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KLIMA/671: Grüner Kapitalismus - den Teufel mit dem Beelzebub ... (SB)


Wald junger, dünner Bäume, ohne Unterholz, trockener Boden - Foto: Drvaram, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en]

Eukalyptusplantage - keine Biodiversität, hoher Wasserbedarf, geringe Bindung von Kohlenstoff
Foto: Drvaram, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en]

Die reichen Länder haben zugesagt, ab dem Jahr 2020 Gelder in Höhe von 100 Milliarden Dollar jährlich mittels des "Grünen Klimafonds" in die ärmeren Länder zu lenken, um dort Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Die ersten bewilligten und bereits unterstützten Projekte der englisch "Green Climate Fund" (GCF) genannten Finanzdrehscheibe zeigen, daß hierüber unter anderem der Aufbau von Monokulturplantagen mit Eukalyptusbäumen in Paraguay gefördert werden soll.

Diese Plantagen haben eine geringere Biodiversität als natürlich gewachsene Wälder, ihre Bewirtschaftung bietet kaum Arbeitsplätze, und das Projekt wurde offenbar entgegen den GCF-Regularien über die Köpfe der indigenen Bevölkerung hinweg geplant. Dem noch nicht genug sollen die Eukalyptusbäume zu Holzkohle verarbeitet werden, die von den Sojabohnenerzeugern zum Trocknen ihrer Bohnen gebraucht wird.

Der vermeintliche Klimaschutz dieses GCF-Projekts wird offensichtlich aus der Androhung hergeleitet, daß die Sojaproduzenten, wenn sie dieses Holz nicht erhielten, Wälder mit höherer Biodiversität roden würden. Daß darüber hinaus für die Sojabohnenfelder bereits Wälder gerodet wurden und daß wiederum das Soja exportiert wird und in den Trögen der Fleischindustrie landet, die einen hohen Anteil an den anthropogenen Treibhausgasemissionen haben, liegt allem Anschein nach außerhalb des Bewertungsspielraums des Aufsichtsrats des Grünen Klimafonds, der über die Vergabe der Mittel entscheidet. Kritikpunkte an dem Fonds hat Almuth Ernsting von der Nichtregierungsorganisation Biofuelwatch zusammengestellt und am 5. Oktober 2018 auf der Internetseite der Deutschen Klimafinanzierung veröffentlicht [1].

Die von Ernsting erwähnten Fallbeispiele für die oftmals sich ähnlich darstellenden Finanzierungen von Plantagenanbau stammen aus Madagaskar, Demokratische Republik Kongo, Indien und Paraguay. Die Autorin stampft den Grünen Klimafonds nicht in Grund und Boden, sondern schreibt: "Die Finanzierung für den Schutz und die Wiederherstellung von artenreichen Waldökosystemen kann und muss eine wichtige Rolle spielen, um die Belastungen und Auswirkungen des Klimawandels zu mindern." Doch zieht die Autorin eine rote Linie, wenn sie schreibt, daß das nicht für "industrielle Baumplantagen" gelte.

Demnach hat die Bundesrepublik Deutschland seit 2010 im Zusammenhang mit mindestens 17 Projekten den Aufbau von Monokultur-Baumplantagen gefördert. Dazu zählt auch die paraguayische Initiative PROEZA. "Proeza" ist spanisch und bedeutet übersetzt, wie Paraguays Regierung es gerne sähe, "kolossale Errungenschaft". Wer sich jedoch den Projektantrag etwas genauer anschaut, dürfte zu einer anderen Einschätzung gelangen und eine weitere Bedeutung von "proeza" bevorzugen, nämlich "Aufschneiderei". Oder, nicht weniger treffend: "Kunststück".

Anscheinend will die Regierung Paraguays das "Kunststück" vollbringen, den altbekannten, umweltschädlichen Monokulturwald als klimafreundliche Errungenschaft zu verkaufen, indem sie ihm ein neues Etikett anklebt. Dazu erhält der Eukalyptuswald das Label "Waldplantagen der Neuen Generation" (New Generation Forests Plantations). Wörtlich heißt es in der Projektbeschreibung: "Durch diese Komponente wird die Regierung Paraguays mittelgroßen Landbesitzern (je 300 ha) einen starken Anreiz bieten, die Produktion von Waldbiomasse auf umweltfreundliche Weise zu steigern, indem sie zertifizierte 'New Generation Forest Plantations' (NGFPs) einführt, in denen die Hochertragsforstplantagen mit natürlichen Wäldern in Biodiversitätsreservaten und Wassereinzugsgebieten kombiniert werden müssen." [2]

Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, daß das Akronym PROEZA für "Projekt zu Armut, Wiederaufforstung, Energie und Klima" steht. Es wurde im März 2018 vom GCF-Aufsichtsrat als Finanzierungsvorhaben bewilligt und setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Die Kritik der Nichtregierungsorganisationen richtet sich auf die Komponente 2, die den Aufbau von Eukalyptusbaumplantagen auf zunächst 24.000 Hektar Land beschreibt. Wie im obigen Zitat angedeutet, hat das Plantagenprojekt nicht nur ein hübsches Etikett erhalten, sondern, um im Bild zu bleiben, auch einen Geschmacksverstärker, damit es dem GCF-Aufsichtsrat mundet. Dieser hatte PROEZA im Oktober 2017 zunächst abgelehnt, wobei es vor allem um die vorgeschlagene Finanzierungssumme durch den Fonds gegangen war. Komponente 2 des Antragdokuments sieht vor, daß 20 Prozent der Fläche mit wiederhergestellten Naturwäldern für den Schutz von Wassereinzugsgebieten und Uferzonen sowie für Korridore zum Schutz der biologischen Vielfalt vorgesehen sein müssen.

In einem Anschlußprojekt sollen später einmal zusätzlich 160.000 Hektar Eukalyptusplantagen aufgebaut werden, mit denen rund drei Millionen Tonnen Brennholz produziert werden. Damit will Paraguay sein derzeitiges Defizit an Holzenergie von sieben bis zehn Millionen Tonnen pro Jahr ungefähr halbieren.

Was daran klimafreundlich sein soll, Bäume zu Holzkohle zu verarbeiten und diese zu verbrennen, erschließt sich offenbar nur den Zahlenakrobaten in der paraguayischen Regierung und beim Grünen Klimafonds, der das Vorhaben abgesegnet hat.

Der ausgeprägte Bedarf von Eukalyptus an Wasser hat sich bereits in Vorläuferprojekten von PROEZA als konfliktträchtig erwiesen. Solche Plantagen gefährdeten die Wasserversorgung angrenzender Ländereien. Davon seien alle Departamentos in den östlichen Landesteilen betroffen gewesen, berichtete Ernsting.

Außerdem kann PROEZA den Widerstand der Kleinbauern gegen Entwaldung und Ausdehnung des Sojaanbaus unterminieren, indem einige Kleinbauern Finanzmittel erhalten, damit sie Bioenergie für die großen Sojaproduzenten herstellen und in deren Produktionskette eingebunden werden, übt auch die Global Forest Coalition, die sich aus 86 Nichtregierungs- und indigenen Organisationen aus 56 Ländern gebildet hat, Kritik an dem paraguayischen Projekt. Indem der Grüne Klimafonds PROEZA genehmigt hat, habe er einen beunruhigenden Präzedenzfall geschaffen. "Anstatt konkrete Aktivitäten zur Verhinderung des Klimawandels oder die Produktion nachhaltiger Energie zu unterstützen, fördert sie Entwaldung", sagt Coraina de la Plaza, die als Vertreterin der Global Forest Coalition am Treffen des Grünen Klimafonds teilgenommen hat [3].


Als einer von vier Rednern, die hinter einem Podiumstisch sitzen - Foto: © 2018 by Schattenblick

Miguel Lovera (mit Mikrophon) auf dem People's Climate Summit in Bonn (6.11.2017)
Foto: © 2017 by Schattenblick

Miguel Lovera, Direktor der paraguayischen Nichtregierungsorganisation Iniciativa Amatocodie, berichtete, daß der frühere Präsident Paraguays Horacio Cartes nicht einmal einen Monat, bevor seine Regierung den PROEZA-Antrag beim Green Climate Fund eingereicht hat, ein seit dreizehn Jahren bestehendes Entwaldungsmoratorium aufgehoben und den Landbesitzern ausdrücklich die Erlaubnis erteilt hat, Naturwald durch Monokulturplantagen zu ersetzen. Cartes selbst habe im Oktober 2017 nicht weniger als zwei Millionen Bäume auf seinen eigenen Ländereien gefällt. Lovera bezeichnet es als "obszön", daß die Regierung nicht den politischen Willen aufbringt, die letzten verbliebenen Wälder Paraguays zu schützen und die Soja- und Fleischproduzenten in die Schranken zu weisen.

