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KLIMA/670: Katastrophen - El Niño plus ... (SB)



Oben zwei Vergleichsbilder zu 'normal' und 'El-Nino', unten eine thematische Weltkarte mit typischen Dürre- und Überschwemmungsgebieten - Grafik: Wissensplattform eskp.de, CC BY 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/]

Schematische Darstellung von El Niño Grafik: Wissensplattform eskp.de, CC BY 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/]

Kaum daß der Dürresommer 2018 in einen normalen Herbst übergegangen ist, zieht eine neue Unwettergefahr herauf. Bereits vor einem Monat hatte die Weltmeteorologie-Organisation WMO berichtet, es sei wahrscheinlich, daß noch in diesem Jahr ein El-Niño-Ereignis auftreten wird. Die Chancen dafür lägen bei 70 Prozent [1]. Seitdem hat sich an der Einschätzung nichts geändert. Wie der Australische Wetterdienst am Mittwoch meldete, sei in Verbindung mit dem ebenfalls beobachteten Aufbau eines weiteren Klimaphänomens, des Indischen-Ozean-Dipols (IOD), gegen Ende dieses Jahres mit El Niño und in der Folge weiterer Trockenheit und Wärme zu rechnen. Zwar sinke gleichzeitig das Risiko, daß in Nordaustralien tropische Zyklone entstehen, doch im Süden nehme die Gefahr von Hitzewellen und Buschbränden zu [2].

Bei IOD handelt es sich um eine Klimasituation, die das El-Niño-Ereignis verstärkt. Was sich zunächst fachsprachlich und etwas abgehoben vernimmt, hat sehr konkrete Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse der Menschen, in diesem Beispiel der Bevölkerung Australiens. El Niño (übersetzt: Das Christkind) wirkt sich weltweit aus. Diese sogenannte Klimaumkehr sorgt unter anderem für Dürre in weiten Teilen Australiens und Südostasien, in Brasilien und Teilen Zentralamerikas und der Sahelzone sowie an der nördlichen nordamerikanischen Westküste. Mit Überschwemmungen haben hingegen Mexiko, Südkalifornien, Zentralasien, Ostafrika und Südchile zu rechnen.

Bei diesen geographischen Angaben handelt es sich um bloße Richtwerte, und El Niño ist nicht gerade dafür bekannt, daß es sich nach den Berechnungen der Wissenschaft richtet. Indes besteht ein hohes Maß an Zuverlässigkeit darin, daß in einer Reihe von global wichtigen landwirtschaftlichen Anbaugebieten Mißernten entstehen, in einigen Ländern wie zum Beispiel Peru der Fischfang einbricht und im allgemeinen eher die ärmeren Länder und innerhalb von ihnen wiederum die Kleinbauern und Subsistenzlandwirtschaft von El Niño betroffen sein werden.

Das bedeutet aber nicht, daß die industrielle Landwirtschaft vor den Folgen El Niños gefeit wäre. Australien respektive der südöstliche Bundesstaat Queensland mußte in diesem Jahr die schwerste Dürre seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen erleben. Auch wenn es inzwischen örtlich kräftig geregnet hat, sind die Böden dort nach wie vor knochentrocken. Das El-Niño-Phänomen wird also auf sowieso schon katastrophale Vorbedingungen stoßen, zumal sich das auf der Südhalbkugel gelegene Australien auf den Sommer zubewegt. Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel sind von vornherein anfällig für Hitzeperioden.

Dem noch nicht genug, hat der Weltklimarat (IPCC) vor wenigen Tagen ein Gutachten veröffentlicht, in dem an die Staatengemeinschaft appelliert wird, das im Klimaabkommen von Paris formulierte Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, unbedingt einzuhalten [3]. Doch selbst dieses Gutachten zeigt noch nicht die gesamte Bedrohung, wie von verschiedenen Seiten kritisiert wird. Der IPCC habe Rückkopplungseffekte und das Überschreiten von Kippunkten nicht berücksichtigt; der Menschheit bleibe deutlich weniger Zeit zur Dekarbonisierung der Gesellschaft. Umgekehrt müsse der Abschied vom Verbrennen fossiler Energieträger viel schneller erfolgen, als die IPCC-Angaben vermuten ließen [4].

