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KLIMA/634: Wassermangel im Schatten der Erderwärmung ... (SB)



Nach drei Jahren Dürre stehen die Behörden der südafrikanischen Metropole Kapstadt kurz davor, den Hahn des öffentlichen Wasserversorgungssystems zuzudrehen. Der "Day Zero", der sich laufend nach dem aktuellen wöchentlichen Verbrauch richtet, wurde vor kurzem vom 18. Mai auf den 29. April 2018 vorverlegt. Sollte der "Tag Null" eintreten, müssen die vier Millionen Einwohner der Stadt notversorgt werden. Dann werden Soldaten und Polizisten an 200 Verteilzentren 25 Liter Wasser in Flaschen pro Person und Tag ausgeben. Das ist das Minimum, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Grenzwert zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Hygiene empfiehlt.

Auf der Südhalbkugel herrscht zur Zeit Hochsommer. Die seit Jahrhunderten schlimmste Dürre in dem Kapstaat betrifft vor allem die westlichen Landesteile und dort sowohl die städtischen als auch ländlichen Gebiete. Landwirtschaftliche Betriebe, Fabriken, Haushalte, alle sind angehalten, Wasser zu sparen. Es wird bestraft, wer sein Auto wäscht, das Schwimmbad auffüllt, den Rasen sprengt. Öffentliche Schwimmbäder bleiben nach wie vor geschlossen.

600 Mio. Liter Wasser verbraucht Kapstadt pro Tag. Die Stadtverwaltung will den Wert auf unter 500 Mio. Liter reduzieren, damit der "Tag Null" nicht eintritt und, so die Hoffnung, daß die jahreszeitliche Durststrecke bis zum erhofften Einsetzen der Regenfälle im Juli, August die Wasserreservoire überbrückt wird. Deren Pegel sind auf unter 20 Prozent des Normalstands gesunken. Die letzten zehn Prozent solcher Wasserreservoire gelten als nicht mehr verwendbar. Sinkt die Füllmenge auf dreizehn Prozent, werde man das Netz dichtmachen, kündigte Kapstadts Bürgermeisterin Patricia de Lille an. Ausgenommen von den extremen Maßnahmen werden nur die dicht besiedelten Armenviertel sein, weil dort die Gefahr von Krankheitsausbrüchen zu groß ist.

Jedes Jahr kommen etwa fünf Millionen Touristen in die Region, Tendenz steigend. Bislang jedenfalls. Wenn die Hotels dichtmachen oder die Touristen nicht täglich ihre Dusche nehmen dürfen, werden sie wegbleiben. Damit schrumpft ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auch der Landwirtschaft, die bereits Einbußen erlitten hat, drohen weitere Verluste, wenn die Felder nicht mehr oder nur unzureichend bewässert werden. 50.000 Arbeitsplätze sind nach Angaben von Graham Paulse vom regionalen Ministerium für kooperative Regierungsführung gefährdet. Bereits pleite gegangen sind Unternehmen, die in besonderer Weise auf Wasser angewiesen sind, beispielsweise Gärtnereien und Autowaschanlagen.

Zu Beginn des neuen Jahres wurde die hohe Wassereinsparstufe Level 5 (87 Liter pro Person und Tag) auf Level 6 (40 Liter pro Person und Tag) angehoben. Wasser sollte nur zum Trinken, Kochen und - möglichst sparsam - Waschen benutzt werden. Zum Vergleich: Die Einwohnerinnen und Einwohner Deutschlands verbrauchen durchschnittlich über 120 Liter Wasser pro Tag.

In Kapstadt haben sich die Wasserpreise verdoppelt, und damit wurden auch die Lebensmittel teurer. Man kann davon ausgehen, daß sich soziale Spannungen aufbauen und vielleicht sogar gewaltsam entladen. Wie vor rund einem halben Jahr, als das bürgerliche Viertel Hout Bay in Kapstadt von Demonstranten des Township Imizamo Yethu tagelang belagert wurde. Anfang März hatte ein Feuer 10.000 Townshipbewohner obdachlos gemacht. Vier Monate darauf war die Lage vieler Menschen trotz privater und öffentlicher Hilfe noch immer katastrophal. Diese Unruhen stellen eine Gegenreaktion zu jener systemischen Gewalt dar, durch die das Einkommensungleichgewicht auch nach dem Ende der Apartheid in Südafrika zementiert wird. Für einige hat der Wassermangel zur Folge, daß sie ihr Schwimmbecken nicht mehr auffüllen dürfen, für andere, daß sie ihre Kinder durstig oder dreckig zur Schule schicken müssen.

Abgesehen von zahlreichen Appellen zum Wassersparen haben die Behörden eine Reihe von technischen Maßnahmen ergriffen, um den Mangel zu beheben. Der Leitungsdruck der öffentlichen Wasserversorgung wurde in etlichen Stadtteilen verringert, es werden Meerwasserentsalzungsanlagen gebaut, mittels neuer Tiefbohrungen will man fossile Grundwasserspeicher anzapfen, die Wasserrückgewinnung wird intensiviert und aus anderen Landesteilen soll Wasser eingeführt werden. In der Summe will man 144 Mio. Liter täglich gewinnen.

Die wissenschaftlichen Prognosen sagen für Südafrika eine durchschnittliche Temperaturerhöhung um zwei Grad Celsius bis Mitte des Jahrhunderts voraus. Sollte sich der gegenwärtige Klimatrend fortsetzen und verstärken, werden Kapstadt und die Provinz Western Cape noch weniger Regen erhalten als bisher. Die Dürre würde sich verstetigen.

Meerwasserentsalzungsanlagen verbrauchen viel Energie. Da Südafrika seinen Bedarf an elektrischer Energie zu 90 Prozent durch die emissionsstarke Kohle deckt, könnte die Wasserproduktion dazu beitragen, daß die Klimaschutzziele des Landes verhagelt werden - abgesehen davon, daß natürlich auch der Bergbau, der in den letzten Jahren weiter ausgebaut wurde und sowohl energie- als auch wasserintensiv ist, einen maßgeblichen Anteil an den Treibhausgasemissionen des Landes hat.

Der akute Trinkwassermangel von Kapstadt führt beispielhaft vor Augen, welche schwerwiegenden Folgen der Klimawandel auf das menschliche Zusammenleben haben wird. Davon werden auch klimatisch begünstigte Regionen nicht verschont bleiben. In Südafrika gibt es bereits zahlreiche "gated communities", also Siedlungsgebiete, die mit einem Zaun umgeben sind und von privaten Sicherheitsleuten bewacht werden, damit nicht ungebetene "Gäste" eindringen und ihrer Vorstellung einer gesellschaftlichen Eigentumsordnung zumindest zu einer partiellen Verwirklichung verhelfen. Auch das Abschotten der Wohlhabenderen gegenüber den Notleidenden und Verarmten wäre ein typisches Phänomen, mit dem in Zeiten des Klimawandels verstärkt gerechnet werden muß. Staaten oder Staatengemeinschaften wie die USA und die EU praktizieren das bereits jetzt beispielsweise durch den Ausbau ihrer Grenzschutzanlagen und den Abschluß von Rückführungsabkommen mit anderen Staaten.

2. Januar 2018


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