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KLIMA/631: CCS-Pilotstandort Ketzin - Ende ohne Schrecken ... doch was kommt danach? (SB)


Erfolgreiche Speicherung von CO2 im Untergrund kein Grund zur Entwarnung


Nach dreizehn Jahren beendet das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ seine Pilotanlage zur geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO2) in Ketzin. Im nächsten Jahr soll dort, wo einst zwei große Tanks, mehrere Brunnen und andere technischen Anlagen standen, wieder grüne Wiese sein. Der Versuch gilt als Erfolg, wie Projektleiter Axel Liebscher in einer Pressemitteilung des GFZ sagte: "Wir haben gezeigt, dass sich Kohlenstoffdioxid sicher in die Tiefe bringen und speichern lässt. Die mächtigen Schichten aus Tongestein über dem Speicherhorizont bilden eine zuverlässige Abdichtung." [1]

CO2 für sich genommen ist kein Schadstoff - eigentlich. Der Planet Erde hat eine so große Entfernung von der Sonne, daß er lebensfeindlich wäre. Aufgrund der Atmosphäre wird jedoch ein genügend großer Teil der Wärmerückstrahlung von den Luftmolekülen absorbiert, so daß sich die Erde erwärmt und für menschliche und nicht-menschliche Tiere sowie Pflanzen zu einer lebensfähigen Welt wird. Als vor rund zweihundert Jahren die Industrialisierung einsetzte, mehr und mehr Kohle verbrannt wurde, später auch Erdgas und Erdöl als fossile Energieträger hinzukamen, ahnte noch niemand, daß ein bestimmter Anteil der Verbrennungsgase, nämlich jenes CO2, in der Atmosphäre das von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenlicht besonders effektiv aufnimmt und in Wärme umwandelt.

Erst durch Laborexperimente und einen Vergleich der auffällig parallel verlaufenden Meßkurven von der globalen Durchschnittstemperatur und der atmosphärischen CO2-Konzentration sowie weitere Hinweise u.a. aus der Paläoklimaforschung verdichtete sich das Wissen, daß ausgerechnet der kleine Anteil der menschengemachten CO2-Emissionen das Zünglein an der Waage ist: Gegenwärtig erwärmt sich die Erde vor allem aufgrund der Verbrennung der fossilen Energieträger, und die Folgen für die Menschheit könnten zu einer Klimadauerkatastrophe auswachsen. Die läßt sich nach Einschätzung der großen Mehrheit der mit diesem Thema befaßten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur dann vermeiden, wenn es gelingt, den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu verringern.

Hier kommt die bei Ketzin im Havelland aufgebaute Pilotanlage ins Spiel. Dort wurden fünf Jahre lang in einer als geeignet angesehenen geologischen Formation 67.000 Tonnen CO2 in den Untergrund gepreßt. Das Verhalten das Gases in der rund 630 Meter tiefen Schicht aus porösem Sandstein wurde mittels eines komplexen Beobachtungssystems aus mehreren Bohrungen und zahlreichen Sensoren überwacht. [2]

Mehrere geologische Faktoren sprachen dafür, daß das Projekt an diesem Standort Erfolg haben würde: Die künstliche geschaffene CO2-Lagerstätte ist nach oben gewölbt - man spricht von einer Antiklinale -, so daß das eingepumpte Gas, das aufsteigt, kaum zu den Seiten hin ausweichen und nicht "über die Kante" abfließen kann. Oberhalb des Sandsteins befindet sich eine Tonschicht, die verhindert, daß das Gas entweicht. Sollte es dennoch diese Tonschicht durchdringen, würde es spätestens weiter oberhalb von einer zweiten Tonschicht aufgehalten. Das salzhaltige Grundwasser, das zuvor in der Sandsteinschicht vorlag, mußte beim Befüllen des porösen "Speichers" verdrängt werden. Das könnte aber bedeuten, daß es von den Rändern der Gasblase her einen gewissen Gegendruck ausübt, so daß auch von diesem Effekt zu erwarten war, daß das CO2 relativ zusammenbleibt.

Würde das auch dann gelten, wenn CCS, das ein bißchen wie der letzte Strohhalm der Menschheit ist, wenn man sich die Zunahme von Extremwettern und klima-physikalischen Veränderungen der Erdsysteme anschaut, als ernsthafte Klimaschutzmaßnahme betrieben wird?

"Wenn man vom industriellen Maßstab ausgeht, redet man von Injektionsmengen, die bei mindestens einer Million Tonnen pro Jahr liegen", sagte vor gut zwei Jahren beim Tag der Offenen Tür in Ketzin Forschungsleiter Liebscher gegenüber dem Schattenblick. Das läge mindestens zwei Größenordnungen über der Menge, die in Ketzin verpreßt worden sei. [3]

Allein das Kohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg emittiert jährlich etwa 1,4 Millionen Tonnen CO2. Wollte man dieses Gas einfangen, bräuchte man 20 Standorte wie Ketzin bzw. eine 20fach so große Lagerstätte - vergleichbar mit dem Sleipner-Gasfeld in der Nordsee des norwegischen Unternehmens Statoil.

Von einem Ende ohne Schrecken und der Befürchtungen der Öffentlichkeit, die allerdings beim Aufbau des CO2-Speichers in Ketzin von Anfang eingebunden worden war, kann trotz erfolgreichen Abschlusses der Arbeiten nicht die Rede sein. Denn dieser bedeutet noch lange nicht, daß eine Kohlendioxidspeicherung im industriellen Maßstab und über Fristen, die nicht in Jahren, sondern Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten zu bemessen wären, ebenso zuverlässig gelingt. Solche Zweifel werden durch Berichte genährt, daß sogar beim zeitweiligen Vorzeigemodell der CCS-Verklappung, dem Sleipner-Gasfeld in der Nordsee, oberhalb des künstlichen Gaslagers überraschend Risse im Meeresboden entdeckt wurden.

Bei einer anderen Form der unterirdischen Abfallentsorgung der fossilen Energiewirtschaft, der Erdöl- und Erdgasgewinnung mittels der Methode der hydraulischen Frakturierung, kurz Fracking, hat im US-Bundesstaat Oklahoma das Verpressen von Produktionswasser in tiefen Bohrlöchern wiederholt Erdbeben ausgelöst. Ist es ausgeschlossen, daß beim Verpressen von Kohlenstoffdioxid ähnliches geschieht? Ein weiteres Beispiel einer mit CCS verwandten Technologie: Zwischen Oktober 2015 und Februar 2016 strömten aus einem unterirdischen Gaslager im kalifornischen Alison Canyon über 100.000 Tonnen Methan und Ethan in die Atmosphäre. Soll die Öffentlichkeit glauben, daß CO2-Speicher sicherer sind als Erdgasspeicher?

Die Verbrennung von fossilen Energieträgern ist ein gelungenes Geschäftsmodell, für das sogar Kriege geführt werden. Auch die Beseitigung der Schäden dieses profitträchtigen Wirtschaftens ruft geschäftstüchtige Interessen auf den Plan, die unbedingt CCS betreiben wollen. Man kann vermuten, daß sich eines Tages ein weiteres Geschäftsmodell auftun wird, wenn die Gefahren und Schäden, die wiederum durch CCS entstanden sind, behoben werden müssen ...


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/ya7h36lf

[2] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0101.html

[3] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0186.html

15. September 2017


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