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RESSOURCEN/089: Reismangel, weltweit (SB)


Die Woche der Reisexport-Beschränkungen

Angesichts steigender Preise und eines zunehmenden Mangels haben Länder wie Vietnam, Indien, Indonesien, Kambodscha und Ägypten die Ausfuhr von Reis eingeschränkt oder verboten


Für rund die Hälfte der Menschheit bildet Reis das Hauptnahrungsmittel; nach Mais und Weizen liegt die Reiserzeugung weltweit an dritter Stelle. Ähnlich wie bei anderen Getreidearten nehmen auch bei Reis die globalen Reserven ab - seit ungefähr zehn Jahren übersteigt der globale Konsum die Produktion -, sie haben ihren niedrigsten Stand seit 30 Jahren erreicht (Al Jazeera, 28. März 2008). Umgekehrt ziehen die Preise enorm an. Damit ist die Existenz vieler Millionen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, unmittelbar bedroht, denn sie müssen ihr geringes Einkommen meist vollständig für den Erwerb von Nahrung ausgeben. Eine Verteuerung von Reis um zehn, zwanzig oder noch mehr Prozent, bedeutet für diese Menschen, zehn, zwanzig oder noch mehr Prozent weniger zu essen - ausgehend von einer ohnehin höchst prekären Versorgungslage.

Ähnlich wie beispielsweise die Europäische Union Importzölle für die meisten Getreidearten aufgehoben hat, um die Einfuhr zu erhöhen, oder Rußland mit umgekehrter Zielrichtung Getreideexportverbote verhängt hat, versuchen auch asiatische Länder, in denen Reis die wichtigste Nahrungsquelle bildet, durch staatliche Eingriffe das Versagen des sogenannten Marktes, der den globalen Mangel nicht zu beheben vermag, zu kompensieren. Andernfalls müßten die Regierungen mit sozialen Unruhen rechnen, durch die ihre eigene Existenz gefährdet wäre. Die vorherrschende Ordnung in den meisten Staaten mit wenigen Privilegierten, die existentiell abgesichert sind oder die Verfügungsgewalt über Reis und andere Güter innehaben, und den Menschen aus den unteren Schichten, die am Existenzminimum leben, ist fragil. Das haben unlängst die Brotunruhen in Ägypten und die Proteste in Indonesien gezeigt.

Seit Januar geht die Armee Pakistans, in dem die politische Lage vor allem wegen der Einbindung des Landes in den von den USA angeführten Globalen Krieg gegen Terrorismus, der sich unter anderem gegen den paschtunischen Teil der Bevölkerung richtet, von vornherein zum Zerreißen gespannt ist, dazu über, die Getreide-Lastwagen zu begleiten und zu sichern. In Ägypten wurde vor kurzem die Armee dazu abgestellt, Brot zu backen und es zu subventionierten Preisen an die Armen zu verteilen.

Vor diesem Hintergrund berichtete die "New York Times" am 29. März, daß die größten Reisproduzenten der Welt drastische Exportbeschränkungen für dieses Getreide verhängt haben. In den ersten drei Monaten des Jahres hat sich der Preis für Reis auf den Weltmärkten beinahe verdoppelt, ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen. Experten gehen auch gar nicht davon aus, daß das Nahrungsmittel - ebenso wenig wie Mais oder Weizen - jemals wieder nennenswert preiswerter wird.

Am Mittwoch untersagte die kambodschanische Regierung sämtliche Reisexporte für die nächsten zwei Monate, außer wenn sie von Regierungseinrichtungen getätigt werden. Tags darauf kündigte Ägypten ein sechsmonatiges Reisexportverbot beginnend mit dem 1. April 2008 an. Damit wandern eine Million Tonnen weniger auf den Weltmarkt. Am Freitag schließlich teilte die vietnamesische Regierung mit, daß die Reisexporte von 4,5 Millionen Tonnen in 2007 in diesem Jahr um fast ein Viertel gekürzt werden. Damit solle das allgemeine Preisniveau innerhalb des Landes gehalten werden. In Vietnam hat ein Pflanzenvirus für empfindliche Ertragsverluste gesorgt, erst seit drei Jahren nehmen sie nicht weiter zu.

Ebenfalls am Freitag hat auch Indien den Export von Reis weiter als bisher eingeschränkt, ausgenommen lediglich die teuerste Reissorte Basmati. Zum einen wurde der Exportpreis für Reis (nicht Basmati) von 650 Dollar/Tonne auf 1000 Dollar/Tonne erhöht, zum anderen wurden Steuererleichterungen für Reiserzeuger gestrichen. Indien mangelt es zwar nicht an Reis, aber dafür an Weizen, und es will aus Sicherheitsgründen seine nationalen Reislagerbestände auf zehn Millionen Tonnen aufstocken. Normalerweise exportiert Indien vier Millionen Tonnen Reis pro Jahr.

