und GE gefeierte Fortschritt, daß eine Kraftwerksturbine nun auch mit Ethanol angetrieben werden kann, symbolisiert umgekehrt die fortgesetzte Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft und Zerstörung einer globalklimatisch bedeutsamen Landschaft.


*


Anmerkungen:

[1] "World's first ethanol power plant opens in Brazil", BusinessGreen, 20. Januar 2010
http://www.businessgreen.com/business-green/news/2256433/world-first-ethanol-power-plant

[2] "Brazil opens world's first ethanol-fired power plant", Reuters, 19. Januar 2010
http://www.reuters.com/article/idUSTRE60I54720100119

[3] "Brasilien - bald das 'Grüne Saudiarabien Lateinamerikas'?", Katrin Ansel, lateinamerika - Quetzal - Leipziger Lateinamerika Verein, November 2009
http://www.quetzal-leipzig.de/lateinamerika/brasilien/brasilien-bald-das-�grune-saudiarabien-lateinamerikas�-19093.html
(Bitte den Link im Browser zusammenfügen.)

[4] "Damit die Welt in Brasilien einkauft: Anbauplanung für Zuckerrohr", Kirsten Bredenbeck, Quetzal - Leipziger Lateinamerika Verein, November 2009
http://www.quetzal-leipzig.de/lateinamerika/brasilien/damit-die-welt-in-brasilien-einkauft-anbauplanung-fur-zuckerrohr-19093.html
(Bitte den Link im Browser zusammenfügen.)

20. Januar 2010