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GENTECHNIK/296: Immer mehr Insekten gegenüber Bt-Pflanzen resistent (SB)


Schädlinge stellen sich auf die gentechnisch in Pflanzen "eingebauten" Gifte ein



Wenn man vergleichsweise harmlose Erkältungsbakterien stets mit dem gleichen, hochwirksamen Antibiotikum bekämpft, besteht das Risiko, daß die Erreger irgendwann immun gegenüber der Behandlung werden und sie durch nichts mehr erfolgreich bekämpft werden können, da das Pulver schon verschossen wurde. Das wissen die Mediziner, weshalb sie auch versuchen, eine solche Entwicklung zu vermeiden, indem sie einer Infektion zunächst nicht mit ihrem schwersten Geschütz zu Leibe rücken. Erst wenn die Behandlung nicht anschlägt, wird nachgerüstet. Durch diesen Ansatz wird die Wahrscheinlichkeit einer Immunisierung der Bakterien und somit die Gefahr, eine Infektion nicht mehr eindämmen zu können, reduziert.

In der Landwirtschaft scheint diese Methode der Immunisierungsvermeidung im allgemeinen noch keinen Eingang gefunden zu haben. Dort werden Monokulturen angelegt, die mit immer den gleichen Herbiziden und Insektiziden behandelt werden. Dadurch erhöht sich die Gefahr, daß "Unkräuter", die so genannt werden, weil sie nicht zu den Nutzpflanzen zählen und den pflanzlichen Gehilfen des Menschen Licht, Wasser, Platz und Nährstoffe "wegnehmen", Widerstand gegen ihre Behandlung mit Chemikalien aufbauen. Und natürlich, daß sich Schädlinge nicht mehr von den gegen sie in Stellung gebrachten Insektiziden beeindruckt zeigen.

Diese unliebsame Erfahrung mußten in den letzten Jahren immer mehr Landwirte machen, die sich auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen eingelassen hatten. So berichtete diese Woche eine amerikanisch-französische Forschergruppe im Wissenschaftsjournal Nature Biotechnology [1] von den Ergebnissen ihrer Metastudie, die 77, von anderen Forschern durchgeführte Untersuchungen in acht Ländern auf fünf Kontinenten zu gentechnisch veränderten Mais- und Baumwollpflanzen, die Gene des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) in sich tragen, einschließt. Die Gene waren mit Unterstützung mikrobiologischer Methoden in die Bt-Pflanzen eingezüchtet worden, damit diese vor bestimmten Insekten geschützt sind, indem sie bestimmte Proteine produzieren, sobald sie angegriffen werden. Dadurch werden die Schädlinge abgetötet, bevor sie größeren Schaden anrichten können.

Von den in der Metastudie untersuchten 13 verbreiteteren Schädlingsarten war im Jahr 2005 nur eine einzige gegenüber dem Bt-Toxin resistent, doch 2011 hatte sich die Zahl schon auf fünf erhöht. Wobei die Forscher erst dann von Resistenz gesprochen haben, wenn diese für mehr als die Hälfte der Exemplare einer Schädlingsart an einem Ort galt. Es könnte also sein, daß sich zur Zeit viel mehr Resistenzen anbahnen, nur daß sie noch nicht die Schwelle von fünfzig Prozent der Exemplare überschritten haben.

Tatsächlich berichteten die Forscher um Bruce Tabashnik und Yves Carriere von der Universität von Arizona und Thierry Brevault vom Zentrum für Landwirtschaftsforschung und Entwicklung (CIRAD) in Frankreich von einem weiteren resistenten Baumwollschädling in den USA, der aber bisher noch unter der 50-Prozent-Schwelle bleibt, sowie von vier Mais- und Baumwollschädlingen, von deren Populationen bislang ein Prozent oder weniger unempfindlich gegenüber dem Bt-Toxin waren. Betroffen waren Standorte in den USA, China und auf den Philippinen.

