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KLIMA/657: UN - Klima- und Sicherheitsfragen ... (SB)



Der UN-Sicherheitsrat hat sich am 11. Juli unter dem Vorsitz Schwedens mit "klimabezogenen Sicherheitsrisiken" befaßt. Es war das dritte Mal nach 2007 und 2011, daß der Klimawandel im Mittelpunkt des Interesses dieses Weltgremiums stand. Bemerkenswert an der dreistündigen Sitzung war jedoch nicht, daß von verschiedenen Seiten zum wiederholten Male erklärt wurde, daß das Klima konfliktverschärfend wirken kann und man dringend etwas unternehmen müsse, sondern das, was nicht ausgesprochen oder allenfalls nur angedeutet wurde.

Zunächst hatte die stellvertretende UN-Generalsekretärin, Amina Mohammed, die aus der Region des Tschadsees stammt, erklärt, daß der Klimawandel "real" ist. Sie habe dessen Folgen mit eigenen Augen gesehen. Seit Beginn der 1960er Jahre ist der Tschadsee um über 90 Prozent geschrumpft. 2015, 2016 und 2017 seien die wärmsten Jahre seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steige unaufhörlich an und weltweit würden Dürren, Waldbrände, Hitzewellen und Überschwemmungen verzeichnet. Davon seien zwar alle Länder betroffen, aber das gelte nicht für die Auswirkungen. Die schwächsten der Gesellschaft würden davon am meisten zu spüren bekommen. [1]

Einen sprichwörtlich explosiven Konflikt sprach der irakische Minister für Wasserressourcen, Hassan al-Janabi, an. Zum einen habe die Niederschlagsmenge in seinem Land um 25 Prozent abgenommen, zum anderen sorge der Staudammbau in Nachbarländern seit 1998 für einen 50prozentigen Rückgang der Wassermenge des Euphrat. Beides zusammen habe die Desertifikation verstärkt und zum Rückgang der landwirtschaftlichen Produktivität geführt. Zudem suche der Islamische Staat von Irak und der Levante die Bevölkerung heim.

Hindou Ibrahim vom International Indigenous Peoples Forum on Climate Change machte darauf aufmerksam, daß in der Sahelzone 90 Prozent der Wirtschaftsleistung durch Landwirtschaft und Viehhaltung erstritten wird und daß eine Hitzewelle oder Dürre unmittelbare Auswirkungen auf Mensch und Wirtschaft hätten. Insbesondere die jungen Menschen in der Sahelzone bräuchten mehr als nur Hoffnung, denn sie verdienten es nicht einfach nur zu überleben, sondern sie verdienten ein Leben, sagte sie.

Mehrere der 22 Rednerinnen und Redner an diesem Vormittag plädierten dafür, daß sich der Sicherheitsrat stärker des Themas Klimawandel annehmen möge. Eine klare Absage an diese Idee erteilte hingegen der russische Vertreter, Dmitry A. Polyanskiy. Er bezeichnete das Treffen als "enttäuschend". Sein Land unterstütze zwar gemeinsame Anstrengungen gegen den Klimawandel, aber es sei eine Illusion zu glauben, der Sicherheitsrat werde den Klimawandel bekämpfen, so daß eine Art Wende herbeigeführt wird. Vielmehr solle der Klimawandel auf nationaler Ebene angegangen werden; zudem sollten die verschiedenen UN-Einrichtungen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen damit befaßt sein.

Im übrigen, so Polyanskiy, betrachteten zwar einige Leute den Klimawandel als Konfliktverstärker, wollten aber nicht die Schadensfolgen gewaltsamer militärischer Operationen und unilateraler Sanktionen wahrhaben. Beispielsweise habe die NATO-Bombardierung Jugoslawiens einen Anstieg von Krebsfällen in den betroffenen Gebieten verursacht, die Bombardierung libyscher Ölfelder habe der Atmosphäre einen erheblichen Schaden zugefügt, ähnliche Auswirkungen gelten für Syrien und die Kämpfe in Donetsk, Ukraine. Rußland stehe zum Kampf gegen den Klimawandel, aber die heutige Diskussion sei ein Abschied von konkreten Handlungen.

