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KLIMA/315: Extremdürre in Australien - Vorbote der Erderwärmung (SB)


Ausblick auf den kommenden Klimawandel

Anhaltende Dürre hat in Australien bereits zum deutlichen Einbruch der landwirtschaftlichen Erträge geführt


Sicherlich ist es kaum an Dramatik zu überbieten, wenn aufgrund des Klimawandels der Meeresspiegel steigt und Inselstaaten wie Tuvalu unmittelbar vom Meer überspült zu werden drohen. Doch die Veränderungen, die in den letzten Jahren in Australien stattgefunden haben, stehen solchen Szenarien in nichts nach. Seit mehreren Jahren leidet das Land unter Trockenheit, aber 2007 sprachen die Einwohner nur noch von der "Jahrhundertdürre". Noch nie zuvor war es in Australien auf einer so großen Fläche über einen dermaßen langen Zeitraum so trocken geblieben wie im vergangenen Jahr. Möglicherweise wird die Jahrhundertdürre in diesem Jahr sogar noch übertroffen.

In Australien, auf der Südhalbkugel der Erde gelegen, herrscht zur Zeit Hochsommer. Wie das australische Büro für Meteorologie kürzlich berichtete, wurde in 2008 der wärmste Januar seit Beginn der Aufzeichnungen registriert. Der leitende Klimaforscher David Jones erklärte, daß die Durchschnittstemperatur in den meisten Landesteilen ein bis zwei Grad Celsius höher lag als normalerweise und im Gesamtdurchschnitt eine Temperatur von 29,2 Grad erreicht wurde. Das wird von Jones als höchst bemerkenswert bezeichnet, denn eine durchschnittliche Temperaturerhöhung von einem Jahr auf das nächste in Höhe von 1,3 Grad hat es in Australien bislang nicht gegeben.

Besonders brisant war auch Jones' Einschätzung, daß es im Januar in Australien keine Hitzewelle gab, sondern daß es sich um die Folge einer stetigen Erwärmung handelte. Der Unterschied ist gravierend. Eine Hitzewelle bedeutet, daß die hohen Temperaturen irgendwann wieder zurückgehen - eine permanente Erwärmung hingegen bleibt, wie der Name schon sagt, dauerhaft erhalten. Australien heize sich als Folge der globalen Erwärmung auf, erklärte Jones gegenüber AFP (1.2.2008), die Rekordtemperaturen träten erheblich schneller auf, als man erwarten würde, wenn es keine globale Erwärmung gäbe.

Die Folgen der Dürre sind sowohl national als auch international zu spüren. Viele australische Bauern kämpfen ums Überleben, trotz der Bezuschussung durch ihre Regierung. Nachdem es vor einigen Monaten kräftig geregnet hatte, glaubten sie, die Jahrhundertdürre sei überstanden, und sind in Erwartung einer üppigen Weizenernte sogenannte Forward-Kontrakte eingegangen. Das heißt, sie haben ihre Ernte verkauft, noch bevor das Getreide herangereift ist und die Früchte der Arbeit eingefahren waren. Nun regnet es wieder nicht, und die Erntemenge wird deutlich unter den Erwartungen liegen. Das hat zur Folge, daß die Bauern verpflichtet sind, den Mangel durch das Aufkaufen von teurem Weizen auf dem Weltmarkt auszugleichen. Die Weltmarktpreise für Weizen steigen jedoch rasant an - im vergangenen Jahr um mehr als 80 Prozent -, so daß sich nun viele Bauern verschulden müssen, um ihre Verträge zu erfüllen.

Anderen Bauern, die es vermieden haben, Forward-Kontrakte abzuschließen, geht es nicht viel besser. Es mangelt an Wasser, die größten Flüsse des Landes in der "Kornkammer" Australiens - Murray, Darling und Murrumbidgee - sind nur noch Schatten ihrer selbst. Es gelingt den Landwirten nicht einmal mehr, all ihre bis auf den Stumpf zurückgeschnittenen Obstbäume am Leben zu erhalten. Die aktuellen Dürreschäden werden über viele Jahre nicht zu beheben sein, selbst wenn das Wetter wieder mitspielte. Eine Rekultivierung des wichtigen Obstanbaus braucht seine Zeit.

Ein großer Teil der australischen Landwirtschaft ist auf künstliche Bewässerung angewiesen. Rund 70 Prozent des verfügbaren Süßwassers fließt in den Acker- und Gartenbau sowie die Viehzucht. In Australien werden Vorschläge diskutiert, die Landwirtschaft in jene Regionen zu verlagern, in denen die klimatischen Verhältnisse weniger ungünstig sind, oder auch nur noch die wirklich effizient arbeitenden landwirtschaftlichen Betriebe zu fördern, während Ländereien, die besonders stark bewässert werden müssen und dennoch keine hohen Ernteerträge abwerfen, aufgeben werden sollten.

