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KLIMA/579: COP 21 soll den Planeten gerettet haben? Die Kohlewirtschaft brummt! (SB)


Australien genehmigt Bau des weltgrößten Kohlehafens

Weltnaturerbe Great Barrier Reef gefährdet


Nachdem der Jubel über die "Rettung des Planeten" (US-Außenminister John Kerry) abgeklungen ist, macht sich Katerstimmung breit. Über das am 12. Dezember vereinbarte internationale "Abkommen von Paris" zum Schutz des Klimas wurde anscheinend so "zäh" verhandelt - eine häufig gewählte Beschreibung, als würde das bereits etwas über das Ergebnis aussagen -, daß das Dokument jede Verbindlichkeit vermissen läßt. Es ist ein Minimalkonsens hinsichtlich des Klimaschutzes, aber ein Maximalkonsens hinsichtlich der Absicht, der profitgetriebenen Wirtschaft auch in Zeiten zunehmender Klimakatastrophen höchste Priorität einzuräumen.

Entgegen den zahlreichen Absichtsbekundungen zur Bewahrung des Klimas [1] wird in dem Pariser Abkommen wenig über die eigentlichen Absichten der Akteure gesprochen. Die lassen dafür Taten sprechen. Am heutigen Dienstag hat der australische Umweltminister Greg Hunt den Ausbau des Kohlehafens Abbot Point genehmigt, berichtet "The Economic Times" aus Indien. [2]

Damit unterstützt die australische Regierung die weitere Kohleförderung unter anderem aus der in unmittelbarer Hafennähe gelegenen Carmichael-Mine durch die indische Adani Group und gefährdet das Great Barrier Reef, das als Unesco-Weltnaturerbe gelistet ist. Zu der Entscheidung Hunts paßt wie die Faust aufs Auge, daß die indische Regierung zwei Tage nach Abschluß des Pariser Klimagipfels angekündigt hat, sie werde bis zum Jahr 2020 die Menge an Kohle zur Stromgewinnung verdoppeln und noch jahrzehntelang Kohle zur Energiegewinnung nutzen. [3]

Auf der gleichen Linie liegt übrigens die Hansestadt Hamburg, deren Erster Bürgermeister kurz vor Beginn des Klimagipfels offiziell das Kohlekraftwerk Moorburg eröffnet hat. Wenn es unter Vollast läuft, wird sich der CO2-Ausstoß Hamburgs verdoppeln. Weder in Hamburg noch in Australien haben sich die Gegner der Projekte durchgesetzt. Dabei wissen sie viele plausible Argumente auf ihrer Seite, unter denen eines besonders hervorsticht: das Abkommen von Paris.

Wenn, wie vereinbart, der ernsthafte Versuch unternommen würde, die globale Durchschnittstemperatur um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen zu lassen (wovon 1,0 Grad bereits in Anspruch genommen sind), müßte insbesondere bei der Kohleverstromung eine Vollbremsung vollzogen werden. Der norwegische Pensionsfonds und der Versicherungskonzern Allianz haben bereits angekündigt, sich aus der Investition in die Kohleindustrie zurückziehen zu wollen. Solche Maßnahmen genügen jedoch nicht, wenn an anderer Stelle der entgegengesetzte Kurs eingeschlagen wird.

Australien hat es versäumt, sich von der Kohleförderung zu verabschieden, und wird in diesem Jahr mit 200 Mio. t eine doppelt so große Menge dieses fossilen Energieträgers exportieren wie Rußland. Die Bedeutung des Abbot-Point-Hafens als Drehscheibe der Kohleindustrie soll mit der geplanten Erweiterung des Hafens und Steigerung der Ausfuhr von 50 Mio. t auf 120 Mio. t jährlich kräftig erhöht werden. Wenn die Regierung des Bundesstaats Queensland den Plänen zustimmt, würde Abbot Point zum größten Kohlehafen der Welt. Die CO2-Emissionen aus der exportierten Kohle überträfen die Emissionen von Ländern wie Österreich, Malaysia oder Städten wie New York City. [4]

Die australische Regierung stellt sich nicht nur gegen die Absichtserklärungen im Pariser Abkommen, sondern geht auch das hohe Risiko einer ökologischen Katastrophe in den Meeresgebieten vor der Küste ein. Wenn es nicht seit Jahren heftige Proteste gegen die Hafenerweiterung und den Ausbau der Carmichael-Mine gegeben hätte, wären zwar wesentlich gravierendere Umweltschäden zu erwarten gewesen, als sie nach den heutigen, überarbeiteten Plänen drohen, aber die sind noch immer folgenschwer genug.

