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KLIMA/729: CO2 - solange wir noch profitieren ... (SB)



In seiner heutigen Rede bei der Generaldebatte im Bundestag hat der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland den unter sogenannten Klimawandelleugnern verbreiteten Irrtum kolportiert, daß das Thema Klimaschutz "ersatzreligiös" aufgeladen ist und "die Frage der Richtigkeit" keine Rolle mehr spielt.

Spricht daraus etwa der Neid des rechten Ideologen auf eine andere "Ersatzreligion"? Nun, der Ursprung der in diesem Jahr in Deutschland rasant gestiegenen Zahl an Protesten und Demonstrationen für mehr Klimaschutz ist sicherlich nicht im Religiösen gegründet, sondern in der Verweigerungshaltung der Bundesregierung. Diese hört partout nicht auf die Wissenschaft, obwohl diese die ihr gesellschaftlich zugewiesene Funktion erfüllt, vor den Folgen des Klimawandels warnt und Wege aufzeigt, wie Deutschland gemeinsam mit anderen Staaten das existentielle Problem beheben könnte. Und wie nicht. Nämlich mit dem industriefreundlichen Klimapaket, das die Große Koalition beschlossen hat und nun umzusetzen gedenkt.

Vielleicht würde das Klimapaket dann seine erhoffte Wirkung entfalten, wenn das Problem lediglich darin bestünde, bis Ende des Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen so weit zu reduzieren, daß die globale Erwärmung um nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigt. "Richtig" ist jedoch, um mit Gauland zu sprechen, daß dieser grenzwertige Temperaturanstieg bereits 2030 erreicht sein wird. Das wurde im Oktober vergangenen Jahres von der geballten Expertise des Weltklimarats (IPCC) nach Auswertung sämtlicher verfügbarer Literatur zu diesem Thema festgestellt und in dem vor wenigen Tagen vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veröffentlichten "Emissions Gap Report" nochmals bekräftigt.

Gauland ignoriert, daß sich in vielen Weltregionen das Klima bereits gewandelt und Mensch und Tier in Not gebracht hat. Auch wenn der Klimawandel kein Land der Erde verschonen wird, sind die Länder des Globalen Südens besonders betroffen. Schwere Stürme, Dürren, Hitzewellen, Wald- und Buschbrände und Überschwemmungen sowie der steigende Meeresspiegel gefährden die Lebensverhältnisse vieler Menschen teilweise massiv. Anscheinend will Gauland sie über die Klinge springen lassen, solange nur er und seinesgleichen vom Weiter-so-wie-bisher profitieren.

In den sogenannten Natursystemen sind eindeutige Trends angelegt, die nach heutigem Kenntnisstand allenfalls durch radikale Gegenmaßnahmen gebremst und umgelenkt werden können. Sollten angesichts dieser hoffnungsarmen Absehbarkeiten einige Menschen einer Neigung folgen und religiöse oder quasireligiöse Empfindungen entwickeln, wäre das allemal verständlich. Es repräsentierte aber nicht die Klimaforschung und jene, die sich auf sie stützen. Gegenüber diesen erscheint das, was Gauland in seinem Meinungsbeitrag vor dem Bundestag formuliert, durch und durch religiös.

27. November 2019


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