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KLIMA/455: Dauerhitzewellen und Erntemangel - die USA in 30 Jahren (SB)


Neue US-Studie zum Klimawandel

Zwei-Grad-Ziel unzureichend


Innerhalb der nächsten Generation werden sich die klimatischen Verhältnisse in den USA so sehr verändern, daß die Landwirte merkliche Ernteeinbußen verzeichnen. Wurde bereits im vergangenen Jahrzehnt eine Häufung an Dürreperioden von Kalifornien bis Florida verzeichnet, so rechnen Klimaforscher damit, daß vor allem die südlichen Bundesstaaten Utah, Colorado, Arizona und New Mexico häufigere und längere Dürrezeiten und neue Hitzerekorde erfahren werden. Zu dieser Prognose gelangte eine Forschergruppe um Studienleiter Noah Diffenbaugh von der Universität Stanford nach zweijähriger Arbeit. [1] Ihre Fachstudie wurde im Journal "Geophysical Research Letters" veröffentlicht.

In den nächsten dreißig Jahren werden Hitzewellen, wie sie gegenwärtig im Osten der USA herrschen und 2003 Europa heimgesucht und Zehntausende Opfer gefordert haben, regelmäßig auftreten, berichtete Diffenbaugh. Bei wichtigen Nutzpflanzen wie Mais, Soja, Baumwolle und Wein werde es zu "signifikanten" Ertragseinbußen kommen.

Diffenbaugh und sein Kollege Moetasim Ashfaq, der inzwischen von der Universität Stanford zum Oak Ridge National Laboratory gewechselt ist, hatten zwei Dutzend Klimamodelle hinsichtlich ihrer Prognosen zur Klimaentwicklung der USA ausgewertet, unter der Annahme, daß sich die globale Durchschnittstemperatur zwischen 2010 und 2039 um ein Grad Celsius erhöht. Das ist ein Wert, wie er vom Weltklimarat IPCC (International Panel on Climate Change) als sehr realistisch eingeschätzt wird. Diese Temperatur liegt auf einer Linie mit einer Steigerung um zwei Grad Celsius bezogen auf die Frühphase der Industrialisierung um 1850.

Auch im unverbindlichen Copenhagen Accord, den die Staats- und Regierungschefs als Ergebnis der UN-Klimakonferenz im Dezember 2009 verabschiedet haben, um zumindest den Eindruck eines gemeinsamen Nenners zu erwecken, wird diese Zwei-Grad-Grenze als Schwelle, die nicht überschritten werden sollte, genannt. Aber schon damals hatten Vertreter der Malediven und anderer Inselstaaten gefordert, daß die globale Durchschnittstemperatur um nicht einmal 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen dürfe, da ansonsten ihre Inseln als Folge des Meeresspiegelanstiegs überschwemmt würden.

Auch Diffenbaugh warnt, daß die Zwei-Grad-Grenze zu hoch angesetzt ist. Viele Millionen Amerikaner würden noch vor 2039 eine scharfe Zunahme extremer Temperaturereignisse erleben, sagte er und fügte an. "Offen gesagt habe ich erwartet, daß wir erhebliche Temperaturzunahmen im Verlauf dieses Jahrhunderts bei höheren Treibhausgaskonzentrationen und der globalen Erwärmung erhalten werden. Aber ich habe nichts in diesem Ausmaß innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte erwartet. Das war definitiv eine Überraschung."

Das Problem besteht nicht einfach "nur" in höheren Durchschnittstemperaturen. Den Klimaprognosen zufolge werden weite Teile der USA ab 2030 dauerhaft trockener sein. Die Niederschläge verändern sich, und die Bodenfeuchte nimmt in einer Weise ab, wie es ansonsten in zurückliegenden, sehr heißen Perioden verzeichnet wurde. Es sei natürlich Sache der politischen Entscheidungsträger, die angemessensten Maßnahmen zu ergreifen, sagte Diffenbaugh. Er warnte, ihren Ergebnissen zufolge garantiere eine Begrenzung der Erderwärmung um zwei Grad nicht, daß der Klimawandel keine zerstörerischen Auswirkungen haben wird.

Die US-Regierung ist sich des Klimawandels durchaus gewahr. Das bedeutet jedoch nicht, daß sie deswegen ihren Anspruch auf Weltführerschaft aufgibt und mit anderen Nationen an einem Strang zieht. Das hat nicht zuletzt die Kopenhagen-Konferenz gezeigt, bei dem ein Eklat den nächsten gab. Daran war die US-Regierung insofern maßgeblich beteiligt, als daß sie versucht hat, die Delegierten dazu zu bringen, nicht mehr das Kyoto-Protokoll als Grundlage für Verhandlungen zu nehmen.

Das Kyoto-Protokoll, dem die USA als einziger Industriestaat nicht beigetreten sind, war das erste und einzige globale Klimaschutzabkommen, das die Menschheit je zustandegebracht hat. Es läuft 2012 aus und sollte den Unterzeichnerstaaten selbstverständlich als Grundlage für ein Nachfolgeprotokoll dienen. Es gab sicherlich mehrere Gründe dafür, warum die US-Regierung das Kyoto-Protokoll zu torpedieren versucht. Zu den wichtigeren gehört, daß sie sich nicht als Gleiche unter Gleichen einordnen will. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt kündigte US-Präsident Barack Obama an, daß die USA eine "Führungsrolle im Klimaschutz" übernehmen werde. Das wurde von wohlwollenden Beobachtern so interpretiert, als ginge es Obama primär um den Klimaschutz. Die Betonung lag jedoch offensichtlich auf "Führerschaft". Die USA wollen den Kurs der internationalen Klimaschutzpolitik bestimmen und sich nicht zu Maßnahmen verpflichten, die erstens ihrer Wirtschaft und zweitens ihrem Führungsanspruch schaden könnten.

Die aktuelle Studie wird sicherlich in Washington mit Aufmerksamkeit gelesen, denn sie zeigt, daß die Worst-case-scenarios in den Klimasimulationen der Vergangenheit noch harmlos sind. Die Entwicklung kommt viel rascher auf die Gesellschaften zu als befürchtet, was auf der anderen Seite bedeutet, daß in Vorbereitung auf mögliche Mangelsituationen im eigenen Land administrative Strukturen geschaffen werden müssen. Daran wird längst gearbeitet. Angefangen von der Verbreitung von Lebensmittelmarken - mehr als 39 Millionen US-Bürger kommen bereits ohne diese staatliche Unterstützung nicht aus - bis zum Einsatz von Söldnern gegen die eigene Bevölkerung in Krisenzeiten (New Orleans im August, September 2005) oder der erstmaligen Stationierung eines aktiven Kampfverbands auf heimischem Boden (Oktober 2008) für den Einsatz im Landesinnern, unter anderem zur Kontrolle von Menschenmengen bei zivilen Unruhen.


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Anmerkungen:

[1] "Heat Waves Commonplace In The US By 2039", 13. Juli 2010
http://www.terradaily.com/reports/Heat_Waves_Commonplace_In_The_US_By_2039_999.html

13. Juli 2010