Interessant ist auch, daß sich manchmal schon nach zwei Jahren Resistenzen entwickelt haben und manchmal nicht einmal nach 15 Jahren. Diesen krassen Unterschied führen die Forscher auf die Frage zurück, ob die Landwirte gentechnikfreie Ausgleichsflächen für ihre Bt-Pflanzen angelegt haben oder nicht. Das scheint ein relativ wirksames, wenngleich nicht absolut sicheres Mittel gegen den Befall zu sein, denn es verringert die Wahrscheinlichkeit, daß zwei resistente Gene von je einem Elternteil zusammenkommen und an die Nachkommen weitergereicht werden.

Unternehmen wie Monsanto, die gentechnisch verändertes Saatgut verkaufen, dürften sich durch diese Studie bestätigt sehen, daß unsachgemäßer Anbau resistente Schädlinge hervorbringt und daß Landwirte, die sich an die Empfehlungen halten, davon nicht betroffen sind.

Das wäre aber eine voreilige Vermutung. In den USA, wo die sogenannte Grüne Gentechnik etwa Mitte der 1990er Jahre eingeführt wurde, entwickelten sich resistente Unkräuter, obwohl die Landwirte alles richtig gemacht haben. So wie Insekten irgendwann unempfindlich gegenüber den gegen sie ins Gefecht geworfenen, agrarischen "C-Waffen" werden, vermögen auch Pflanzen sich anzupassen und eine Art Schutzpanzer gegenüber Herbiziden auszubilden. Es ist bekannt, daß die Agrounternehmen laufend die Giftstoffkombination, die auf den Feldern versprüht werden soll, damit die Unkräuter absterben, die Gentechsaat jedoch gedeiht, anpassen müssen und zunehmend härtere Chemiecocktails gebraut werden.

Selbst wenn bei einigen Bt-Pflanzen nach 15 Jahren keine nennenswerten Resistenzen entstanden, könnte es sein, daß die Methode, Ausgleichsflächen anzulegen, lediglich den Zeitpunkt, an dem sich die Insekten nicht mehr vom Verzehr der Bt-Baumwolle und des Bt-Maises abhalten lassen, hinauszögert. Vor allem in den USA entstehen riesige Monokulturwüsten. Im Jahr 2012 waren dort 94 Prozent der Baumwolle, 92 Prozent der Soja und 88 Prozent des Maises gentechnisch verändert. Dabei geht der Trend der Konzerne dahin, Pflanzen mit "nur" einer Gentech-Eigenschaft vom Markt zu nehmen und statt dessen Pflanzen wie dem SmartStax-Mais (von Monsanto) einzuführen, der zugleich gegen mehrere Herbizide und mehrere Schädlinge resistent ist. Dadurch könnte es geschehen, daß die Landwirte pflanzliche Eigenschaften in die Umwelt entlassen, die sie lediglich mitkaufen mußten, aber die für ihren eigenen Anbau eigentlich gar nicht erforderlich gewesen wären.

Die gesteigerte Verbreitung solcher Gentech-Eigenschaften erhöht wiederum das Risiko der Resistenzentwicklung bei Unkräutern und letztlich auch bei unerwünschten Insekten. Gentech-Pflanzen sind der Inbegriff für Resistenzentwicklung, denn diese Sorten sollen ja unempfindlich gegenüber bestimmten Unkrautvernichtungsmitteln sein, so daß die Landwirte das Gift versprühen können, ohne daß ihre Nutzpflanzen daran eingehen. Der Mensch macht es also mit seiner Züchtung der Natur vor, wie ein wirksamer Schutz gegenüber seinen Chemiebomben aussehen könnte. Das erweckt nicht gerade den Eindruck eines zukunftsträchtigen Konzepts der Nahrungsproduktion.


Fußnoten:

[1] http://www.nature.com/nbt/journal/v31/n6/full/nbt.2597.html

12. Juni 2013