Für den Hafenausbau sollen 1,1 Mio. Kubikmeter Meeresboden, rund 20 Kilometer vom Meeresschutzgebiet Great Barrier Reef entfernt, abgebaggert und an Land gelagert werden - ursprünglich sollten sie an anderer Stelle ins Meer gekippt werden, so daß riesige Sedimentwolken entstanden wären, die zahlreiche Riffe geschädigt hätten.

Imogen Zethoven von der australischen Naturschutzorganisation Australian Maritime Conservation Society kritisiert an den alten und neuen Plänen unter anderem, daß in Zukunft jedes Jahr Hunderte Kohlefrachter zusätzlich durch die Riffe vor der Küste fahren werden. Abbot Point ist der Lebensraum von Meeresschildkröten und Seekühen, Delphinen und Riesenrochen. Auch Buckelwale ziehen auf ihrer Wanderung durch dieses korallenreiche Meeresgebiet vor der australischen Ostküste. Diese Tiere und viele mehr werden durch die Kohleinfrastrukturmaßnahmen massiv gestört.

Am Rande des Pariser Gipfels auf den Widerspruch zwischen den hohen CO2-Emissionen in Folge der Kohleförderung und Klimaschutz angesprochen antwortete Umweltminister Hunt, er sei kein Neokolonialist: "Das ist kein Projekt der australischen Regierung, sondern eines Privatunternehmens aus Indien. Ich dachte, wir hätten die neokoloniale Phase überwunden, in der die Reichen entscheiden, was mit den Armen geschieht." [5]

Dieses Argument läßt sich einfach entkräften, denn es waren und sind die Reichen, deren CO2-Emissionen - unter anderem aus der Kohleverbrennung - entscheidend dazu beigetragen haben, daß die Armen bereits jetzt durch Klimawandelfolgen wie Meeresspiegelanstieg, intensivere Stürme, Dürren, Überschwemmungen und Versauerung der Meere stärker getroffen werden als die Reichen. Zudem bringt Hunt einiges durcheinander, wenn er einerseits erklärt, beim Kohleabbau handele es sich um "das Projekt eines Privatunternehmens" und im nächsten Satz fordert, die Reichen sollten nicht die Armen bevormunden. Jenes "Privatunternehmen" - die Adani Group - gehört mit einem Umsatz von 17,5 Mrd. Dollar (2015) sicherlich nicht zu den Armen. Ganz zu schweigen von Gina Rinehart. Die Unternehmerin ist ebenfalls an dem Bergbauprojekt beteiligt und ganz nebenbei die reichste Frau der Welt ...

Wenn Australien so sehr besorgt um das Wohl der Armen wäre, sollte es seine restriktive Einwanderungspolitik überdenken, denn von den pazifischen Inselstaaten werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viele Menschen ihr Land verlassen, wenn der Meeresspiegel weiter steigt - auch weil Australien im Reigen der Industriestaaten auf Teufel komm raus Kohle exportiert und die Reichen noch reicher gemacht hat.


Fußnoten:

[1] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-578.html

[2] tinyurl.com/z423lyk

[3] http://www.reuters.com/article/us-climatechange-summit-india-coal-idUSKBN0TX15F20151214

[4] http://www.tai.org.au/system/files_force/Amos%202015%20Carmichael%20in%20context%20-.pdf?download=1

[5] http://www.theguardian.com/environment/2015/dec/02/australia-approved-coalmine-because-it-isnt-a-neo-colonialist-power-greg-hunt-claims

22. Dezember 2015


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