Durch solche Anpassungsmaßnahmen kann der generelle Trend des Ernterückgangs nicht aufgehalten werden, es werden lediglich die Produktionskosten gesenkt. Global gesehen müßte die Menschheit jedoch mehr Nahrung produzieren, damit alle Menschen ausreichend zu essen hätten, nicht weniger. Obgleich der Klimawandel noch gar nicht seine volle Wucht entfaltet hat, zeigt das Beispiel Australien bereits, wie empfindlich die menschliche Gesellschaft auf natürliche Veränderungen reagiert.

Während der australischen Jahrhundertdürre im Produktionsjahr 2006/2007 waren die landwirtschaftlichen Einnahmen um zehn Prozent eingeknickt. Baumwolle brachte 46 Prozent, Weizen 51 Prozent und Reis 80 Prozent weniger ein. Die Mißernten schlugen bis zum Weltmarkt durch und trugen in Verbindung mit weiteren Faktoren (Dürre in der Ukraine, Förderung von Biosprit durch die USA und EU, wachsende Weltbevölkerung und Veränderung der Ernährungsgewohnheiten in Asien) zum starken Anstieg zunächst der Getreide- mit einiger Verzögerung auch der Lebensmittelpreise bei. Bislang deuten viele Zeichen darauf hin, daß sich der Trend in diesem Jahr fortsetzen wird.

Australien besitzt sicherlich ungünstige natürliche Voraussetzungen, um die Folgen eines Temperaturanstiegs zu kompensieren, da der Kontinent bereits vor der Eroberung und Vereinnahmung durch die Briten in weiten Teilen trocken war. Erst durch die künstliche Bewässerung ergrünte das aride Zentralaustralien. Ungeachtet dieser besonderen Ausgangsposition erlauben die Veränderungen in Downunder einen Ausblick auf die bevorstehenden Folgen des Klimawandels für viele andere Länder.

In Mexiko und den südlichen Bundesstaaten der USA ist eine ähnliche Entwicklung wie in Australien zu beobachten. Der Colorado und andere Flüsse führen nur noch geringe Mengen Wasser; der riesige Ogallala-Aquifer - ein fast 1300 Kilometer langer Grundwasserspeicher, der sich von Texas bis Süddakota erstreckt, aus dem 20 Prozent der gesamten künstlichen Bewässerung der USA bestritten wird - schrumpft merklich und könnte eines Tages schlagartig ausfallen. Dann würden auch in den USA landwirtschaftliche Flächen wieder zu dem werden, was sie einst, vor der Okkupation durch die Weißen, waren, nämlich eine weitgehend trockene Prärie.

Auch in den europäischen Mittelmeeranrainerstaaten Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland sowie dem Balkan steigen die Temperaturen im Zuge des Klimawandels an. In einigen Gebieten ist es bereits zu schweren Katastrophen gekommen. In Spanien und Portugal herrschte im vergangenen Jahr extremer Wassermangel, in Griechenland und auf dem Balkan brannten die Wälder. Wissenschaftler gehen fest davon aus, daß dies erst Vorboten des eigentlichen Klimawandels sind.

Wenn das zutrifft, werden womöglich ganze Regionen innerhalb der EU-Staaten unbewohnbar, und es könnte zu einer Völkerwanderung kommen, die bislang aufgrund der Freizügigkeitsregelung des Schengen-Abkommens zugelassen werden müßte. Die EU-Mitgliedsländer des klimatisch privilegierten Nordens könnten allerdings versucht sein, sich gegenüber der Not ihrer Schwestern und Brüder aus dem Süden zu verschließen, was harte Konflikte innerhalb der Union auslösen würde.

Der Klimawandel gefährdet die vorherrschende staatliche Ordnung, darüber sind sich Politiker, Militärs und Wissenschaftler weitgehend einig. Bislang wurde die Frage noch nicht öffentlich diskutiert, unter welchen Umständen die EU nicht nur nach außen hin militärisch auftrumpft und Ressourcensicherung betreibt, sondern auch innere Interessenskonflikte gewaltsam regeln wird. Wie werden die klimatisch bevorzugten EU-Mitgliedsstaaten reagieren, wenn hunderttausende Spanier, Italiener oder Griechen nach Norden wandern, vergleichbar mit den Migrationsströmen, die gegenwärtig aus der klimatisch noch stärker als der Mittelmeerraum benachteiligten Sahelzone Afrikas nach Norden führen?

Für eine Abschätzung dieser Frage bietet Australien zur Zeit keine Anhaltspunkte, bislang haben sich die Bundesstaaten und die Zentralregierung in den meisten konfliktgeladenen Fragen geeinigt. Die Nutzung der knappen Wasserressourcen dürfte allerdings weiterhin ein brisantes Thema sein, und wenn die Stauseen und großen Flüsse gänzlich trocken fallen, wäre auch mit schwerwiegenden inneren Zerwürfnissen Australiens zu rechnen.

26. Februar 2008