Lediglich Thailand, das noch vor Vietnam weltweit den meisten Reis erzeugt, hat noch keine Restriktionen verhängt, obgleich darüber diskutiert wird. Thailändische Exporteure würden sowieso keine Verträge mehr abschließen, sagte Ben Savage, der für Reis zuständige Direktor des in London ansässigen Handelsunternehmens Jackson Son & Company laut der "New York Times" (29. März 2008).

Indonesien, das jährlich fast 60 Millionen Tonnen Reis produziert, erwartet zwar Rekordernten, aber ausgerechnet dieser Umstand hat zur Verknappung geführt: Zunächst sanken die Preise, woraufhin die Händler den Reis in andere Länder exportierten, wo sie deutlich mehr Geld für ihre Ware erhielten. Das führte jedoch dazu, daß man in Indonesien selbst auf einmal ebenfalls nicht genügend Reis mehr besaß, um die 235 Millionen Einwohner ausreichend zu versorgen.

Die Philippinen haben sich vom einstigen Reisexport- zu einem Reisimportland gewandelt. Laut der Wirtschaftsforschungsgruppe Ibon Foundation mußten im vergangenen Jahr 1,8 Millionen Tonnen Reis eingeführt werden, das machte einen Anteil von 16 Prozent des gesamten Reiskonsums des Landes aus (New York Times, 26. März 2008). Nun haben in dem südostasiatischen Land die allgemeine Verteuerung und die jüngsten Exportrestriktionen zu einer riskanten Lage geführt. Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo erteilte vergangene Woche Dienstag ihrem Agrarminister Arthur Yap die Anweisung, massiv gegen jene vorzugehen, die den subventionierten Reis einbehielten. Dessen Wert steigt von Tag zu Tag, wer heute verkauft, ärgert sich morgen darüber, daß er nicht noch mehr herausgeschlagen hat.

Der Reispreis ist auf den Philippinen seit Januar um beinahe 50 Prozent gestiegen. Die Regierung gibt den Händlern die Hauptschuld an der Lage und will ihre Lastwagen verfolgen, um zu prüfen, wohin sie fahren und ob der Reis tatsächlich bei den Armen ankommt. Desweiteren haben die Philippinen in einem außergewöhnlichen Schritt Vietnam gebeten, die Versorgung mit Reis zu garantieren. Am Donnerstag wurde ein entsprechendes Abkommen über die Lieferung von 1,5 Millionen Tonnen vereinbart. Auch die USA, die auf den Philippinen einen wichtigen militärischen Außenposten besitzen, haben die zusätzliche Lieferung von 0,1 Million Tonnen Reis zugesagt.

Schließlich forderte der philippinische Agrarminister Yap die Restaurants auf, die Portionen zu reduzieren, es würde immer zu viel Reis verschwendet. Die Philippinen verzeichnen ein hohes Bevölkerungswachstum, inzwischen leben fast 90 Millionen Menschen in dem Inselstaat. 40 Prozent von ihnen fristen ein Dasein an der Armutsgrenze oder darunter.

Die "Neue Zürcher Zeitung" (29. März 2008) bringt den Reismangel auf den Philippinen unter anderem mit einer schlechten Infrastruktur und einer Verlagerung der Anbaufläche für die Herstellung von Biotreibstoffen in Verbindung, ohne das allerdings durch konkrete Beispiele zu belegen. Die Reisvorräte der Regierung, die normalerweise 30 Tage reichten, könnten nur noch eine Versorgung von acht Tagen garantieren, hieß es.

Im November 2007 wurde in Bangladesh ein beträchtlicher Teil der Reisfelder aufgrund von Überflutungen vernichtet. Deshalb wird das Land in diesem Jahr voraussichtlich drei Millionen Tonnen Reis einführen, damit die 144 Millionen Einwohner genügend zu essen haben. Obgleich nur sieben Prozent der globalen Reisproduktion international gehandelt werden - der International Grains Council (IGC) prognostiziert für dieses Jahr ein Exportvolumen von insgesamt 29,6 Millionen Tonnen -, werden Reisimportländer wie Bangladesh oder die Philippinen von den Ausfuhrbeschränkungen der anderen Länder hart getroffen.

Auf der anderen Seite kann es um die Versorgungslage in den Exportländern ebenfalls nicht besonders gut gestellt sein, eben weil nur sieben Prozent der Welternte die nationalen Grenzen verlassen. Das bedeutet nämlich, daß staatliche Eingriffe wie die Exportrestriktionen keinen besonders großen Einfluß auf die heimische Preisentwicklung haben werden. Und es zeigt darüber hinaus, daß die Regierungen allmählich an die Grenze dessen gelangen, was ihnen überhaupt an dieser Art von Steuerungseingriffen möglich ist. In Vietnam beispielsweise haben die Einzelhandelspreise insgesamt in den letzten Monaten um 60 Prozent angezogen. Abgesehen von Reis verteuerten sich auch andere Lebensmittel wie Weizen, Sojabohnen, Schweinefleisch und Speiseöl. Folglich geht das Problem der Verteuerung weit über den Reis hinaus. Betroffen sind sämtliche Getreidearten und somit alle Lebensmittel, auch Fleisch. Nahrungsmittel, Erdöl und andere Ressourcen treiben die Inflation in vielen Ländern der Welt deutlich an.

