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KLIMA/267: In Bangladesh fürchtet man die Dürre, nicht das Meer (SB)


Wenn die Himalaya-Gletscher abschmelzen ...

... leidet Bangladesh unter Süßwassermangel


Es hat gute Gründe, daß die Wissenschaftler, wenn sie Computersimulationen zur künftigen Klimaentwicklung erstellen, gleich mehrere Szenarien durchlaufen lassen. Denn die Faktoren, die das Klimageschehen beeinflussen, sind vielfältig und nehmen häufig einen kuriosen Verlauf. Das gilt beispielsweise für Bangladesh. Das Land hat vor einiger Zeit gemeldet, daß bereits zwei bevölkerte Inseln vor den Mündungen der drei Flüsse Ganges, Brahmaputra und Meghna gelegenen Sunderbanen aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels untergegangen seien.

Bangladesh besteht praktisch nur aus dem Deltagebiet, und so würde jeder erwarten, daß es in den kommenden Jahrzehnten überflutet wird. Das kann tatsächlich passieren, aber Wissenschaftler aus Bangladesh befürchten vorher noch etwas ganz anderes. Sie rechnen in den nächsten Jahren mit Dürre. Denn wenn die Gletscher im Himalaya schmelzen, wird es zwar keine Überflutungen geben, aber eben auch keine Flut.

Die Einwohner Bangladeshs sind unter anderem deshalb auf die kräftige Zufuhr von Schmelzwasser angewiesen, weil ansonsten das Meerwasser ins Landesinnere vordringt und die Bauern deswegen ihren Reisanbau aufgeben müssen. Wie die britische Zeitung "The Independent" (29.3.2007) berichtete, ist dies bereits vereinzelt geschehen.

Noch immer besteht in Bangladesh die latente Gefahr durch Überschwemmungen. Aber das ist eben nicht die einzige. Der Klimawandel verändert auch die saisonal bislang recht stabile Monsunregenzeit und führt zu Wetteranomalien mit plötzlichen Stürmen, Hitzeperioden, außergewöhnlichen Trockenzeiten sowie dem Ausbleiben der Gezeiten.

Die britische Zeitung zitiert Professor Ainun Nishat, einen der führenden Klimaexperten des Landes, der berichtete, daß man zur Zeit einen leichten Anstieg der Pegelstände in den Flüssen verzeichne, weil im Frühjahr die Gletscher des Himalaya tauten. Aber was passiere in zwei bis fünf Jahren, wenn die Gletscher verschwunden seien, fragte der Wissenschaftler. Er sorgt sich viel mehr über die zukünftigen Dürren als über den Meeresspiegelanstieg oder die Wetteranomalien.

Im vergangenen Jahr war der Monsunregen in Bangladesh vollständig ausgefallen, was im Nordwesten des Landes zu einer Dürre führte. Die Bauern mußten auf einmal anfangen, das Grundwasser emporzupumpen, und befürchten nun berechtigterweise, daß auch diese Quelle versiegt, falls der Regen erneut ausbleibt. In den westlichen Sunderbanen, die ein einzigartiges Naturparadies bilden, verenden bereits die Bäume, was nicht allein mit dem Wassermangel erklärt wird, sondern auch damit, daß das salzhaltige Meerwasser tiefer in den Mündungsbereich vorgedrungen ist.

Die indische Regierung sieht sich ebenfalls gravierenden Problemen aufgrund des Wassermangels gegenüber und betreibt ein umfangreiches Staudammprogramm. Das schließt auch jene Flüsse mit ein, die über die Grenze nach Bangladesh weiterfließen. Zur Zeit ist das noch kein Problem, aber wie werden die beiden Staaten den zu erwartenden Konflikt lösen, sobald die Schmelzwässer des Himalaya ganz und gar versiegen?

Bereits jetzt fahren die Reisbauern Bangladeshs deutlich geringere Ernten ein als Bauern in Regionen, die nicht von Meerwasser betroffen sind. So produziert ein Bauer in Bangladesh durchschnittlich acht Tonnen Reis pro Hektar und Jahr - in China sind es 17 Tonnen. Bislang konnten noch keine Reispflanzen gezüchtet werden, die trotz eines höheren Salzgehalts höhere Erträge abwerfen.

Bangladesh zählt eindeutig zu den Verlierern des Klimawandels. Ob es auch Gewinner geben wird, darf angesichts der umfassenden und vielschichtigen existentiellen Probleme, die sich weltweit aufgrund der steigenden Temperaturen ergeben, bezweifelt werden.

3. April 2007