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KLIMA/533: Zyklon "Pam" und die Folgen der Erderwärmung (SB)


Globale Erwärmung nimmt an Tempo zu


Die Erde steht kurz davor, sich rasant zu erwärmen. Waren die globalen Durchschnittstemperaturen auf der Nordhalbkugel in den letzten über tausend Jahren um 0,1 Grad pro Dekade gestiegen, wird der Wert voraussichtlich ab dem Jahr 2020 auf 0,25 Grad zunehmen. Das berichtete eine Forschergruppe um Dr. Steve Smith vom Pacific Northwest National Laboratory des US Department of Energy, also des Energieministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika, im Journal Nature Climate Change. [1] Diese Steigerung führen die Wissenschaftler auf die vermehrten menschengemachten Treibhausgasemissionen zurück, deren Wirkung zu den natürlichen Klimaveränderungen hinzugerechnet werden müssen. Das heißt, eine natürliche Abkühlung würde aufgrund des menschlichen Einflusses milder ausfallen, eine natürliche Erwärmung verstärkt werden. Letzteres ist zur Zeit zu beobachten.

Für die aktuelle Studie wurde eine Reihe von Klimaprojektionen dahingehend ausgewertet, welche Veränderungen sie für eine Zeitspanne von 40 Jahren und damit für einen Zeitraum, in dem normalerweise noch keine Häuser und Infrastrukturen erneuert werden müssen, liefern. Aufgrund der globalen Erwärmung wird man in Zukunft frühzeitiger Anpassungen vornehmen müssen, warnen die Wissenschaftler.

Unter dem aktuellen Eindruck des gewaltigen Wirbelsturms "Pam", der einen beträchtlichen Teil der Gebäude und Bäume auf dem Inselstaat Vanuatu abrasiert hat, eines Dürrenotstands in Brasilien oder auch einer gerade überstandenen klirrenden Kälte im Osten Nordamerikas wirken solche abstrakten wissenschaftlichen Projektionen zum Klima und seinen Folgen unspektakulär. Wer wollte behaupten, daß ihm der Unterschied zwischen einer Temperaturerhöhung von 0,1 und 0,25 Grad innerhalb von zehn Jahren mehr als nur ein müdes "Na und?" entlockt.

Es sind statistische Werte, ermittelt aus einer Vielzahl von Einzeldaten und hochgerechnet auf einen in die Zukunft weisenden Trend. Die Bedeutung dessen erschließt sich nicht ohne weiteres, sie ist sinnlich kaum zu erfassen. Deshalb müssen solche mathematischen Angaben wieder rückübersetzt werden auf die Erfahrungswelt, aus der sie ursprünglich stammen.

Das läßt sich am Beispiel der pazifischen Inselstaaten vor Augen führen. So bedeutet eine höhere Temperatur der Meeresoberfläche, daß Zyklone mehr Wärme aufnehmen, also energiereicher und damit auch destruktiver sind, weil sie zum Beispiel höhere Windgeschwindigkeiten entfalten. Als Smith davon sprach, daß noch zu Lebzeiten der heutigen Generation Anpassungsmaßnahmen der Infrastruktur vorgenommen werden müssen, konnte er nicht wissen, daß selbst Backsteingebäude auf Vanuatu von dem Zyklon Pam zerstört werden würden. Dessen Wüten bestätigt die Schlußfolgerungen, die der Wissenschaftler und seine Kollegen anhand ihrer Projektionen zur Erderwärmung gezogen haben.

Doch die Bewohner der Inselgruppe Vanuatu müssen sich nicht erst in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten auf den Klimawandel einstellen, sondern sofort. Sie müssen so bauen, daß sie sogar noch stärkere Stürme abwettern können. Das betrifft nicht nur die Wohngebäude und Elektrizitätsversorgung, sondern auch die Brunnen, die bei Sturmfluten überschwemmt werden können und dann versalzen. Diese "Salzwasser-Intrusion" bezeichnete Gefahr droht nicht nur bei Wirbelstürmen, sondern generell beim Anstieg der Meeresspiegels. Damit erhöht sich der Druck auf die Süßwasserlinsen - sofern vorhanden - im Untergrund der Inseln. Ist so eine Ressource erst einmal durch Salzwasser kontaminiert, ist die Regeneration sehr zeitaufwendig.

Noch zerstörerischere Wirbelstürme als bisher und ein Anstieg des Meeresspiegels mit der Folge von Sturmfluten sind zwei "Übersetzungen" von Klimaprojektionen, wie sie Smith und seine Forschergruppe vorgestellt haben. 100 Milliarden Dollar sollen die Industriestaaten ab 2020 jährlich an die Entwicklungsländer transferieren, damit diese Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel vornehmen können, lautet ein Versprechen der reichen Länder auf dem UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen. Das klingt nach viel Geld, und doch verteilt sich diese Summe auf Dutzende ärmere Staaten, die je nach ihrer "Bedürftigkeit" verschiedenen Gruppen zugeordnet werden. Außerdem ist der Begriff "Klimafinanzierung" unscharf. Er umfaßt unter anderem Kreditbürgschaften, was zur Folge hatte, daß Japan einem japanischen Unternehmen eine solche Bürgschaft gegeben hat, damit es in Indonesien ein Kohlekraftwerk baut. Das wurde als Bestandteil der Klimafinanzierung mit der Begründung verbucht, andere Firmen bauten "dreckigere" Kohlekraftwerke. [2]

Auf der anderen Seite haben die Staats- und Regierungschefs der in der G20 zusammengeschlossenen Industrie- und Schwellenländer vereinbart, bis zum Jahr 2030 weltweit 60 bis 70 Billionen US-Dollar in eigene Infrastrukturmaßnahmen investieren zu wollen. Das macht auf 15 Jahre gerechnet pro Jahr mindestens 4000 Milliarden Dollar, liegt also um eine Größenordnung über der - sowieso bislang nur erhofften - Unterstützung der ärmeren Länder bei der Anpassung an einen Klimawandel, wie er wiederum von den wohlhabenderen Staaten, die nach wie vor die meisten Treibhausgasemissionen verursachen, gegenwärtig beschleunigt wird.


Fußnoten:

[1] http://www.sciencemag.org/content/early/2015/03/13/science.1261768

[2] http://www.klimaretter.info/dossiers/klimagipfel-lima/hintergruende/17728-die-100-milliarden-dollar-frage

16. März 2015


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