Nun also El Niño im Anmarsch. Unterdessen versucht die von Deutschland angeführte Autolobby in Brüssel schärfere CO2-Grenzwerte zu torpedieren, wirft die US-Regierung eine Umweltbestimmung nach der anderen über den Haufen, befinden sich weltweit über 1600 Kohlekraftwerke in Planung oder im Bau, rechnet der emissionsreiche Flugverkehr mit dramatisch höheren Fluggastzahlen in den nächsten Jahren, wird unverdrossen tropischer Regenwald abgeholzt, um Palmöl für Autosprit oder Soja für Tierfutter zu produzieren ...

Und die australische Regierung? Sie macht weiter wie bisher, als bekäme sie die klimatischen Veränderungen, die der Kontinent seit zehn, zwanzig Jahren erlebt, nicht mit: Angefangen von einer mehrjährigen Jahrhundertdürre im vergangenen Jahrzehnt (die inzwischen die neue Normalität darzustellen scheint), über das Sterben des weltweit größten Korallenriffs (Great Barrier Reef) vor der Ostküste des Landes bis zu einer allmählich zunehmenden Zahl an Klimaflüchtlingen von den flachen Inselstaaten im Pazifik.

Selbstverständlich wird Australien seine Kohlevorkommen weiter abbauen, auch wenn der IPCC eindringlich gewarnt hat, daß der Welt nur noch zwölf Jahre bleiben, um die Klimawandelkatastrophe abzuwehren, sagte der stellvertretende australische Premierminister Michael McCormack und lästerte: Seine Regierung werde doch ihre Politik nicht ändern, "nur weil jemand vorschlagen könnte, daß eine Art Bericht der Weg ist, den wir gehen müssen, und das sei dann alles, was wir tun sollten." [5]

Auch wenn Australien 60 Prozent der Energieversorgung mittels Kohle sichert und reichlich Exporteinnahmen aus dem Verkauf von Kohle erhält, pokert die Regierung ziemlich hoch, wenn sie ihren eingeschlagenen Kohlekurs beibehält. Vielleicht liegt die sture Haltung auch daran, daß Pokern und Glücksspiel in Downunder extrem beliebt sind. In keinem anderen Land wurden pro Kopf höhere Spielschulden angehäuft als in Australien. Das treibt sogar viele Menschen in den Selbstmord. Die australische Regierung und die Bundesstaaten erhalten durchschnittlich zehn Prozent der Steuereinnahmen durch legales Spielen [6].

El Niño und andere Klimaentwicklungen könnten Canberra einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen. Schon vor über zehn Jahren hatte der damalige konservative Premierminister John Howard unter dem Eindruck der anhaltenden Dürre, die dem Land schwer zusetzte, erklärt: "Wir müssen alle hoffen und beten, daß Regen kommt." [7]

Die Hände falten und beten oder mit fünf Luschen in der Hand den Pokertopf höher und höher treiben ... ob das geeignete Mittel sind, um den Klimawandel in Australien und der übrigen Welt einzugrenzen? Anders gefragt: Wenn das "Christkind" bereits milliardenschwere, opferreiche Verwüstungen rund um den Globus anrichtet, wie muß es der Erde erst ergehen, wenn dessen Eltern kommen und ihr Unwesen treiben?


Ein Prediger (stehend) mit aufgeschlagenem Buch in der Hand und um ihn herum gruppiert sechs Männer auf den Knien und mit Zetteln in der Hand - Foto: John Oxley Library, State Library of Queensland

Beten für Regen in Queensland, circa 1900.
Im Unterschied zum australischen Premierminister John Howard wußte man damals nicht, daß die Kohleverbrennung die globale Erwärmung befeuert und die Dürrebildung verstärkt.
Foto: John Oxley Library, State Library of Queensland


Fußnoten:


[1] tinyurl.com/y89uy76e

[2] http://www.bom.gov.au/climate/enso/outlook/

[3] https://www.de-ipcc.de/256.php

[4] https://twitter.com/MichaelEMann/status/1049716226539294720 und
https://thebulletin.org/2018/10/climate-report-understates-threat/

[5] https://www.theguardian.com/australia-news/2018/oct/09/australian-government-backs-coal-defiance-ipcc-climate-warning

[6] https://www.theguardian.com/society/2014/feb/04/gambling-australians-bet-more-lose-more

[7] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/dramatische-duerre-australiens-premier-stimmt-farmer-auf-staubiges-desaster-ein-a-478513.html


10. Oktober 2018


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