Ergänzen könnte man noch, wenn es schon um militärische Fragen geht, daß allein die Streitkräfte der Vereinigten Staaten etwa so viel CO2 emittieren wie ganz Schweden und daß auch russische Kampfjets, Panzer, Kriegsschiffe, etc. - so wie die Waffensysteme anderer Länder - ebenfalls den Klimawandel beträchtlich anheizen.

Nicht ausgesprochen hat der russische Diplomat, daß Klimawandel ein Anlaß und Vorwand für humanitären Interventionismus werden könnte, die sogenannte Schutzverantwortung oder auch r2p (responsibility to protect), sollte sich der Sicherheitsrat des Klimathemas "bemächtigen". Ein vorstellbares Szenario wäre, daß ein oder mehrere militärisch überlegene Staaten mit dem Segen dieses Gremiums in einem anderen Land einen Regimewechsel erzwingen, wenn dessen Regierung mutmaßlich nicht genügend zum Schutz der eigenen Bevölkerung vor den Klimawandelfolgen unternimmt. In der Vergangenheit wurden solche politische Züchtigungsmittel nur von NATO-Staaten in Anspruch genommen.

Eine weitere Konfliktlinie, die weitgehend bedeckt gehalten wurde, ergibt sich aus dem Konflikt zwischen den USA, die sich an keine internationalen Klimaschutzverabredungen halten wollen, und allen Ländern, die im Jahr 2015 das UN-Klimaschutzabkommen von Paris unterzeichnet haben. Man hat gewissermaßen gezielt aneinander vorbeigeredet. So kündigte Schwedens Außenministerin Margot Wallström die Einrichtung eines Zentrums für Klimasicherheit noch in diesem Sommer in Stockholm an. In dieser Einrichtung sollen Analysen zu Klima- und Sicherheitsfragen durchgeführt und den Vereinten Nationen und anderen Akteuren zur Verfügung gestellt werden.

Man kann davon ausgehen, daß Wallström hier eine Spitze gegen die Trump-Administration losgelassen hat, leugnet diese doch, daß die globale Erwärmung menschengemacht ist. Dementsprechend haben die USA unter Trump die Klimaschutzpolitik und entsprechende wissenschaftliche Forschungen stark zurückgefahren. Wie sehr Wallström mit der Ankündigung des neuen Zentrums ins Schwarze getroffen hat, kann man an der nichts- bzw. vielsagenden Rede des US-Vertreters Jonathan R. Cohen erkennen. Darin hat er das Wort "Klimawandel" nur einmal verwendet und das in einem ziemlich vagen Zusammenhang: Die USA hätten "von ihren Freunden im Pazifik gehört, daß sie Klimawandel als eine existentielle Bedrohung ihrer Bevölkerungen ansehen".

Mehr nicht. Kein Zugeständnis, daß der Klimawandel stattfindet. Statt dessen nur eine Art Hörensagen vom Klimawandel aus dem Munde der Pazifikbewohner. Welche Verachtung gegenüber Ländern wie Tuvalu, Nauru und Marshall Islands, die noch im Laufe dieses Jahrhunderts untergehen könnten! Selbstverständlich hat Cohen nicht auf die im Diplomatenjargon üblichen Leerformeln verzichtet. Wenn es um Naturkatastrophen gehe, sagte er, befänden "wir" uns alle auf der gleichen Seite; in vielen Regionen der Welt litten verletzliche Bevölkerungen unter Naturkatastrophen, Vertreibung, Nahrungs- und Wasserknappheit; die Vereinigten Staaten arbeiteten mit Regierungen und regionalen Organisationen zusammen, um denen Hilfe zu bringen, die sie am nötigsten hätten, und so weiter und so fort.

Man muß davon ausgehen, daß die US-Regierung jene von Wallström angekündigte, wissensbasierte Einrichtung nicht anerkennen oder als "Fake News"-Produzent beschimpfen wird. Voraussichtlich werden sie die Informationen dieser Einrichtung zum Klimawandel nicht nutzen, müßten sie doch damit anerkennen, daß das Verbrennen fossiler Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas seit Beginn der Industrialisierung vor rund 200 Jahren der entscheidende Faktor ist, der die globale Erwärmung beschleunigt.


Fußnote:

[1] https://reliefweb.int/report/world/addressing-security-council-pacific-island-president-calls-climate-change-defining

19. Juli 2018


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