Der Grüne Klimafonds hat für PROEZA 25 Mio. Dollar freigegeben, die Regierung Paraguays gibt 65,2 Mio. US-Dollar hinzu. Das Projekt ist Teil des Nationalen Klimaschutzbeitrags (NDC) Paraguays, zu dem sich vor drei Jahren alle Unterzeichnerstaaten des Klimaabkommens von Paris zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad verpflichtet haben. Wie oben erwähnt ist der klimafinanzierte, als grün verkleidete Plantagenanbau Paraguays keine Ausnahme. Im Gegenteil, Nichtregierungsorganisationen berichten, daß weitere solche Projekte beantragt wurden und daß der Aufsichtsrat des Grünen Klimafonds nicht auf ihre Aufforderung reagiert habe, alle Anreize zurückzuweisen, die auf den Ausbau der Bioenergieproduktion und -nutzung zielen.

Das bedeutet aber, daß eines der wichtigsten Instrumente, mit denen die sogenannte Weltgemeinschaft den vermutlich schnellsten Temperaturanstieg in den letzten zig Millionen Jahren der Erdgeschichte noch irgendwie abmildern will, Entwaldung, Vertreibungen, CO₂-Emissionen und andere Schadensfolgen finanziert. Einige Länder haben sich von vornherein davon verabschiedet. Zum Beispiel die USA und auch Australien, das die Kohleförderung vorantreibt und vor kurzem seine versprochenen Zuwendungen für den Green Climate Fund gestrichen hat [4]. Die gegenwärtigen Treibhausgasemissionen der Nationalstaaten lassen eine Welt entstehen, die auf mindestens drei, eher sogar vier Grad über der globalen Durchschnittstemperatur in vorindustrieller Zeit hinausläuft. Das aber dürften voraussichtlich 80 bis 90 Prozent der Menschheit nicht überleben, vermutet der Klimaforscher Prof. Kevin Anderson, stellvertretender Direktor des britischen Tyndall Centres of Climate Change Research [5].

Die Nutznießer des am Beispiel des Green Climate Funds deutlich werdenden Grünen Kapitalismus wollen den Menschen glauben machen, daß in seinem Namen getätigte Investitionen im Zeichen des Klimaschutzes wie beispielsweise die Lenkung globaler Finanzströme vorzugsweise in die Länder des Globalen Südens nicht mehr jenen interessengeleiteten Zwecken dienen, wie sie in der Vergangenheit stets ausschlaggebend waren: Sicherung von Ressourcen für die eigene Wirtschaft einerseits und Absatzmärkten für heimische Industrien andererseits, Verteidigung der Wertschöpfungskette mit den Ländern des globalen Südens an der Basis der Pyramide und den Wohlstandsregionen an ihrer Spitze, kurzum, Sicherung der eigenen Verfügungsgewalt über den Rest der Welt auch im 21. Jahrhundert.

Wenn der Grüne Klimafonds bereits zu Beginn seiner Tätigkeit, noch bevor er das vorgesehene volle Potential von 100 Mrd. Dollar jährlich an Investitionen in den Klimaschutz zur Verfügung hat, Produktionsmodelle wie das der Monokulturplantagenwirtschaft, fördert, scheint es um die im Klimaabkommen von Paris beschlossene "Rettung der Welt" (FAZ [6]) schlecht bestellt.

Das nächste Treffen des Aufsichtsrats des Grünen Klimafonds findet vom 17. bis 20. Oktober 2018 in Manama, Bahrain, statt.


Links im Bild eine flache Sojaplantage, rechts ein viele Meter hoher, dicht bewachsener Wald - Foto: Patty P, gemeinfrei

Auf den ersten Blick zu erkennen: Naturwald bindet mehr Kohlenstoff als Sojapflanzen und bietet zudem Insekten und anderen Tierarten Schutz.
Foto: Patty P, gemeinfrei


Fußnoten:


[1] https://www.deutscheklimafinanzierung.de/blog/2018/10/deutsche-klimafinanzierung-fuer-monokultur-baumplantagen-sendet-ein-falsches-signal/

[2] tinyurl.com/yc9lhpcr

[3] https://globalforestcoalition.org/green-climate-fund-supports-deforestation-paraguay/

[4] http://www.climatechangenews.com/2018/10/08/australia-wont-give-money-green-climate-fund-says-pm/

[5] zitiert nach: tinyurl.com/ydgzd6va
Siehe auch: http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-669.html

[6] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klimagipfel/klimaabkommen-von-paris-das-dokument-zur-rettung-der-welt-13962894.html


16. Oktober 2018


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