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KLIMA/505: Petersberger Klimadialog - Deutliches Bekenntnis zum Ökokapitalismus (SB)


Weiße Weste - Schwarzer Peter

Deutschland spielt sich als Welthüter des Klimas auf - da bleibt für andere Nationen nur noch die Rolle des Klimasünders



Auf Einladung von Bundesumweltminister Peter Altmaier kommen diese Woche Montag und Dienstag rund 35 Fachkollegen aus anderen Ländern zum Dritten Petersberger Klimadialog in Berlin zusammen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird die Konferenz "Matching Ambition with Action" (sinngemäß: Den Worten Taten folgen lassen) besuchen. Der Dialog bietet eine Plattform für die informelle Diskussion der Kernfragen des internationalen Klimaschutzes, wirbt das Bundesumweltministerium für das Treffen [1]:

"Der Petersberger Klimadialog geht auf eine persönliche Initiative der Bundeskanzlerin in Kopenhagen zurück. Deutschland übernimmt seit langem (Berliner VN-Klimagipfel im Jahr 1995, EU und G8 Präsidentschaft im Jahr 2007) eine politische Vorreiterrolle in der internationalen Klimapolitik. Heute zeigt Deutschland mit der Energiewende, wie wichtig es ist, mit konkreten Schritten auf der nationalen Ebene die wirtschaftliche Transformation in eine kohlenstoffarme Zukunft zu unternehmen und dadurch seine internationale Verpflichtungen besser erfüllen zu können."

Die Bundesregierung geriert sich hier mal wieder als oberste Klimaschützerin der ganzen Welt. Dabei unterschlägt sie, daß sie in vielen Bereichen als Bremserin in Sachen Klimaschutz fungiert. Die Formulierung "kohlenstoffarme Zukunft" im obigen Zitat ist so vage gehalten, daß damit beispielsweise die anhaltende Torpedierung strengerer EU-Abgasnormen für Autos vor allem durch Deutschland kaschiert werden soll. Als Exportnation von Autos vor allem des oberen Preissegments, die vergleichsweise hohe Schadstoffwerte verzeichnen, wird damit knallharter Industrieschutz und nicht Schutz des bestehenden Klimas betrieben.

Ein nicht weniger krasser Widerspruch besteht zwischen dem erhobenen Vorreiteranspruch und der Steigerung der Braunkohleverstromung als mutmaßliche Brückentechnologie in eine Zukunft zu angeblich hundert Prozent Erneuerbare Energien. Braunkohle ist der schmutzigste Energieträger überhaupt - und in einer Sache ist Deutschland tatsächlich weltweit Vorreiter: In keinem anderen Land wird mehr Braunkohle gefördert und verstromt! Ein Viertel des deutschen elektrischen Stromverbrauch wird über die Verbrennung dieses Energieträgers generiert. Die heute von den Behörden genehmigten Kohlekraftwerke rentieren sich nur, wenn sie jahrzehntelang laufen. Damit bilden sie eine Brücke ohne Ende.

Als drittgrößte Rüstungsexportnation der Welt produziert Deutschland unter entsprechend hohem Energieeinsatz ungeheure Mengen militärischer Güter. Werden diese auch noch in Konflikten eingesetzt, kommt es zusätzlich zu klimaschädlichen Effekten (ganz abgesehen vom unmittelbaren menschlichen Leid durch Kriegswaffen). Wenn also das BMU behauptet, Deutschland erfülle "Vorbildcharakter", dann wird dabei vieles unterschlagen. Das ist sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal Deutschlands, aber es gibt keinen Grund, sich so aufzuspielen, wie es derzeit beim dritten Petersberger Dialog vorexerziert wird.

