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KLIMA/279: Klimawandel wird zur Frage der Nationalen Sicherheit (SB)


Jenseits von CO2-Reduktionszielen

US-Militärs empfehlen umfangreiche Vorbereitung auf den künftigen Wasser- und Nahrungsmangel


Bei den Diskussionen im Vorfeld des G-8-Gipfels über die künftige Klimapolitik taucht ein wesentlicher Aspekt nur selten auf: die Frage der nationalen Sicherheit. In den Mainstreammedien, aber auch in den Publikationen der Gipfelgegner wird das Thema ausgeklammert. Das ist nicht nachvollziehbar, denn mit der Frage, wie die G-8-Staaten ihre nationale Sicherheit im Angesicht der globalen Erwärmung zu wahren versuchen, werden Themen wie Flüchtlingspolitik, Innere Sicherheit und auch Ressourcenkriege miteinander verknüpft.

Die USA und ihre Verbündeten haben einen "globalen Krieg gegen Terrorismus" (GWOT - Global War on Terrorism) ausgerufen und erheben den Anspruch, in jeder Region der Erde intervenieren zu dürfen. Daran ist auch die Bundeswehr beteiligt, unter anderem in Afghanistan und vor der Küste Somalias. Obwohl es kein Geheimnis ist, daß Saddam Hussein nichts mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA zu tun hatte, und sich auch seine Massenvernichtungswaffen als nützliche Projektion westlicher Bellizisten entpuppt haben, scheinen Teile der Gipfelgegner die Erkenntnisse sowohl aus der Terrorismuskampagne als auch dem Irakkrieg noch nicht ausreichend konsequent weiterverfolgt und mit dem Thema Klimawandel verknüpft zu haben.

Hinter GWOT verbirgt sich der Versuch, zum jetzigen Zeitpunkt die Weichen für eine Welt zu stellen, deren gesellschaftliche Ordnung in den kommenden Jahren aufgrund weltweiter natürlicher Veränderungen zunehmend in Frage gestellt werden wird. Der Umbau des weiteren mittleren Ostens durch die miteinander verbündeten, aber auch konkurrierenden Westmächte stellt eine Etappe auf dem Weg zur angestrebten Globalkontrolle dar. Ein andere Etappe besteht in der Aufstellung von US-amerikanischen Raketen in Polen und Tschechien, durch die das strategische Interesse Rußlands derart schwerwiegend beeinträchtigt wird, daß es darauf reagieren muß - vergleichbar mit den USA, die einst in schärfster Form auf die Aufstellung von sowjetischen Raketen auf Kuba reagiert hatten. Hinzu kommt noch, daß die NATO- und EU-Osterweiterung sowie die mit maßgeblicher westlicher Hilfe inszenierten "bunten Revolutionen" in ehemaligen Raum des Warschauer Pakts auf eine Schwächung Rußlands abzielten. Denn Moskau verfügt über Atomraketen, und gegen die hilft (zur Zeit) keine Abwehrmaßnahme.

Die künftige Klimapolitik dürfte in den meisten Staaten der Erde zu sehr viel weitreichenderen Repressionen führen als nach den 9/11-Anschlägen. Denn es geht um nicht weniger als die zu knappen Fleischtöpfe und die Frage, wer sie trotz aller Unwägbarkeiten unter Kontrolle behält. Das ist eine geostrategische Frage, die die Herrschenden der konkurrierenden Staaten möglicherweise sogar mit Atomwaffen werden austragen lassen. Klimapolitik ist keine Umweltfrage, sondern eine Überlebensfrage. Das gilt an vordringlichster Stelle für die große Mehrheit der Unterprivilegierten, für die kein Platz an den Fleischtöpfen vorgesehen ist.

Auf die kommende Ordnung bereitet man sich in den führenden Strategiezentralen unter anderem der USA entsprechend vor. Ein Einzelbeispiel, das stellvertretend für eine wenig beachtete Entwicklung steht, sind die Aussagen des US-amerikanischen Luftwaffengenerals i. R. Charles Wald am 9. Mai 2007 vor dem Committee on Foreign Relations des US-Senats über das Thema "Klimawandel und Nationale Sicherheit".