Zu Unruhen wegen der hohen Reispreise wird es zukünftig insbesondere in den urbanen Räumen kommen. Viele asiatische (aber natürlich auch afrikanische und lateinamerikanische) Städte haben in den letzten Jahrzehnten einen gewaltigen Zustrom an Menschen erfahren (Landflucht). Galt bislang der ländliche Raum als typische Armutsregion, so könnte sich das Verhältnis von Land zu Stadt jetzt umkehren. Nicht etwa, weil die Bauern reicher werden, da sie mehr Geld mit ihrer Ware verdienen, sondern weil es den Menschen in den wachsenden Slums am Rande der Großstädte schlechter ergehen wird.

Ausgerechnet die von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geschmähte Subsistenzwirtschaft dürfte sich für viele kleinbäuerliche Haushalte als lebensrettend erweisen. Die Familien produzieren zwar keine "cash crops" für den Export, aber immerhin produzieren sie - selbst wenn ihnen nur eine winzige Anbaufläche für den Eigenbedarf (Subsistenz) zur Verfügung steht. Das bedeutet, daß sich ihre Armut strukturell von der Armut der Slumbewohner unterscheidet, die meist keine Landwirtschaft betreiben können, aber denen bislang in der Stadt andere - wenngleich bescheidene - Möglichkeiten der Überlebenssicherung zur Verfügung standen. Wohingegen Subsistenzbauern wiederum von jeder Mißernte schwer getroffen würden.

Im vergangenen Jahr wurden weltweit 645 Millionen Tonnen Reis eingefahren, 93 Prozent davon wurden in den Erzeugerländern selbst verbraucht. Noch vor der Ankündigung der Exportbeschränkungen in Vietnam und Indien haben sich in diesem Jahr die Gebote an den Börsen für Reis mittlerer Größe aus Thailand auf 735 Dollar die metrische Tonne verdoppelt, für entsprechenden Reis aus Vietnam verdoppelten sie sich beinahe (700 Dollar/Tonne).

Wie dramatisch die gegenwärtige Entwicklung voranschreitet, beweist eine Meldung vom 27. November vergangenen Jahres. Es ist also erst vier Monate her, da berichtete die Internetseite oryza.com unter der Überschrift "Global Rice Production To Slightly Improve In 2008", daß laut einem Report des International Grains Council die angespannte Lage am Markt anhalten dürfte, vor allem weil Indien und Vietnam Ausfuhrbeschränkungen verhängt hätten. "Aber die werden wahrscheinlich im ersten Quartal 2008 gelüftet", hieß es weiter. Wie wir weiter oben schrieben, haben die beiden genannten Länder ihre Ausfuhrbeschränkungen sogar noch erheblich verschärft.

Klimaforscher rechnen damit, daß die globale Reisanbaufläche aufgrund der allgemeinen Erderwärmung schrumpfen könnte. Reisfelder auf küstennahen, niedrig gelegenen Flächen werden vom Meer überspült, Klimazonen verschieben sich und bescheren traditionellen Anbaugebieten Dürre, Schmelzwasser der Hochgebirge bleibt aus, da die Gletscher verschwinden, der Monsun schwächt sich ab, Wirbelstürme nehmen an Heftigkeit zu, was zu Zerstörungen der Reisfelder führt. Hinzu kommt, daß viele Reissorten relativ empfindlich sind und wechselnde Wasserstände oder gar Überschwemmungen nicht gut vertragen.

Eine Extension der Reisanbauflächen in bislang ungenutzte Gebiete ist zwar möglich, aber nur im beschränkten Ausmaß, denn viele Flächen werden bereits genutzt, und die Restflächen fielen bislang aus gutem Grund aus der Bewirtschaftung heraus, da sie meist unzugänglich und nur mit größerem Aufwand in eine Nutzung überzuführen sind.

Die jüngsten Exportbeschränkungen für Reis in mehreren Ländern bildet einen Einschnitt in der globalen Nahrungsversorgung. Was Marktanalysten im vergangenen Jahr voraussagten, tritt nun in überraschender Geschwindigkeit ein: Länder, die Getreide produzieren, grenzen sich gegen andere Länder, die auf Einfuhren angewiesen sind, ab. So wie verarmte Familien fast ihr gesamtes Einkommen für Nahrung ausgeben müssen, verlangen die hohen Getreidepreise von den ärmeren Ländern einen immer höheren Anteil vom Staatshaushalt für die Versorgung der Bevölkerung. Die letzten Monate haben gezeigt, daß bereits verhältnismäßig vorsichtige Versuche der Regierungen, Subventionen zu kürzen und die Preise anzuheben, zu massiven sozialen Konflikten geführt haben.

31. März 2008