Der internationale Klimaschutz steckt spätestens seit der UN-Konferenz von Kopenhagen im Dezember 2009 fest. Aber auch davor wurden vor allem Lippenbekenntnisse abgegeben und es wurde eher Bestandssicherung der fossilen Wirtschaft denn ernsthafter Klimaschutz betrieben. So waren es die Vereinigten Staaten, die maßgeblichen Einfluß auf das Kyoto-Protokoll nahmen, indem sie auf die Einführung von Clean Development Mechanisms (CDM) bestanden, wodurch sich die Industrieländer davon freikaufen konnten, bei sich zu Hause CO2-Emissionen einsparen zu müssen. Statt dessen wurde es ihnen ermöglicht, Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern zu finanzieren und dort Emissionen zu sparen.

Bekanntlich hat die US-Regierung das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert. Dafür wurde mit dem Abkommen, das in diesem Jahr endet, der internationale Klimaschutz erfolgreich aufs Abstellgleis gelenkt. Eigentlich hätten die beteiligten Länder längst ein Nachfolgeabkommen aushandeln sollen, das dann nicht so ein zahnloser Tiger wie das Kyoto-Protokoll gewesen wäre, sondern empfindlich in die wachstumsgestützte Produktionsweise eingegriffen hätte. Inzwischen wird es jedoch als Erfolg verkauft, daß man sich 2010 in Durban darauf geeinigt hat, bis 2015 einen Weltklimavertrag mit rechtlich verbindlichen Aufgaben zur Reduktion der CO2-Emissionen aushandeln zu wollen. Fünf Jahre darauf soll er in Kraft treten. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter - soll heißen: es ist sehr ungewiß, wie die Welt in drei oder gar acht Jahren aussehen wird.

Auf dem Petersberger Klimadialog kann viel über die Rettung der Welt salbadert werden, da das Treffen informell ist. Zwar sollen die Ergebnisse in die Verhandlungen der in diesem Jahr in Doha stattfindenden UN-Klimaschutzkonferenz einfließen, aber die Zeit für Absichtserklärungen sollte doch bitte schön längst vorbei sein. Das nimmt den Politikern sowieso niemand mehr ab. So wird beispielsweise vom BMU eine "Transformation zu einer Niedrigemissionswirtschaft als Modernisierungs- und Wachstumsstrategie" gefordert, wohl wissend, daß zur Einhaltung des von den Industrieländern gesteckte Ziel, die Erderwärmung nicht um mehr als zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen zu lassen, der Energieverbrauch und die Emissionen in Deutschland um etwa 80 bis 90 Prozent reduziert werden müßten!

Wie gesagt, dieses Ziel, das wohl kaum eingehalten werden kann, steuert die Welt doch derzeit auf das Drei- oder gar Vier-Grad-Ziel zu, wurde von Politikern der reichen Länder festgelegt. Die kleinen Inselstaaten dagegen werden schon gar nicht mehr gehört, fordern sie doch die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Der Meeresspiegel steigt, und schon jetzt saufen Inseln wie Tuvalu ab. Ein derart ehrgeiziges Ziel klingt vielleicht unrealistisch, aber wer so argumentiert, verteidigt den Realismus einer von Wachstum und Profitmaximierung getriebenen Wirtschaft. Deren Vertreterinnen und Vertreter sorgen sich nicht um Inseln - solange es nicht ihre eigenen sind. Und um Eigentum geht es beim Klimaschutz.

Hinter jeder Forderung des Bundesumweltministeriums in der Ankündigung des Petersberger Klimadialogs steckt unausgesprochen: "Unter Wahrung der bestehenden Eigentumsverhältnisse." Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß weder in Bonn noch in Doha Vereinbarungen getroffen werden, durch die diese Ordnung, in der wenige Menschen viel besitzen, viele Menschen aber zu wenig zum Leben, unangetastet bleiben soll. Die sogenannte Energiewende, der Umbau der Gesellschaft, transformiert auf diese Weise die immer gleichen vorherrschenden Verfügungsstrukturen in die neue Zeit des Ökokapitalismus.


Fußnoten:

[1] http://www.bmu.de/petersberger_konferenz/doc/48881.php

16. Juli 2012