Der ehemalige stellvertretende Kommandant der in Stuttgart ansässigen US-Befehlszentrale EUCOM (European Command), der 91 Staaten in Europa, Afrika sowie Asien zu geordnet sind, mahnte einmal mehr an, daß sich die USA auf kommende, klimagenerierte Sicherheitsprobleme einstellen sollten. Wörtlich sagte Wald:

"Über die eher konventionellen Bedrohungen hinaus, denen wir traditionell begegnen, sollten wir uns meines Erachtens schon jetzt ebenfalls darauf vorbereiten, auf die Folgen dramatischer Bevölkerungswanderungen, pandemischer Gesundheitsfragen sowie signifikanter Nahrungs- und Wasserverknappungen als mögliche Folge eines bedeutenden Klimawandels zu antworten." (aus: www.acus.org/docs/070509-Wald_Testimony_CFR.pdf. Übersetzung: Schattenblick)

Wald schilderte verschiedene Beispiele aus Afrika, das er mehrfach bereist hatte, die seiner Meinung nach sicherheitsrelevant für die USA werden könnten. So könnte es in Nigeria aufgrund des Klimawandels zu Verschiebungen der Niederschlagssysteme kommen und das Land plötzlich nicht mehr genügend Trinkwasser und Nahrung produzieren, warnte Wald. Auch wäre es denkbar, daß das bevölkerungsreiche Niger-Delta durch den ansteigenden Meeresspiegel überschwemmt werde, wodurch Millionen Menschen vertrieben würden. Und es könnte geschehen, daß die Ölplattformen von schweren Stürmen beschädigt werden und das Land somit seiner wichtigsten Einnahmenquelle beraubt würde. Das hätte in einer Nation mit 160 Millionen Einwohnern und einer starken geographischen Trennung zwischen Muslimen und Christen dramatische Auswirkungen, resümiert der US-General im Ruhestand.

Was Wald nicht erwähnte: Die USA beziehen gegenwärtig 15 Prozent ihres Erdölimporte aus Nigeria und möchten die Menge bis 2015 auf 25 Prozent erhöhen. Schon jetzt beziehen die USA mehr Öl aus Afrika als aus dem Mittleren Osten. Was in Nigeria geschieht, geht aus der Sicht der Militärs somit auch die USA an, die das westafrikanische Erdölfördergebiet am Golf von Guinea als "von besonderem strategischen Interesse" ausgewiesen haben.

Der US-General im Ruhestand wiederholte vor dem Senatsausschuß noch einmal, worauf er und weitere Generäle und Admirale i. R. Mitte April in ihrem Report "National Security and the Threat of Climate Change" (siehe: SecurityAndClimate.cna.org) gefordert hatten:

- Die nationalen Sicherheitskonsequenzen des Klimawandels sollten voll in die Strategien der nationalen Sicherheit und nationalen Verteidigung integriert werden. Die Geheimdienste sollten Klimafolgen in ihre Nationale Nachrichtendienstliche Einschätzung aufnehmen. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir das von den Senatoren Durbin, Hagel und Feinstein eingebrachte Gesetz, in dem eine Nationale Nachrichtendienstliche Einschätzung zum globalen Klimawandel gefordert wird.

- Die USA sollten sich zu einer stärkeren nationalen und internationalen Rolle verpflichten, um dabei zu helfen, daß Klimaveränderungen auf einem Niveau stabilisiert werden, damit wesentliche Störungen der globalen Sicherheit und Stabilität vermieden werden.

- Die USA sollten globale Partnerschaften eingehen, damit weniger entwickelten Staaten geholfen werde, die Kapazität und Belastbarkeit aufzubauen, um mit Klimaeinflüssen umzugehen.

- Das Verteidigungsministerium sollte sein operatives Vermögen verstärken, indem es die Aufnahme verbesserter Geschäftsprozesse und innovativer Technologien, die die Kampfkraft der USA durch Energieeffizienz erhöhen, beschleunigt.

- Das Verteidigungsministerium sollte ein Gutachten zum Einfluß des steigenden Meeresspiegels, extremer Wetterereignisse und anderer denkbarer Klimawandelfolgen der nächsten dreißig bis vierzig Jahre erstellen.

Wer in dieser Aufstellung den brisanten Charakter der Aussagen vermißt, möge sich zum Vergleich in Erinnerung rufen, daß die US-Regierung den Irakkrieg mit seinen hunderttausenden Toten als Demokratisierung des Landes bezeichnet.

Klimaexperten prognostizieren in Verbindung mit dem Klimawandel eine verstärkte Ausbreitung von Tier-, Pflanzen- und Humanerregern, einen Anstieg des Meeresspiegels, durch den viele Dutzend Millionen Bewohner niedrig gelegener Küstengebiete vertrieben werden, einen allgemeinen Verlust der Verfügbarkeit von Wasser, Nahrung und strategischen Ressourcen sowie eine Ausbreitung der Wüsten. Der Einsatz des Militärs zur Wahrung der nationalen Sicherheit dient somit dem Zugriff auf knappe Ressourcen, der Abwehr von Flüchtlingsströmen - siehe den von US-Präsident Bush abgesegneten, zwei Milliarden Dollar teuren Bau eines Hightech-Zauns an der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze - und der Einkesselung von Pandemie-Zonen mit der möglichen Folge einer finalen Beseitigung der Erreger ... und damit deren Wirte.

5. Juni 2007