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KLIMA/737: Erderwärmung - Gegenwehr unzureichend ... (SB)



Im Laufe der Erdgeschichte kam es zu mehreren weltweiten Massenaussterben unter den Tier- und Pflanzenarten, was jeweils sowohl mit einer raschen Erhöhung der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre als auch einem globalen Temperaturanstieg einhergegangen war. Zur Zeit findet in Folge menschlicher Aktivitäten ein weiteres Artensterben statt. Gleichzeitig steigt die Weltdurchschnittstemperatur zehn- bis hundertmal schneller als jemals zuvor im Laufe der Erdgeschichte!

Um den gegenwärtigen Erwärmungstrend noch zu stoppen, genügen Geschwindigkeit und Ausmaß nicht, mit denen von der internationalen Klimapolitik Gegenmaßnahmen beschlossen und umgesetzt werden. Darüber hinaus steht deren Wirksamkeit in Frage, da die Priorität augenscheinlich nicht allein auf Klimaschutz liegt, sondern darauf, das Wirtschaftswachstum zu sichern und darin eine Führungsrolle einzunehmen.

Vermutlich gibt es in der Erdgeschichte kein geeignetes Vorbild, das die heutige Entwicklung ausreichend beschriebe. Doch es sind Annäherungen möglich, um sich überhaupt eine Vorstellung davon zu machen, wie der Mensch die Erde verändert. Aus den geologischen Hinterlassenschaften schließt die Wissenschaft, daß die Massenaussterben in der Evolutionsgeschichte des höheren Lebens, das vor etwa 540 Mio. Jahren begann, von Temperatursprüngen von mindestens vier bis fünf Grad Celsius begleitet waren. Diese "plötzlichen" Erwärmungen traten aber nicht über Nacht ein, sondern bauten sich im Verlauf von Jahrtausenden bis Jahrzehntausenden auf. Die von Menschen verursachte Erderwärmung seit Beginn des Industriezeitalters beträgt 1,1 Grad C, Tendenz stark ansteigend. Ausgehend von der Geschwindigkeit, mit der heute Treibhausgase emittiert werden, würde es nur 80 bis 140 Jahre dauern, bis ein Temperaturanstieg von vier bis fünf Grad C erreicht ist.

Das sechste, größere Massenaussterben der Erdgeschichte findet jetzt statt. Der Mensch ist zwar nicht die erste Spezies, die das Klima des Planeten fundamental verändert - lange vor ihm waren es die Cyanobakterien -, aber er ist am schnellsten. Schneller noch als der Vulkanismus, der vor 252 Mio. Jahren insbesondere in Sibirien aufgetreten war. Dabei waren enorme Mengen an Treibhausgasen freigesetzt worden, was für die Dauer von zwei Millionen Jahren ein so warmes Klima erzeugt hat, daß 75 Prozent der an Land und 95 Prozent der im Meer lebenden Arten ausstarben. Auch der gesteigerte Vulkanismus des mittelatlantischen Rückens und das Auftauen großer Permafrostgebiete vor 201 Mio. Jahren ließ ein Klima entstehen, das für viele Arten unerträglich war. Am bekanntesten unter den Massenaussterben war das der Dinosaurier vor 66 Mio. Jahren, als sich die Erde bereits abkühlte und zusätzlich, so wird vermutet, ein Asteroideneinschlag so viel Staub aufwirbelte, daß sich der Himmel verdunkelte und die Pflanzen nicht mehr genügend Photosynthese betreiben konnten.

Die treffendste Analogie zur heutigen Zeit zumindest hinsichtlich der Klimaentwicklung (weniger hinsichtlich des Massenaussterbens) liefert das erstmals 1991 beschriebene Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM) vor etwa 55,8 Mio. Jahren. Innerhalb von "nur" 4.000 Jahren war die globale Durchschnittstemperatur, je nach wissenschaftlicher Einschätzung , um sechs bis acht Grad C angestiegen. Damals starben etwa 30 bis 50 Prozent der im Meer lebenden Arten aus, wohingegen sich das Leben an Land weitgehend mittels Migration und Kleinwüchsigkeit an die sich verändernden Bedingungen angepaßt hat.

Jedes Massenaussterben und jede plötzliche Klimaveränderung der Erdgeschichte ist einzigartig. Insofern erlauben Rückblicke nur begrenzte Vergleichsmöglichkeiten. Beispielsweise lag die globale Durchschnittstemperatur zu Beginn des PETM bereits vier Grad höher als heute. Es bestand nicht die Gefahr einer massiven Eisschmelze, denn weder Grönland noch die Antarktis trugen Eispanzer, die hätten schmelzen können. Die Tropen waren damals so heiß, daß dort viele Arten nicht mehr existieren konnten, so wie es die Klimawissenschaft auch für den gegenwärtigen Klimatrend voraussagt, und in der Arktis tummelten sich Krokodile.

Trotz aller Unzulänglichkeiten, die Vergleiche mit sich bringen, verschaffen solche Analogien zumindest eine Ahnung, was geschehen könnte, wenn unverdrossen Treibhausgase in der gleichen Menge wie bisher emittiert werden und die Temperaturen ungebremst steigen. Das Klima hat sich schon immer gewandelt. Nur gab es früher keine Menschen, die davon hätten betroffen sein können. Jetzt wird sich das Gesicht der Erde innerhalb von ein, zwei Generationen grundlegend wandeln, in einem Ausmaß, für das es einst Jahrtausende gebraucht hat - und das war schon geologisch gerechnet ausgesprochen rasant.

6. Januar 2020


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