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KLIMA/418: Entwicklungs- und Schwellenländer lassen sich spalten (SB)


Der Klimagipfel von Kopenhagen

Wirtschaftlich und militärisch führenden Staaten setzen sich durch


Gipfeltreffen, ob im Rahmen der WTO-Verhandlungen, der G8-Treffen oder auch der UN-Klimaschutzpolitik, weisen eine wiederkehrende Charakteristik auf: Im Vorfeld werden zunächst die Probleme insbesondere für die sogenannte Dritte Welt benannt, für die angeblich eine Lösung gefunden werden müsse. Man gibt sich betroffen, aber auch zuversichtlich, daß etwas getan werde, da ja die Not der Menschen wirklich unerträglich ist. Dann stellt sich im Laufe der Verhandlungen heraus, daß sich die ärmeren Länder mit ihren berechtigten Forderungen nicht durchsetzen können. Endlich werden in der Abschlußerklärung Versprechungen abgegeben und Zusagen gemacht, die den Eindruck erwecken sollen, es würden nun doch, nach hartem, ehrlichen Ringen, entschiedene Maßnahmen sowohl gegen die akute als auch strukturelle Not in den Entwicklungsländern ergriffen. Als viertes wäre noch zu ergänzen, wird sich ein oder zwei Jahre später herausstellen, daß die Zusagen nicht eingehalten wurden.

Bei den UN-Klimaschutzverhandlungen in Kopenhagen wurde Phase zwei der Scharade eingeläutet. Der vom Anstieg des Meeresspiegels unmittelbar bedrohte Inselstaat Tuvalu und mehrere Dutzend ärmere Länder, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, fordern von den Industrienationen wie auch Schwellenländern die Festlegung auf rechtsverbindliche CO2-Einsparungsziele, bekommen aber die kalte Schulter gezeigt. [1]

Die Hauptemittenten von Treibhausgasen müßten ab 2013 ihre CO2-Emissionen deutlich reduzieren. Die Zielvorgabe, den Anstieg der Weltdurchschnittstemperatur auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu beschränken, genüge nicht, die Durchschnittstemperatur dürfe 1,5 Grad nicht überschreiten. Ansonsten drohten ärmere Staaten vom Meer überschwemmt bzw. von Dürren oder Überschwemmungen heimgesucht zu werden, hieß es in den von Tuvalu vorgebrachten Forderungen.

Die machen unter Klimaschutzkriterien, an denen sich angeblich alle anderen Staaten ebenfalls orientieren, Sinn, werden aber selbst von China, Indien und Saudi-Arabien, die sich in mancher Hinsicht noch mit den ärmeren Ländern gegen die Industriestaaten verbündet hatten, abgelehnt. China, das in absoluten Zahlen weltgrößter CO2-Produzent ist, sieht sein wirtschaftliches Wachstum gefährdet, sollte es sich zu weitergehenden als den bereits zugestandenen Reduktionszielen verpflichten, die dann nur noch mit einem absoluten Zurückfahren der Produktion, nicht aber mit einer Effizienzsteigerung des Energieverbrauchs eingehalten werden können.

Industriestaaten der Europäischen Union wie auch die USA verfolgen im Prinzip kein anderes Interesse als China. Der Vorschlag aus Washington sieht eine faktische CO2-Reduzierung von rund vier Prozent bis 2020 vor, die Europäische Union von 20 Prozent oder optional, wenn andere Industriestaaten mitziehen, von 30 Prozent. Bis 2050 müßte der klimarelevante Schadstoffausstoß der Industriestaaten um 80 Prozent verringert werden. Selbst unter diesen Vorgaben würden Tuvalu und weitere Mitglieder der sogenannten Weltgemeinschaft untergehen oder schwere Schäden aufgrund von Überschwemmungen oder Dürren davontragen.

In den nächsten Tagen wird die Stimmung in Kopenhagen vermutlich noch einige Male hin und her schwappen wie Ebbe und Flut. Wobei sich die Schwellen- und Entwicklungsländer weiter gegeneinander ausspielen lassen, da auch sie, wie das aktuelle Beispiel zeigt, in entscheidenden Punkten konträre Interessen verfolgen. Das Bündnis, sich gemeinsam gegen die Industriestaaten zu behaupten, da diese eine historische Verantwortung für den heutigen Zustand der Atmosphäre tragen, genügt nicht als Zusammenhalt vor dem Hintergrund, daß Nationalstaaten in einem konkurrierenden Verhältnis zueinander stehen und Entgegenkommen bei Klimaschutzverhandlungen eine Schwäche ist, die von anderen ausgenutzt werden könnte.

Die Europäische Union beispielsweise, die sich in Kopenhagen als vorderste Klimaschützerin aufspielt, profitiert immer noch vom Zusammenbruch der Industrie in den osteuropäischen Staaten. Weil 1990 als Basisjahr für die Verhandlungen genommen wird und damals Polen, Rumänien, Ungarn, Bulgarien noch nicht abgewirtschaftet waren, wird der Europäischen Union ein relativ hoher CO2-Ausstoß im Verhältnis zu den schon wenige Jahre darauf emittierten Treibhausgasen zugebilligt. Ohne den Zusammenbruch der Wirtschaft im Osten stände die EU heute viel schlechter dar. Wer weiß, ob sie sich dann nicht ähnlich wie die USA ebenfalls zu recht bescheidenen Klimaschutzzielen verpflichtet hätte.

Tuvalu säuft ab - welche Mittel besitzt es, die großen Wirtschaftsmächte dazu zu bewegen, ihre Treibhausgasemissionen massiv zu reduzieren? Appelle verhallen, Bitten werden lächelnd entgegengenommen und abgeschmettert, wirtschaftlicher Druck wird gar nicht erst wahrgenommen. Selbst wenn sich Dutzende kleinere Staaten zusammenschließen, vermögen sie nicht die Schlagkraft zu entfalten, die beispielsweise China zur Verfügung steht. Es könnte ein starker Verbündeter für die ärmeren Länder sein. Das Reich der Mitte hat sich jedoch längst auf die Seite der Großen geschlagen, auch wenn es den Standpunkt vertritt, daß die Industriestaaten verpflichtet sind, sehr viel mehr für den Klimaschutz zu tun als die Schwellen- und Entwicklungsländer.


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Anmerkungen:

[1] "Entwicklungsländer untereinander bei Klimakonferenz uneinig", AFP, 10. Dezember 2009
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5iJikR-vRQNsHG00_ PgHa0nCIUGGQ

10. Dezember 2009