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KLIMA/738: Meereserwärmung - Nutzungsumkehr ... (SB)



Die Weltmeere heizen sich immer schneller auf und haben 2019 den höchsten Wert seit Beginn der Meßaufzeichnungen vor 60 Jahren erreicht. Dabei werden rund 90 Prozent der menschenverursachten Erderwärmung vom Meer absorbiert. In den letzten 25 Jahren hat der Mensch durch seine Treibhausgasemissionen dafür gesorgt, daß es eine Energie entsprechend 3,6 Milliarden Explosionen der am 6. August 1945 über der japanischen Stadt Hiroshima gezündeten Kernwaffe (Sprengkraft 12.500 Tonnen TNT) aufgenommen hat. Die Folge: Stärkere Wirbelstürme, heftigere Niederschläge, Ausdehnung der sauerstoffarmen Zonen, Algenblüten, Hitzewellen im Wasser, Korallen- und Fischsterben, Versauerung der Meere, aber auch Dürren und Hitzewellen an Land. Voraussichtlich wird der Klimawandel all diese Effekte und noch einige mehr verstärken. Der Erwärmungstrend kann in absehbarer Zeit nicht gestoppt, allenfalls etwas gemildert werden. Das setzt allerdings eine Abkehr von der Wachstumsdoktrin des vorherrschenden Wirtschaftssystems und andere Produktionsweisen voraus.

Wer bei sich zu Hause die Heizung ausstellt und den Thermostat auf Null dreht, wird die Erfahrung gemacht haben, daß der Heizkörper noch eine Zeitlang Hitze abgibt. Mit den Weltmeeren verhält es sich genauso, nur daß die in ihnen gespeicherte Wärmeenergie um ein Vielfaches größer ist und ein Abkühlungseffekt sehr viel länger dauert. Würde man beispielsweise von heute auf morgen die anthropogenen Treibhausgasemissionen auf Null bringen, indem kein Verbrennungsmotor, kein Kraftwerk und keine Heizung mit fossilen Energieträgern befeuert wird und auch von der Landwirtschaft und anderen Produktionsbereichen keine klimawirksamen Gase mehr ausgestoßen werden, würde die bereits von den Weltmeeren aufgenommene Wärme noch Jahrzehnte bis Jahrhunderte weiter an die Atmosphäre abgegeben.

Bei einem Fieberthermometer lassen sich nur Zehntelgrade ablesen. Das genügt in der Regel zur Einschätzung, ob eine Person erhöhte Temperatur hat oder nicht. Das ist allerdings eine Alltagserfahrung, die sich nicht auf die Verhältnisse in den Weltmeeren übertragen läßt. Ein global gemittelter Temperaturanstieg der Ozeane um wenige Hundertstel Grad stellt eine für das Erdklima durchaus relevante Größenordnung dar. Eine internationale Forschungsgruppe um Cheng Lijing vom Institut für atmosphärische Physik (IAP) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat nun die aktuellen globalen Temperaturdaten aus bis zu zwei Kilometer Meerestiefe aus dem Jahr 2019 ausgewertet, berichtete dpa unter Berufung auf das Journal "Advances in Atmospheric Sciences". Darin schreibt die Gruppe, daß der globale Mittelwert im rund 0,075 Grad Celsius über dem Durchschnitt des Zeitraums 1981 bis 2010 gelegen hat. Die letzten fünf Jahre seien jeweils Rekordwerte verzeichnet worden, wobei sich die Zunahme noch beschleunigt habe. [1]

Es sei wichtig zu begreifen, wie schnell sich die Dinge ändern, sagte Co-Autor John Abraham, Klimaforscher an der University of St. Thomas School of Engineering in Minnesota. Das Problem werde nicht von sich aus aufhören, sondern schlimmer werden. "Wir erleben bereits die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Gesellschaft, angefangen von steigenden Meeresspiegeln über wärmeres Wasser zu intensiveren Stürmen und unbändigerem Wetter." [2]

In einer "weiseren" Nutzung von Energie sieht Abraham eine Chance, die schwerwiegendsten Auswirkungen des Klimawandels wenigstens abzumildern. Wir sollten nicht grundlos Energie verschwenden, fordert er. Autos, Häuser und Arbeitsplätze sollten energieeffizienter gestaltet werden. Am Ende reduziere man Treibhausgasemissionen und spare dadurch Geld.

Nun war es nicht die Aufgabe dieser Auswertung aktueller Ozeantemperaturen, technologische oder politische Lösungen des Problems des Klimawandels aufzuzeigen, der bevorsteht, sollte trotz des internationalen Klimaschutzabkommens von Paris alles beim alten bleiben. Insofern sei hier nur am Rande auf Abrahams Vorstellung eingegangen, daß mittels Energieeffizienz und einem Ende der Energieverschwendung eine klimatisch bedingte Katastrophe globalen Ausmaßes abgewendet werden kann.

Gegenwärtig nehmen die globalen Treibhausgasemissionen und damit auch die Erderwärmung zu. Unter den gleichen technologischen Voraussetzungen, die zur gegenwärtigen Klimakrise geführt haben, und den Ersatz von Verbrennungsmotoren durch Windräder und andere vermeintlich "saubere" Energietechnologien, scheint ein solcher Standpunkt, wie ihn bekanntlich nicht nur Abraham vertritt, von bloßer Hoffnung getragen und dürfte die Probe aufs Exempel nicht bestehen. Eine fundamentale Nutzungsumkehr der Technologien, die erforderlich ist, um die laufenden Klimaveränderungen wirksam aufzuhalten und den Brand als grundlegende Voraussetzung der Energieproduktion zu beenden, ist jedenfalls weder von einem Green Deal der EU-Kommission noch einem Klimapaket der Bundesregierung zu erwarten.


Fußnoten:

[1] https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article204987004/Ozeane-sind-so-warm-wie-nie.html

[2] https://insideclimatenews.org/news/14012020/ocean-heat-2019-warmest-year-argo-hurricanes-corals-marine-animals-heatwaves

16. Januar 2020


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