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KLIMA/689: Globale Wandlungen - fatale Folgen ... (SB)



Blick aus dem Fenster der Internationalen Raumstation ISS auf einen wolkenbedeckten Teil der Erdoberfläche - Foto: NASA

Stratocumuluswolken über dem Ostpazifik
Foto: NASA

Die Frage ist seit langem ungeklärt, warum vor rund 55,5 Millionen Jahren auf der Erde ein plötzlicher Temperaturanstieg von sechs bis acht Grad Celsius aufgetreten ist. Jetzt wurde mittels einer Computersimulation eine mögliche Erklärung gefunden, und die sorgt bei den beteiligten Forschern für tiefe Sorgenfalten auf der Stirn: Bei einer kräftigen Zunahme von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre kann die Wolkendecke um bis zu 30 Prozent ausdünnen. Dadurch verschwindet ihr Kühleffekt. Die Folgen einer solchen Entwicklung könnten für einen Teil des Lebens auf der Erde vernichtend sein.

Tapio Schneider, Colleen M. Kaul und Kyle G. Pressel vom California Institute of Technology in Pasadena berichten im Wissenschaftsmagazin "Nature Geoscience" [tinyurl.com/y53v94pk], daß sich insbesondere die Stratocumulus-Wolken, die ständig rund 20 Prozent der Fläche der niedrigen Breiten und der Subtropen bedecken, deutlich ausgedünnt haben, sobald sie in ihrer Klimasimulation den Anteil des Kohlenstoffdioxidgehalts in der Atmosphäre hochfuhren.

Jene Wolken sind auf ihrer Oberseite hell und reflektieren dadurch das Sonnenlicht. Eine geringere Wolkendecke bedeutet, daß mehr Sonnenlicht die Erde und Ozeane erreicht und diese aufwärmt. Das ist auch ein Grund dafür, weswegen unter dem Titel des Geoengineerings bzw. Climate Engineerings die Erzeugung künstlicher Wolken als mögliche Klimaschutzmaßnahme wissenschaftlich untersucht wird.

In den globalen Klimamodellen wurde bisher das Verhalten der Wolken in der Welt von morgen mit ihren höheren Durchschnittstemperaturen und einer höheren Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre nur unzureichend berücksichtigt. Denn die Reaktion der Wolken, deren Entstehen und Vergehen einer sowohl kleinräumlichen als auch hohen Dynamik unterliegen, war bislang mit großen Unsicherheiten behaftet. Diese sollten in der neuen Studie ausgeräumt werden.

Gegenwärtig liegt der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre bei 405 ppm (parts per million). In der Simulation wurde der CO₂-Wert auf 1200 ppm hinaufgeschraubt. Daraufhin löste sich relativ plötzlich die Stratocumulusbedeckung auf und zerfiel in kleinere, verstreute Wolkenfelder. Was zu einer Oberflächenerwärmung von acht bis zehn Grad Celsius zusätzlich(!) zu einer Erwärmung von vier Grad Celsius aufgrund des CO₂-Anstiegs beitrug. Zu der Auflösung der Wolkendecke kam es, weil Stratocumuluswolken Wärmestrahlung in die obere Atmosphäre abgeben müssen. Können sie das nicht mehr, weil ihre Umgebung zu warm und zu feucht ist, zerfallen sie.

"Klimaübergänge, die sich aus dieser Instabilität ergeben, können wesentlich zum Treibhausklima und zu abrupten Klimaänderungen in der geologischen Vergangenheit beigetragen haben. Solche Übergänge zu einem viel wärmeren Klima können auch in Zukunft erfolgen, wenn der CO₂-Gehalt weiter steigt", heißt es in der Studie. Als erdgeschichtliches Vorbild dient das sogenannte Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM), bei dem die globale Durchschnittstemperatur innerhalb von vermutlich 4000 Jahren von 18 Grad Celsius auf mindestens 24, wenn nicht sogar 26 Grad Celsius gestiegen war.

An dieser Stelle sollte nicht versäumt werden, darauf hinzuweisen, daß sich ein solcher CO₂-Anstieg höchstwahrscheinlich nicht unmittelbar aus den menschengemachten Emissionen ergibt. Vor Beginn der Industrialisierung lag der CO₂-Gehalt bei 280 ppm. Das heißt, er ist in den letzten gut 200 Jahren lediglich um 125 ppm gestiegen. Es wäre also eine sehr, sehr lange Strecke von den heutigen 405 ppm zu den simulierten 1200 ppm. Vorausgesetzt, daß die Menschheit ihre CO₂-Emissionen in den Griff bekommt, würde der Wert niemals erreicht. Bliebe hingegen alles beim alten, würde es in rund hundert bis 150 Jahren soweit sein.

Allerdings verbergen sich in den Natursystemen Treibhausgaspotentiale, die in Folge der globalen Erwärmung freigesetzt werden, so daß sich die Wirkungen gegenseitig verstärken und Prozesse beschleunigen könnten. So lagern im Permafrost insbesondere der polaren Breiten etwa 400 Gigatonnen Kohlenstoff. Das entspricht der hundertfachen Menge des Kohlenstoffs in der Atmosphäre. Erdgeschichtlich ist kein Beispiel bekannt, bei dem diese Menge "plötzlich" freigesetzt worden wäre. Der Rückzug des Permafrosts seit der letzten Eiszeit wurde jedoch aufgrund menschengemachter Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung beschleunigt. Zur treffenderen Einordnung ist auch hierzu zu sagen, daß das noch lange nicht bedeutet, daß der Permafrost rasant verschwindet.

Zu bedenken ist allerdings, daß die Folgen der globalen Erwärmung in den verschiedenen Natursystemen zeitgleich ablaufen, sich also in der Regel addieren, unter Umständen sogar multiplizieren. Beispielsweise lagern an den untermeerischen Kontinentalhängen, je nach Einschätzung, zwischen 700 und 10.000 Gigatonnen Kohlenstoff in Form von Methanhydraten. Würde auch nur ein Teil davon freigesetzt, wie man es für das PETM annimmt, würde die Erderwärmung steigen und das wiederum den Rückzug des Permafrosts beschleunigen. Das wiederum bliebe wahrscheinlich nicht ohne Folgen für die Methanhydrate, und so weiter. Man nimmt an, daß vor rund 55 Millionen Jahren größere Methanhydratmengen aufgrund der Erwärmung der Ozeane freigesetzt wurden.

In jener Welt ohne Wolken werden in Höhe des Äquators vermutlich weder Tiere noch Pflanzen leben, und in dem dann vollkommen eisfreien antarktischen Archipel sonnen sich Krokodile an den Stränden. Ob der Mensch dann noch einen Platz auf dem Planeten hat, dürfte davon abhängig sein, ob er nicht nur die Treibhausgasemissionen umlenkt und drastisch reduziert, sondern ob er auch in der Lage ist, der von fortwährenden, vernichtenden Auseinandersetzungen bestimmten Zivilisationsgeschichte des Menschen eine andere Richtung zu geben. Bleibt hingegen alles, wie es ist, würde es in der Welt ohne Wolken nicht so viele Menschen wie heute geben, denn bis dahin wären schwerwiegende gesellschaftliche Zerwürfnisse und massenvernichtende Kämpfe um den viel zu knappen Lebensraum, der unter anderem aufgrund des steigenden Meeresspiegels und der Ausbreitung unbewohnbarer Klimazonen mehr und mehr schrumpft, zu erwarten.


26. Februar 2019


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